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ThyssenKrupp
Angeschlagener Stahlkonzern verschiebt Vorlage der Jahresbilanz

Der Essener Stahlkonzern ThyssenKrupp hat überraschend angekündigt, seine Jahresbilanz erst Anfang Dezember zu verkündigen. Ein ungewöhnlicher Vorgang für einen Dax-Konzern, der sich bei den Essenern indes schon zum dritten Mal vollzieht. Die Gründe liegen unter anderem im geplanten Verkauf zweier Stahlwerke.

Andreas Kolbe im Gespräch mit Günter Hetzke | 20.11.2013
    Günter Hetzke: Beginnen aber wollen wir mit den Neuigkeiten rund um den Industriekonzern ThyssenKrupp, der eigentlich morgen seine Jahresbilanz vorlegen wollte und diesen Termin nun auf den 2. Dezember verschoben hat. Zu mir ins Studio gekommen ist mein Kollege Andreas Kolbe. Herr Kolbe, dass DAX-Konzerne die Vorlage des Jahresabschlusses verschieben, kommt nun wahrlich nicht alle Tage vor. Bei ThyssenKrupp allerdings erfolgte dieser Schritt nicht das erste Mal. Warum nun in diesem Jahr auch wieder?
    Andreas Kolbe: Das ist ehrlich gesagt sogar schon das dritte Mal in Folge, dass ThyssenKrupp seine Jahresbilanz nicht wie geplant vorlegen kann. Diesmal wird der Termin drei Wochen nach hinten verschoben. Das sind drei Wochen Zeit, in der Konzernchef Heinrich Hiesinger zumindest einen kleinen Durchbruch schaffen will in der Dauerkrise des Konzerns:
    Da geht es konkret um zwei neu gebaute Stahlwerke in Brasilien und den USA. Mit denen hatte sich ThyssenKrupp in der Ära vor Hiesinger mächtig verhoben. Die sind viel teurer geworden als geplant, haben Milliardenverluste verursacht und die hängen jetzt wie Mühlsteine an der Bilanz des Konzerns.
    Deswegen will Hiesinger die beiden Werke verkaufen. Eigentlich sollte das schon durch sein bis zum Ende des Geschäftsjahres. Das war Ende September. Das hat nicht geklappt. Die Gespräche ziehen sich immer noch hin. Jetzt zumindest scheint der Konzern kurz davor zu stehen, eines der beiden Werke zu verkaufen, nämlich das in den USA. Da gebe es exklusive Verhandlungen mit einem Interessenten, wurde mitgeteilt.
    Ob es tatsächlich zu einer Transaktion kommt, sei noch offen, sagt der Konzern. Aber mit der Verschiebung der Jahresbilanz will man sich offenbar Zeit erkaufen, den Deal unter Dach und Fach zu bringen und das auch noch in das Zahlenwerk für das abgelaufene Geschäftsjahr einfließen zu lassen.
    Günter Hetzke: Und ist etwas über den möglichen Käufer bekannt? Über wen wird spekuliert?
    Andreas Kolbe: ThyssenKrupp selbst nennt keinen Namen. In Medienberichten wird aber übereinstimmend ein Konzern genannt: nämlich ArcelorMittal, der weltgrößte Stahlkonzern, womöglich mit weiteren Partnern.
    Die hatten auch offiziell Interesse angemeldet an diesem Werk im US-Bundesstaat Alabama. Das ist vor allem eine Weiterverarbeitungsanlage. Da wird Rohstahl für die amerikanischen Autobauer zu Blechen verarbeitet.
    Die große Frage bleibt, was wird aus dem anderen Werk, dem in Brasilien. Denn das war eigentlich der größere Verlustbringer. Hier sind die Verhandlungen mit möglichen Interessenten wohl noch zäher.
    Heute wird eine Äußerung von ThyssenKrupp sogar dahin gehend interpretiert, dass die Essener das Werk womöglich doch behalten. Denn Brasilien soll für dieses Werk in den USA Rohstahl liefern. Was da Stand der Dinge ist, werden wir wohl dann erst am 2. Dezember erfahren.
    Günter Hetzke: Die Entwicklung um das US-Stahlwerk ist allerdings nur die eine Nachricht rund um ThyssenKrupp. Neuigkeiten gibt es auch im Zusammenhang mit dem Schienenkartell. Noch einmal zur Erinnerung: Was hatte es damit auf sich?
    Andreas Kolbe: Das ist auch so eine Altlast aus den Zeiten vor dem Amtsantritt von Heinrich Hiesinger. Kurz gesagt: Über Jahre hinweg haben Schienenhersteller in Deutschland ihre Preise untereinander abgesprochen, ganz vorn mit dabei: Thyssen Krupp. Das ging natürlich zulasten der Kunden, die überhöhte Preise gezahlt haben.
    Das Bundeskartellamt hat ThyssenKrupp dafür schon ein Bußgeld in dreistelliger Millionenhöhe aufgebrummt. Jetzt geht noch darum den größten Kunden, nämlich der Deutschen Bahn – und damit dem deutschen Steuerzahler – den entstandenen Schaden zu ersetzen.
    Man habe sich mit der Bahn außergerichtlich geeinigt, hat ThyssenKrupp heute Morgen mitgeteilt. Zahlen wurden nicht genannt. Nur so viel: Die Summe, die man im Frühjahr dafür zurückgelegt hat, nämlich etwa 200 Millionen Euro, die wird reichen. Die Süddeutsche Zeitung will erfahren haben, dass es mehr als 150 Millionen Euro sind. Also irgendwo zwischen diesen beiden Beträgen wird sich das abspielen …
    Günter Hetzke: Andreas Kolbe zur Verschiebung der Jahresbilanz von ThyssenKrupp.