Archiv

Thüringen
Rot-Rot-Grün stolpert über eigenen Änderungsantrag

Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hat sich selbst ein Bein gestellt. Am Mittwoch sollte über das Abgeordnetenüberprüfungsgesetz abgestimmt werden. Die CDU wollte es verlängern, die Koalition allerdings nur mit einigen Änderungen. Doch nicht alle Abgeordnete aus der Koalition wollten diese mittragen.

Von Henry Bernhard |
    Der Schriftzug "Thüringer Landtag" an der Fassade des Gebäudes
    Rot-Rot-Grün stimmte am Ende gegen den eigenen Antrag. (dpa/picture alliance Jan Woitas)
    Den Fraktionschefs von SPD und Bündnis-Grünen gelang es nicht einmal, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Gerade einmal eine Armlänge entfernt saßen sie mit versteinerten Gesichtern im Thüringer Landtag. Was seit der Wahl Bodo Ramelows zum Thüringer Ministerpräsidenten im Dezember 2014 immer wieder vorausgesagt wurde, dass die Einstimmenmehrheit von Rot-Rot-Grün nicht tragfähig sei, hatten die 46 Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen bislang Lügen gestraft. Alle Gesetze und drei Haushalte haben sie trotz mitunter heftiger interner Kontroversen unfallfrei durchs Parlament gebracht. Gestern aber war es soweit: Rot-Rot-Grün hat sich selbst ein Bein gestellt. Zur Abstimmung stand das Abgeordnetenüberprüfungsgesetz, das die regelmäßige Überprüfung aller Parlamentarier auf Stasi-Mitarbeit vorschreibt. Die CDU wollte dieses Gesetz, dass 2018 ausläuft, unverändert verlängern. Mit großem Pathos steckten alle CDU-Parlamentarier zur Rede ihres Kollegen Manfred Scherer auf ihren Pulten Kerzen an – in Erinnerung an 1989. Scherer unterstrich die Bedeutung der Stasi-Überprüfung.
    "Um sicherzustellen, dass im Landtag das geschieht, was nicht nur Rot-Rot-Grün zu Beginn der Legislaturperiode zugesagt hat, sondern, was viele Bürger - und vor allem viele, die unter dem Unrechtsstaat DDR gelitten haben - nach wie vor wollen. Sie wollen, dass nicht nur nicht vergessen wird, sondern vor allem, dass das Unrecht nicht negiert und nicht kleingeredet wird."
    Rot-Rot-Grün wollte Änderungen
    Rot-Rot-Grün wollte die Verlängerung des Gesetzes mittragen, allerdings mit einigen Änderungen. So sollte das Stigma der "Parlamentsunwürdigkeit", die den ehemaligen Stasi-Mitarbeitern oder -Zuträgern laut Gesetz angehängt wird, gestrichen werden. Ebenso ein Passus, der den Ausschluss der "Parlamentsunwürdigen" aus dem Landtag vorsieht, der allerdings schon vor 16 Jahren vom Thüringer Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Dazu Steffen Dittes von der Linken:
    "Es hat schon eine gewisse Widersprüchlichkeit in sich, wenn im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht 'Die Würde ist unantastbar' und ein Parlament wo es explizit auch noch wortwörtlich schreibt, dass ein Abgeordneter diese Würde auf Beschluss der Mehrheit verliert."
    Der Änderungsantrag von Rot-Rot-Grün hatte schon mit eigener Mehrheit den Justizausschuss passiert. In den letzten Tagen jedoch meldeten sich mindestens drei Abgeordnete der SPD und einer von den Grünen zu Wort, die diese Lösung nicht mittragen wollten. Die Erklärung der Parlamentsunwürdigkeit müsse im Gesetz bleiben, sonst würden sie ihre Zustimmung verweigern. Unter ihnen Eleonore Mühlbauer, SPD:
    "Mein Kreisverband, meine Genossen, haben zu dem Entschluss, Rot-Rot-Grün mir die Aufgabe mitgegeben: Aufarbeiten! Und da ist zu wenig passiert. Wir haben viele Menschen in meiner Region mit Verletzungen, mit Fragen, die noch offen sind. Und da müssen wir uns der Thematik als erstes stellen, bevor wir als zweites Tatsachen schaffen und viele im Unverständnis für die Veränderungen nicht mitnehmen können."
    Krach hinter den Kulissen
    Es krachte gewaltig hinter den Kulissen. Aber man fand keinen Kompromiss. So kam es dazu, dass Rot-Rot-Grün gegen den eigenen Antrag stimmte, um wenigstens noch Geschlossenheit zu demonstrieren und das Gesicht zu wahren. Frohlocken bei der Opposition, Rot-Rot-Grün endlich einmal an sich selbst scheitern zu sehen. Rot-Rot-Grün plant nun interne Debatten und will im nächsten Jahr ein eigenes Gesetz vorlegen.