Archiv


Thunfisch in der Ökofalle

Umwelt. - Thunfische sammeln sich gerne unter treibenden Objekten, was wiederum japanische Fischer ausnutzen, um die Tiere mit besonderen Fischsammelgeräten einzufangen. Dabei werden aber mitunter ganze Schwärme eliminiert und die Tiere von ihren natürlichen Routen gelenkt.

Von Suzanne Krause |
    Thunfische versammeln sich gerne unter im Meer treibenden Objekten, seien es Holzplanken, Tauknäuel oder auch große Meeressäuger. Die Forscher konnten dieses Verhalten bislang nicht erklären, die Fischer hingegen schlachten es seit Beginn der 1990ziger Jahre massiv aus: sie setzen floßartige Objekte aus, die zur besseren Lokalisierung mit Bojen versehen werden, so genannte Fischsammelgeräte. Die Fischschwärme, die sich darunter ansiedeln, werden dann mit Ringwadennetzen komplett eingefangen. Auf solche Fangbeute setzen gezielt japanische Hersteller von getrocknetem Fisch. Denn sie wissen aus Erfahrung: diese Fische sind magerer und somit leichter zu verarbeiten als ihre frei treibenden Artgenossen. Die Wissenschaftler vom französischen Forschungsinstitut für Umweltentwicklung, dem IRD, nun interessierten sich für weitere Auswirkungen dieser Fangeinrichtung auf die dort angesiedelten Bestände. Bei der zweijährigen Untersuchung gingen sie an Bord großer Fangschiffe auf hohe See, maßen den Brustkorbumfang der Fangbeute, die Wachstumsrate der Fische und untersuchten deren Mageninhalt. Sowohl von Thunfischen, die unter treibenden Objekten gefangen wurden als auch von frei treibenden Artgenossen, erläutert Studienleiter Daniel Gaertner von der IRD-Einrichtung für Mittelmeer- und Tropenfischerei im südfranzösischen Sête.

    "Die tropischen Thunfische, die unter Fischsammelgeräten gefangen wurden, sind wirklich magerer als ihre frei treibenden Artgenossen. Im Allgemeinen ist auch ihr Magen leerer. Sie scheinen sich nicht ausreichend zu ernähren. Unsere Ergebnisse zeigen gleichfalls, dass die Fische, die unter treibenden Objekten leben, wohl weniger schnell wachsen. Darüber hinaus haben wir Fische markiert, um ihr Wanderverhalten zu untersuchen: Bestände unter Fischsammelgeräten verfolgen eine andere Route als ihre frei treibenden Artgenossen, die viel weitere Wege zurücklegen. Da wirken die Fischsammelgeräte gewissermaßen wie Fallen, die die Tiere weit ab führen von ihren normalen Routen."

    Laut den Forschern wirken diese Sammelgeräte wie Magneten auf die Fische: sie folgen deren Kurs, selbst wenn er sie in Gegenden führt, die Thunfischen keine guten Lebensbedingungen bieten.

    "Vor den 1990er Jahren fanden wir in einem frei treibenden Fischschwarm häufig mehrere Sorten junger Thunfische. Seit der massiven Einführung der Fischsammelgeräte jedoch werden frei treibende Fischschwärme, in denen mehrere Thunfischsorten leben, immer seltener. Die Jungtiere scheinen sich heute mehr und mehr unter treibenden Objekten anzusammeln."

    Laut der Welternährungsbehörde wurden 2006 weltweit insgesamt 4,6 Millionen Tonnen Thunfisch gefangen. Bei knapp der Hälfte handelt es sich um die Sorte Listao, auch Skipjack genannt. Und 70 Prozent der Skipjack-Beute wird dank Fischsammelgeräten erzielt. Schon Mitte der 1990ziger Jahre haben internationale Fischereiorganisationen beschlossen, jährlich mehrere Monate lang den Thunfischfang unter Fischsammelgeräten zu verbieten. Dadurch wollen sie eine Überfischung vermeiden. Zwar mag IRD-Wissenschaftler Daniel Gaertner diese Fischsammelgeräte nicht ausdrücklich als ökologische Fallen bezeichnen. Dazu wisse man bislang zu wenig über die natürliche Todesrate bei Thunfischen ganz allgemein. Aber für ihn liegt der Verdacht nahe, dass das schlechtere allgemeine Wohlbefinden der Thunfische unter Fischsammelgeräten sich auswirke auf ihre Lebenserwartung und auf ihre Fortpflanzung.

    "Zwar bedeuten die Fischsammelgeräte in einigen Zonen wohl die einzige Möglichkeit, beispielsweise den Listao-Thunfisch zu fangen. Aber in Küstennähe sollte man vom Einsatz der Fischsammelgeräte absehen. Denn dort siedeln vor allem die Jungfische. Und da können solche Fangmethoden für die Fischbestände zur ökologischen Falle werden."