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Thüringen
Ölverseuchtes Grundwasser in Rositz

In Rositz im Altenburger Land leiden Bürger immer noch unter Umweltsünden aus der DDR-Vergangenheit. In der Gemeinde rund 50 Kilometer südlich von Leipzig stinken die Altlasten des ehemaligen Teerverarbeitungswerks regelrecht zum Himmel.

Von Antje Uebel | 26.01.2015
    Die Sonne spiegelt sich auf der schwarzen, stinkenden Masse in einem Teersee in Rositz (Thüringen).
    Die Sonne spiegelt sich auf der schwarzen, stinkenden Masse in einem Teersee in Rositz (Thüringen). (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Es stinkt in der Talstraße des Rositzer Ortsteils Schelditz. Ein intensiver Geruch nach Benzin, beißend, drückend, als wäre der komplette Ort eine Tankstelle. Lothar Schumann, einer der Anwohner, nimmt ihn an trockenen Tagen kaum noch wahr, nur wenn es regnet, bekommt auch er Kopfschmerzen. Dann drückt das kontaminierte Grundwasser nach oben, erklärt er.
    "Das ist der Keller, wo angepumpt wird. Jede Woche. Und in dieser Höhe - sie riechen es jetzt stark - in dieser Höhe steht das Grundwasser. Und die Messstelle, die hier ist, die sagt, dass Wasser bei einem Richtwert von einem Mikrogramm pro Liter Wasser ist das hier um das 20.000-fache überschritten."
    Messwerte für Schadstoffe, wie Benzol, Phenol und Naphthalin, allesamt hochgiftig. An manchen Stellen schwimmt eine fast einen Meter dicke Ölschicht auf dem Grundwasser. Ein Problem, das nicht neu ist. Mehr als 70 Jahre produzierte das Teerverarbeitungswerk Rositz Heizöl und Benzin. Unmengen an Schadstoffen gelangten in den Boden und werden nun vom ansteigenden Grundwasser ausgespült, erklärt der Chemiker Alexander Borowsky, der mit der Pflege der "Haselbacher Teiche" betraut ist, ein Naturschutzgebiet, 15 Kilometer von Rositz entfernt. Hier sind die Schadstoffe bereits angekommen.
    "Wir haben im Herta Teich im Schlamm, einen Meter Schlammtiefe, rositztypische Mineralölkohlenwasserstoffe gefunden, in höherer Konzentration. Das heißt, dass eine großräumige Verteilung vorliegt."
    Ob, wann und in welchem Ausmaß weitere überregionale Umweltschäden auftreten werden, ist schwer zu beurteilen, erklärt der Chemiker. Zu viele noch unklare Faktoren spielen da eine Rolle.
    "Aber sicher ist es so, dass das Problem eben nicht gut begrenzt werden kann, und dass wir allein durch den Grundwasseranstieg die Schadstoffe an der einen oder anderen Stelle noch zutage treten werden. Also perspektivisch wird es eigentlich unbehandelt schlechter bis katastrophal."
    Auch Lothar Schumann kann das bestätigen. Mit Sorge blickt er auf die Tal Aue, hinter den Häusern von Schelditz.
    Grundwassersanierung längst überfällig
    "Dieses ganze Gelände ist Wiese gewesen. Das ist jetzt schon alles überschwemmt. Wenn diese Kontamination jetzt ins Grundwasser reinkommt, dann geht das in den Gerstenbach rein, der dort drüben läuft, und über den Gerstenbach wird das dann in die Pleiße und weiter getragen, bis in die Nordsee."
    Eine Grundwassersanierung halten viele Anwohner und auch Experten deshalb für längst überfällig. Doch hier hakt es: Das Thüringer Umweltministerium hat eine Finanzierung seit 1990 stets abgelehnt. Stattdessen wurden Maßnahmen zur kurzfristigen Gefahrenabwehr ergriffen, Abpumpen zum Beispiel. Keine Lösung auf Dauer, empört sich Anwohner Jürgen Dobmeier.
    "Ich will einen trockenen Keller haben und keine Gefahrenabwehr, wo ich laufend pumpe und nur in Angst und Bange lebe hier. Das kann's nicht sein."
    Auch über die Empfehlungen der Behörden, viel zu lüften, damit die giftigen Stoffe verdünnt werden, können die Anwohner nur den Kopf schütteln. Im Thüringer Umweltministerium weiß die zuständigen Referatsleiterin Karin Arndt seit vielen Jahren vom kontaminierten Grundwasser. Handlungsbedarf besteht aber erst, wenn die Ursache einer Gefahr eindeutig belegt ist. Die Juristin wies auf dieser Grundlage immer Verantwortung ab, trotz vieler Gutachten und Expertenmeinungen, die seit 2003 vorgelegt wurden. Auch von gesundheitsgefährdenden Stoffen in den Wohnungen wusste Karin Arndt bislang nichts.
    "Für die betroffenen Häuser gab es Dränage Maßnahmen und Ablüftungsmaßnahmen, sodass dort keine Gefahr für die Menschen und für die Gesundheit eintritt."
    Lothar Schumann, der sich als Leiter der Bürgerinitiative Schelditz mit dem Thema seit Jahren beschäftig, widerspricht dem Umweltministerium und verweist auf eine Straßenbaumaßnahme in Schelditz im Jahr 1998.
    "Dort sind Kontaminationen aufgetreten. Die sind auch gemessen worden und demzufolge muss auch die Landesregierung informiert worden sein."
    Erst in den letzten Wochen, aufgrund neuer Messdaten und des zunehmenden Drucks durch die Bürgerinitiative, rückte Rositz wieder in den Blickpunkt des Umweltministeriums. Auch mit dem Regierungswechsel in Thüringen soll nun vieles anders werden. Die neue Umweltministerin Anja Siegesmund will das Großprojekt Rositz zur Chefsache machen. Bereits mehrfach war sie vor Ort, kennt das ökologische Ausmaß der Altlast.
    "Wir wissen, dass die Grundwasserkontamination ein riesen Problem ist, wir wissen, dass die Menschen, die im Augenblick in den Häusern wohnen, die kontaminiert sind, dringend eine Lösung brauchen. Ich würde gerne dahin kommen, dass wir gemeinsam mit der Bürgerinitiative gute, tragfähige, nachhaltige Lösungen finden. Da bin ich mit voller Kraft dabei."
    Die Rositzer setzen nun große Hoffnungen in die neue Landesregierung, blicken gespannt nach Erfurt, ob die Versprechen dort ernst gemeint sind und die Umweltschäden vor Ort nun endlich nachhaltig angepackt werden.