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Thumann: Russland ist unser natürlicher wirtschaftlicher Partner

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, mahnt eine schnelle Lösung im Konflikt zwischen Russland und Georgien an. Thumann unterstrich im Deutschlandfunk die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und Russland. Einerseits sei Deutschland auf Rohstoffe wie Gas und Öl angewiesen, doch auch die Russen bräuchten Deutschland als Kunden und Investor.

Jürgen Thumann im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: Welche Folgen hat der Kaukasus-Konflikt mittelfristig für unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen? Und: was ist denn dran an den Ängsten vor einem deutlichen Abschwung in Deutschland? Das sind zwei Themen des folgenden Interviews mit BDI-Präsident Jürgen Thumann, das wir vor der Sendung aufgezeichnet haben.

    Zunächst der Kaukasus. Inwieweit betrifft also die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen, die ja Folge des Kaukasus-Konflikts ist, unsere Wirtschaft, habe ich Herrn Thumann gefragt. Wir sind abhängig von russischem Öl und Gas, aber auch umgekehrt gibt es ja Wirtschaftsinteressen der Russen. Wie sehr wäre dies von einer weiteren Zuspitzung betroffen?

    Jürgen Thumann: Wir können uns, glaube ich, alle nur als Bürgerinnen und Bürger wünschen, dass dieser Konflikt sehr schnell unter Kontrolle gebracht wird und dass es uns gelingt, zur Normalität zurückzukehren. Was die Wirtschaft anbetrifft: Wir sind natürlich angewiesen auf die Gas- und Rohöl- und sonstigen Rohstofflieferungen der Russen. Aber umgekehrt gehört auch dazu, dass die Russen uns als Abnehmer, als Kunden brauchen. Und wir sind einer der ganz großen Investoren in Russland, wie umgekehrt wir auch die Russen als großen Kunden für unsere Fertigprodukte - nehmen wir als Beispiel die Automobilindustrie - natürlich sehr schätzen. Bei der Automobilindustrie, darf ich noch hinzufügen, werden wir in diesem Jahr fast eine Zahl von einer halben Million, fast 500.000 Fahrzeuge in Russland absetzen können. Das macht deutlich, wie bedeutend auch für uns der Markt ist.

    Durak: Das könnte ja sogar eine Chance sein für solche politischen Konflikte. Könnten die gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen nicht langfristig sogar dämpfend auf eine Eskalation einwirken?

    Thumann: Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ich bin der festen Überzeugung - und für die etwas älteren Zuhörerinnen und Zuhörer darf ich sagen, denken wir mal zurück an die alte DDR und die Verhältnisse, die wir dort hatten. Es war ja nicht nur, aber auch gerade die Wirtschaft und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der DDR, die dafür gesorgt haben, dass wir uns nicht noch weiter auseinander bewegt haben, sondern uns am Ende sogar zusammenführen konnten und zur Wiedervereinigung kamen. Ich sehe das mit den Russen, dass wir alles daran setzen müssen, Russland als unseren ganz natürlichen wirtschaftlichen Partner zu empfinden.

    Durak: Kommen wir auf die deutschen Probleme zurück, die ja viele Menschen bewegen - sei es auch ein wenig angestachelt durch Medienberichterstattung, sei es aber auch durch eigenes persönliches Erleben im Alltag. Stichwort Konjunktur. Die Bundesbank hat dieser Tage drei Elemente ausgemacht, die einen Abschwung oder sagen wir den Stopp des Aufschwungs verursacht hätten. Das ist der starke Euro, das sind die hohen Öl- und Gaspreise und das ist die Finanzkrise. Hätten Sie etwas auf diese Verursacherliste hinzuzutragen?

    Thumann: An Sachpunkten habe ich dem nichts hinzuzufügen, außer den Punkt der öffentlichen Diskussion und der Darstellung, dass ich sehr darum bitte und alle Beteiligten auffordere, dass wir nun nicht noch mehr Verunsicherung hervorrufen bei den Menschen im Lande, dass sie Sorge haben müssen, noch größere Sorgen vielleicht haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder Einkommenseinbußen hinzunehmen. Denn eins lassen Sie mich bitte deutlich festhalten: Die deutsche Wirtschaft insgesamt und besonders die Industrie befindet sich in einer sehr guten Verfassung.

    Durak: Weshalb gibt es dann so ein schlechtes Geschäftsklima, wie gerade jüngst wieder konstatiert?

    Thumann: Das schlechte Geschäftsklima ist - davon bin ich fest überzeugt - zum großen Teil verursacht durch die ständig sich wiederholenden öffentlichen kritischen Anmerkungen. Denn wenn wir uns mal die Wachstumszahlen angucken: Wir bleiben beim BDI aufgrund der guten Auftragslage, der hohen Auftragsbestände bei unserer Prognose. Wir halten nach wie vor ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent in diesem Jahr für möglich. Wir werden auch in den nächsten Monaten die Arbeitslosigkeit durch Schaffung neuer Arbeitsplätze weiter abbauen können. Auch hier bleiben wir bei unserer Aussage. Natürlich müssen wir die Risiken sehen, die ein hoher und vielleicht auch auf lange Frist gesehen steigender Ölpreis mit sich bringt. Ich glaube aber, dass es der deutschen Industrie gut gelungen ist, sich in den letzten Monaten und Jahren mit dem stetig steigenden Ölpreis, dem steigenden Euro-Wert gegenüber dem Dollar sehr gut auf den Märkten behaupten zu können. Unsere Wettbewerbsfähigkeit ist nach wie vor gegeben und deshalb, gehe ich davon aus, dürfen wir auch verhalten positiv optimistisch in die Zukunft blicken.

    Durak: Ich komme noch mal auf den Beginn Ihrer Antwort zurück, Herr Thumann. Das hieße nämlich zu Ende gedacht, dass sich die Unternehmen, wenn sie befragt werden, wie sehen sie ihre Geschäfte in der nächsten Zeit, von Medien beeinflussen lassen. Im Ernst?

    Thumann: Ich glaube, die Unternehmer sind am Ende ja auch der öffentlichen Diskussion ausgesetzt und wenn wir nun ständig hören, dass ein hoher Ölpreis, dass ein hoher Euro-Kurs, ein schwacher Dollar, aber vielleicht noch viel wichtiger die so genannte Subprime-Krise die gesamte Finanzwirtschaft gefährdet, dann denkt natürlich auch gerade der kleine und mittlere Mittelständler an seinen Finanzierungsbedarf und dann fragt er sich auch natürlich, wenn die Finanzmärkte so unsicher sind und so unsicher und gefährdet bleiben, inwieweit kann ich eigentlich meine eigenen unternehmerischen Aktivitäten und Investitionen dann noch ausreichend finanzieren.

    Durak: Die Frage, ob es einen lang anhaltenden Abschwung gibt, die kann man heute schlecht beantworten. Das wäre ein bisschen Spökenkiekerei. Aber es gibt ja einige Vorschläge in Richtung Konjunkturprogramme, ganz konkret: Steuererleichterungen. Die CSU in Bayern, mit Blick auf die eigene Landtagswahl natürlich, forciert das. Wie sieht es aber bei Ihnen in der Industrie aus? Wären Steuererleichterungen hilfreich, um die Kauflust wieder anzustacheln, das Angstsparen etwas einzudämmen und auch dieses Geschäftsklima zu verbessern?

    Thumann: Von einem Konjunkturprogramm als solches halte ich überhaupt nichts. Wir wissen aus der Erfahrung, dass sie davon ausgehen können, dass sie für jeden Euro, den sie sozusagen als Konjunkturprogramm staatlicherseits in den Kreislauf bringen, davon ausgehen müssen, dass höchstens ein Viertel dieses Euros wirklich hilft, die Konjunktur zu beschleunigen und zu befördern, drei Viertel nicht.

    Zum Thema Steuererleichterungen kann ich nur sagen: der große Gewinner der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten zwei bis drei Jahre ist natürlich der Staat. Der Staat hat insgesamt 91 Milliarden zwischen 2004 und 2007 mehr an Steuern eingenommen. Wir Bürger haben netto 18 Milliarden mehr eingenommen. Also wir haben schon auch etwas mehr bekommen. Gewinner ist der Staat. Und das Mehr, das wir haben, ist uns natürlich in Form von erhöhten Energiekosten, Energiepreisen wieder aus dem Portemonnaie genommen in Form von höheren Abgaben und letztlich über die indirekten Steuern. Hier lässt uns die Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent deutlich spüren, wie die Dinge sich verteuert haben.

    Durak: Fehlt die Antwort noch: Steuererleichterungen ja oder nein?

    Thumann: Die Antwort nach Steuererleichterungen: hier sage ich insofern ein deutliches Ja, ...

    Durak: Für wen?

    Thumann: ..., damit wir die so genannte kalte Progression ausschalten. Wir dürfen ja eines nicht vergessen: 10 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen tragen weit über 50 Prozent der Einkommensteuerlast. In den letzten Tagen ging noch eine andere Statistik um. Die sagte, 25 Prozent der Einkommensteuerzahler zahlen 80 Prozent der Einkommensteuer. Also es geht darum, gerade, wie ich es nenne, unsere Mittelschicht zu entlasten. Das sind die Einkommensbezieher zwischen 30-, 35.000 Euro und 70.000 Euro im Jahr, denn die sind getroffen von der kalten Progression und die müssen wir entlasten und für die müssen wir besonders etwas tun, denn alle, die darunter liegen, zahlen ja kaum Einkommensteuer.

    Durak: Danke schön! - Jürgen Thumann, BDI-Präsident. Ich bedanke mich sehr für das Gespräch.

    Thumann: Bitte.