
"Es ist ein großartiger Tag für die Eltern und Schüler an freien Schulen, definitiv, weil sie in den vergangenen Monaten sich immer wieder fragen mussten: Warum gibt es in Thüringen Schülerinnen und Schüler erster und zweiter Klasse?"
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Thüringer Landtag, Anja Siegesmund, strahlte, nachdem das Thüringer Verfassungsgericht sein Urteil verkündet hatte: Denn das Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft ist in Teilen verfassungswidrig - nämlich dort, wo es um die Finanzierung der freien Schulen geht. Die grüne Landtagsfraktion hatte gegen das Gesetz geklagt.
In Thüringen gibt es 160 freie Schulen, jeder zehnte Schüler im Land lernt nicht an einer staatlichen Schule. Die Träger der freien Schulen beklagen, dass sie nur gut die Hälfte dessen erhalten, was das Land für Schüler an regulären Schulen ausgibt. Andrea Fabry ist Geschäftsführerin der Waldorfschule in Erfurt:
"Wir haben, seit wir 2006 gegründet haben, die Situation, dass wir alle paar Jahre mit einer Finanzhilfe-Kürzung zu tun hatten, und vor allem auch mit dieser permanenten Unsicherheit: Wie wird die staatliche Finanzhilfe in den nächsten Jahren aussehen? Wir müssen also, um unseren Schulbetrieb aufzubauen, Investitionen tätigen in das Schulgebäude, wir müssen es erweitern zum Beispiel, und da natürlich Finanzierungen planen, also schon langfristig, nicht nur mittelfristig! Und das ist leider mit der Erfahrung de letzten Jahre kaum möglich, also eigentlich fast ein bisschen unverantwortlich."
Nach den letzten Kürzungen der Landeszahlungen vor drei Jahren hat die Erfurter Waldorfschule das Schulgeld von 30 bis 500 Euro - je nach Einkommen - nicht weiter erhöht. Stattdessen stagnieren die ohnehin niedrigeren Lehrergehälter, und die Eltern leisten Tausende Aufbaustunden in der Schule. Etwas besser sieht es an den konfessionellen Schulen aus, dort tragen die Kirchen einen Teil der Kosten. Betina Meißner ist Mutter von fünf Kindern und Vorsitzende des Fördervereins am Christlichen Gymnasium Jena:
"Nichtsdestotrotz waren wir die letzte Schule, die gar kein Schulgeld hatten, bis vor einigen Jahren, weil die Eltern so eine Art Solidarmodell hatten, dass die, die mehr verdienen, Schulgeld für andere übernommen haben. Das hat aber irgendwann die Defizite trotzdem nicht ausgeglichen, deshalb musste dieses Schulgeld her. An unserer Schule ist es de facto so, dass das, was wir an staatlicher Refinanzierung bekommen, die komplette Summe, reicht nicht mal für die Lehrer-Gehälter. Und das heißt, nicht 'auskömmlich finanziert', das kann gar nicht sein."
Formale Gründe gegen das bestehende Gesetz
Laut Thüringer Verfassung erhalten freie Schulen öffentliche Zuschüsse. Das Nähere soll ein Gesetz regeln. Und eben da ist das Gesetz nach Auffassung der Mehrheit der Thüringer Verfassungsrichter verfassungswidrig, denn es verweist die Finanzierung an die staatliche Verwaltung. Die Richter führen aus, dass das Parlament über die Höhe der Zuschüsse zu entscheiden habe. Für ein neues Gesetz ließen sie dem Landtag ein knappes Jahr Zeit. Das im Herbst neu zu wählende Thüringer Parlament muss sich also sputen. Und auch, wenn das Gericht das Gesetz nur formal prüfte und nicht, ob der Staatszuschuss an die freien Schulen ausreiche, erhoffen sich Schulträger, Eltern und Lehrer der freien Schulen mehr Geld. Dazu Winfried Weinrich, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen:
"Die Anforderung, die Transparenz zu erhöhen, erhoffe ich mir auch, dass wir bei der Höhe der Schülerkosten-Beträge möglicherweise auch von profitieren könnten. Aber wichtig ist auch, dass Planungssicherheit, Berechenbarkeit, Transparenz - ein klares Votum des Gerichtes."
Für Betina Meißner aber ist klar: Mit dem derzeitigen Landeszuschuss an die freien Schulen geht es nicht weiter, auch nicht, wenn er klar im Gesetz steht:
"Also, das kann eigentlich nicht sein, denn das wird auf jeden Fall das Aus für viele freie Träger bedeuten. Und dann muss der Staat für die Schüler aufkommen, das wird also viel teurer. Und abgesehen davon: Dann wird es hier Randale am Landtag geben. Dann werden wir unsere Eltern und Schüler mobilisieren und werden noch mal sehr deutlich machen, was freie Schulen hier leisten und wie sehr der Staat davon auch profitiert und wo wir eigentlich hinschlittern, wenn diese Pluralität kaputtgemacht wird, kaputtgespart wird."