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Ticket im Handy

Technik. – In manchen Nahverkehrsbereichen ist die Ticketbuchung per Handy bereits möglich, jetzt zieht die Deutsche Bahn nach. In einem Pilotversuch können Reisende aus Berlin ihre Fahrkarten mit dem Mobiltelefon buchen.

Von Philip Banse |
    Berlin Hauptbahnhof. Bahnmitarbeiterin Barbara Born steht vor einem Metall-Pfosten, daran in hüfthohe ein DIN-A-4 großes blaues Schild mit rotem Punkt. Sie braucht ein Bahn-Ticket und hält ihr spezielles Funk-Handy vor den roten Punkt. Über Funk schreibt der so genannte Touchpoint eine simple Information aufs Handy: Der Bahnkunde hat sich am 29.2. um 10.22 in Berlin Hauptbahnhof angemeldet.

    "Gleich fragt er mich noch, ob ich in der ersten oder zweiten Klasse fahren möchte."

    Über das Mobilfunknetz werden diese Daten jetzt an einen Rechner der Deutschen Bahn übermittelt. Der Bahn-Server registriert, dass Barbara Born eine Bahnfahrt beginnt und schickt eine digitalen Fahrschein zurück auf ihre Sim-Karte.

    "Touch-in erfolgt, Berlin Hauptbahnhof am 29.2. in der 2. Klasse. Gute Fahrt."

    Während des heute gestarteten Pilotversuchs können die 200 Teilnehmer nur in Berlin, Potsdam und von Berlin nach Hannover fahren. 2010 jedoch sollen alle Bahnkunden ihr Handy zum Bahnticket machen können. Ein Vodafone-Vertrag wird dazu nicht nötig sein, sagt die Bahn. Andere Netzbetreiber wie t-mobile zeigten auf der Cebit erste Anwendungen. Voraussetzung für das Bahnticket auf dem Handy ist jedoch ein heute kaum erhältliches Mobiltelefon mit Nah-Funk-Chip. Vodafone rechnet damit, dass solche Geräte bald zahlreich und günstig zu haben sein werden. Dann werde der Verzicht aufs Auto noch leichter, sagt Bahnchef Hartmut Mehrdorn. Denn für verschiedene Verkehrsmittel reiche in Zukunft ein Handy-Ticket, Umsteigen inklusive:

    "Von Fernverkehr auf Regionalverkehr auf Nahverkehr auf Bus, Bahn, U-Bahn, S-Bahn – egal wo er hin will, Touch and Travel macht das automatisch sehr leicht möglich."

    Denn abgerechnet wird am Ende der Fahrt. Dann muss Barbara Born ihr Mobiltelefon wieder vor ein Schild mit rotem Punkt halten. Jetzt erfährt das System, von wo nach wo sie gefahren ist und bucht den Fahrpreis ab.

    "Da haben wir es: Touch-Out erfolgt in Berlin Bellevue am 29.2. in der 2. Klasse zum Preis von 1 Euro 20. Auf Wiedersehen."

    Wie aber ermittelt das System das Verkehrsmittel und damit den genauen Preis? Im Pilotversuch gilt immer der Normalpreis, Sparpreise sind nicht möglich, wohl aber ein Bonus durch die Bahncard. Ob ein ICE oder Regionalzug genutzt wird, erfährt das System in aller Regel, wenn der Fahrgast im Zug kontrolliert wird. Dann schreibt das Gerät des Schaffners die Zugnummer aufs Handy. Und beim Abmelden am Zielbahnhof erfährt dann der Zentralrechner den genauen Zug und kann den Preis berechnen. Was aber, wenn der Bahnkunde nicht kontrolliert wird?

    "Man kann sehr genau anschauen, wie schnell das Handy sich im Netz bewegt und dementsprechend wissen wir, ob sie mit einem sehr schnellen ICE gefahren sind, oder mit einem langsamen Zug","

    sagt Friedrich Joussen, Chef von Vodafone Deutschland. Der Mobilfunkanbieter meldet also an die Bahn, bei welchen Mobilfunkmasten sich das Handy des Reisenden unterwegs anmeldet. Diese sehr genaue Überwachung des Reisewegs sei zudem nötig, wenn Reisende vom Fern- in den Nahverkehr umsteigen. Denn in U- und S-Bahnen wird kaum kontrolliert. Solche Bewegungsprofile entstehen jedoch nicht durch Touch and Travel, sagt Vodafone-Chef Joussen:

    ""Sie können in der Telekommunikation heute schon Bewegungsmuster aufzeichnen, die so präzise sind, wie die wenigsten sich das vorstellen können. Nur: Die Nutzung ist sehr, sehr beschränkt, die gesetzlichen Voraussetzungen sind extrem feinmaschig im Telekommunikationsgesetz festgeschrieben und natürlich ist es so, dass wir uns penibel daran halten. Wir sind super, super, super vorsichtig, machen eher weniger, als das, was erlaubt ist."

    Zuständig für die Bahn und in das Touch-and-Travel-Projekt mit eingebunden ist der Berliner Datenschutzbeauftragte. Er hält die Auswertung der Handy-Zellen für vertretbar, die wichtigste Frage sei jetzt: Was passiert, wenn ein Reisender vergisst, sich am Zielbahnhof abzumelden?

    "In den Unterlagen steht ganz eindeutig drin, dass für den Fall, dass jemand seinen Check-Out vergisst und dieses auch innerhalb von 24 Stunden nicht macht, ein automatisches Check-Out erfolgt, bei dem nicht mehr geklärt werden kann, welchen Preis er zu bezahlen hat."

    Die Bahn bestätigt dieses ungeklärte Problem. Vergisst jemand sich abzumelden, so der Datenschutzbeauftragte, melde das System weiterhin die Bewegungen des Reisenden per Handyortung an die Bahn – auch wenn der Bahnkunde längst mit dem Taxi oder zu Fuß unterwegs ist.