Ursula Mense: Nach Korruptionsvorwürfen, Kartellrechtsverletzungen und zuletzt Meldungen über eine mögliche Kapitalerhöhung mutet die jüngste Idee nun an, wie der ultimativ letzte Versuch, die ungebremste Talfahrt der Aktie zu stoppen: ThyssenKrupp will seinen Mitarbeitern - zeitlich begrenzt - die Möglichkeit eines Amnestieprogramms bieten.
Das heißt, wenn sie auspacken, werden keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
- Mein Kollege Andreas Kolbe aus unserer Wirtschaftsredaktion ist jetzt im Studio: Herr Kolbe, ist das nun großzügig oder eher eine unmoralische Verzweiflungstat?
Andreas Kolbe: Das fällt schon eher in die Kategorie Verzweiflungstat. Denn ThyssenKrupp steckt, wie sie schon gesagt haben, ziemlich tief drin im Schlamassel. Insbesondere, was unsaubere Geschäftspraktiken angeht. Preisabsprachen bei Aufzügen und Rolltreppen hat es gegeben, Preisabsprachen bei Eisenbahnschienen – dafür hat der Konzern schon gehörige Bußgelder berappen müssen.
Und nun stehen seit Kurzem erneut Kartellvorwürfe im Raum. Da geht es um Stahllieferungen an die Autoindustrie. Schon wieder wie aus heiterem Himmel Hausdurchsuchungen, diesmal bei der Stahltochter in Duisburg von Ermittlern des Bundeskartellamts.
Also, ThyssenKrupp ist ein gebranntes Kind, was Kartellverstöße angeht. Und da hat es intern auch schon eine Reihe von Untersuchungen gegeben, um solche Fälle aufzudecken. Das Problem ist nur, dass die Mitarbeiter schweigen. Die haben Angst um ihren Job, um ihre Existenz. Viele sind schon mehrfach befragt worden. Aber rausgekommen ist dabei bisher nicht viel.
Das regt den vor zwei Jahren von Siemens gekommenen Konzernchef Heinrich Hiesinger mächtig auf. Denn aus seiner Sicht sind es hier Einzelpersonen, die krumme Geschäfte machen und damit den gesamten Konzern gefährden mit seinen immerhin 150.000 Mitarbeitern.
Da will Hiesinger nun einen Schlussstrich ziehen. Es gibt zeitlich begrenzt das Angebot einer Amnestie. Sozusagen eine einmalige Chance für Täter oder Mitwisser, sich zu offenbaren ohne große Konsequenzen. Also schon eine Art Verzweiflungstat, weil man sonst nicht an die Informationen über Kartellfälle herankommt.
Ursula Mense: Wie passt das zusammen? Auf der einen Seite propagiert ThyssenKrupp eine Null-Toleranz-Politik, auf der anderen Seite Straffreiheit für schwarze Schafe?
Andreas Kolbe: Ja, das klingt in der Tat abenteuerlich, vor allem nach dem Konzernchef Heinrich Hiesinger in der Vergangenheit keinen Zweifel daran gelassen hat, dass schwarze Schafe in seinem Unternehmen nichts zu suchen haben. Eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern musste schon gehen.
Hiesinger will den Kulturwandel hin zu einem sauberen Unternehmen, wie er es auch zu Jahresbeginn auf der Hauptversammlung unterstrichen hat:
"Es ist ganz klar, Kartellabsprachen und Korruption sind für uns keine Mittel, um Aufträge zu holen. Wir sagen allen unseren Führungskräften und Mitarbeitern: Lieber verzichten wir auf ein Geschäft, als gegen Gesetze zu verstoßen, um es zu bekommen. Und wir als Vorstand erwarten von allen Führungskräften, dass sie das in ihrem Verantwortungsbereich auch so umsetzen."
Das Problem ist nur: Die meisten Fälle liegen in der Vergangenheit. Wenn ThyssenKrupp da um hohe Bußgelder herum kommen will, muss der Konzern Kartellverstöße selbst aufklären und anzeigen.
Aber dazu braucht es eben Informationen. Und die soll das Amnestieprogramm nun liefern.
Aber ich gebe Ihnen Recht: Es hat einen fahlen Beigeschmack, weil es ja auch ein Zeichen aussenden kann an all die Mitarbeiter, die sich immer an Recht und Gesetz gehalten haben. Die empfinden das vermutlich als ungerecht, wenn Kartellverstöße so ungestraft bleiben.
Ursula Mense: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Amnestie etwas bringt?
Andreas Kolbe: Das ist schwierig zu sagen, denn man weiß ja nicht, was da noch alles im Verborgenen liegt bei ThyssenKrupp. Das ist ja die Krux: Wenn es keine nennenswerten Hinweise gibt, kann es daran liegen, dass es keine weiteren Fälle mehr gibt. Oder aber das Amnestieangebot war für die Mitwisser nicht ausreichend attraktiv. Also das wird man abwarten müssen.
Aber Menschen, die sich professionell mit Compliance beschäftigen – also mit Fragen guter Unternehmensführung – die sind schon recht zuversichtlich, dass so ein Programm etwas bringen kann.
Bei MAN hat es etwas Vergleichbares schon einmal gegeben im Zuge des Korruptionsskandals dort. Mitarbeiter hatten jahrelang Kunden geschmiert, um an Aufträge zu kommen.
Auch da gab es zeitlich befristet ein Amnestieangebot – also keine Schadenersatzforderungen an die betroffenen Mitarbeiter, keine Kündigungen. Und das Programm ist seinerzeit dort wohl recht erfolgreich angenommen worden, heißt es.
Das heißt, wenn sie auspacken, werden keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
- Mein Kollege Andreas Kolbe aus unserer Wirtschaftsredaktion ist jetzt im Studio: Herr Kolbe, ist das nun großzügig oder eher eine unmoralische Verzweiflungstat?
Andreas Kolbe: Das fällt schon eher in die Kategorie Verzweiflungstat. Denn ThyssenKrupp steckt, wie sie schon gesagt haben, ziemlich tief drin im Schlamassel. Insbesondere, was unsaubere Geschäftspraktiken angeht. Preisabsprachen bei Aufzügen und Rolltreppen hat es gegeben, Preisabsprachen bei Eisenbahnschienen – dafür hat der Konzern schon gehörige Bußgelder berappen müssen.
Und nun stehen seit Kurzem erneut Kartellvorwürfe im Raum. Da geht es um Stahllieferungen an die Autoindustrie. Schon wieder wie aus heiterem Himmel Hausdurchsuchungen, diesmal bei der Stahltochter in Duisburg von Ermittlern des Bundeskartellamts.
Also, ThyssenKrupp ist ein gebranntes Kind, was Kartellverstöße angeht. Und da hat es intern auch schon eine Reihe von Untersuchungen gegeben, um solche Fälle aufzudecken. Das Problem ist nur, dass die Mitarbeiter schweigen. Die haben Angst um ihren Job, um ihre Existenz. Viele sind schon mehrfach befragt worden. Aber rausgekommen ist dabei bisher nicht viel.
Das regt den vor zwei Jahren von Siemens gekommenen Konzernchef Heinrich Hiesinger mächtig auf. Denn aus seiner Sicht sind es hier Einzelpersonen, die krumme Geschäfte machen und damit den gesamten Konzern gefährden mit seinen immerhin 150.000 Mitarbeitern.
Da will Hiesinger nun einen Schlussstrich ziehen. Es gibt zeitlich begrenzt das Angebot einer Amnestie. Sozusagen eine einmalige Chance für Täter oder Mitwisser, sich zu offenbaren ohne große Konsequenzen. Also schon eine Art Verzweiflungstat, weil man sonst nicht an die Informationen über Kartellfälle herankommt.
Ursula Mense: Wie passt das zusammen? Auf der einen Seite propagiert ThyssenKrupp eine Null-Toleranz-Politik, auf der anderen Seite Straffreiheit für schwarze Schafe?
Andreas Kolbe: Ja, das klingt in der Tat abenteuerlich, vor allem nach dem Konzernchef Heinrich Hiesinger in der Vergangenheit keinen Zweifel daran gelassen hat, dass schwarze Schafe in seinem Unternehmen nichts zu suchen haben. Eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern musste schon gehen.
Hiesinger will den Kulturwandel hin zu einem sauberen Unternehmen, wie er es auch zu Jahresbeginn auf der Hauptversammlung unterstrichen hat:
"Es ist ganz klar, Kartellabsprachen und Korruption sind für uns keine Mittel, um Aufträge zu holen. Wir sagen allen unseren Führungskräften und Mitarbeitern: Lieber verzichten wir auf ein Geschäft, als gegen Gesetze zu verstoßen, um es zu bekommen. Und wir als Vorstand erwarten von allen Führungskräften, dass sie das in ihrem Verantwortungsbereich auch so umsetzen."
Das Problem ist nur: Die meisten Fälle liegen in der Vergangenheit. Wenn ThyssenKrupp da um hohe Bußgelder herum kommen will, muss der Konzern Kartellverstöße selbst aufklären und anzeigen.
Aber dazu braucht es eben Informationen. Und die soll das Amnestieprogramm nun liefern.
Aber ich gebe Ihnen Recht: Es hat einen fahlen Beigeschmack, weil es ja auch ein Zeichen aussenden kann an all die Mitarbeiter, die sich immer an Recht und Gesetz gehalten haben. Die empfinden das vermutlich als ungerecht, wenn Kartellverstöße so ungestraft bleiben.
Ursula Mense: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Amnestie etwas bringt?
Andreas Kolbe: Das ist schwierig zu sagen, denn man weiß ja nicht, was da noch alles im Verborgenen liegt bei ThyssenKrupp. Das ist ja die Krux: Wenn es keine nennenswerten Hinweise gibt, kann es daran liegen, dass es keine weiteren Fälle mehr gibt. Oder aber das Amnestieangebot war für die Mitwisser nicht ausreichend attraktiv. Also das wird man abwarten müssen.
Aber Menschen, die sich professionell mit Compliance beschäftigen – also mit Fragen guter Unternehmensführung – die sind schon recht zuversichtlich, dass so ein Programm etwas bringen kann.
Bei MAN hat es etwas Vergleichbares schon einmal gegeben im Zuge des Korruptionsskandals dort. Mitarbeiter hatten jahrelang Kunden geschmiert, um an Aufträge zu kommen.
Auch da gab es zeitlich befristet ein Amnestieangebot – also keine Schadenersatzforderungen an die betroffenen Mitarbeiter, keine Kündigungen. Und das Programm ist seinerzeit dort wohl recht erfolgreich angenommen worden, heißt es.