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Tiefe Traurigkeit über die Schwere des Lebens

Die Sängerin Elena Tonra erzählt in ihren Stücken ihre eigene erlebte Geschichte. Mit ihrer Band "Daughter" setzt sie diese im Debütalbum "If You Leave" in schüchterne Indie-Folkmusik um.

Von Dennis Kastrup |
    "Ich habe die Texte nie als Songs gesehen, weil ich kein sehr musikalisches Kind gewesen bin. Ich habe einfach in ein Buch geschrieben und nicht wirklich viel damit unternommen. Im Grunde genommen habe ich Texte geschrieben, ohne irgendein musikalisches Talent zu besitzen."

    Sängerin Elena Tonra lacht viel, sehr viel. Es ist aber kein herzhaftes Lachen, eher ein verlegenes. Das passt zu ihrer Persönlichkeit. Denn so verschleiert die Londonerin ihre Unsicherheit und Schüchternheit. Über ihre Musik zu sprechen bereitet ihr Unbehagen. Sie versucht zu erklären, wie das Debütalbum "If You Leave" entstanden ist. Eine schwere Aufgabe, denn für die Stücke musste sie erst leiden, bevor sie sich schließlich mit ihnen entblößen konnte.

    "Ich bin keine Maschine, was das Schreiben angeht. Es passiert sehr unregelmäßig. Musikmachen ist aber auf jeden Fall ein Rauslassen von schlechter Energie."

    Man spürt die tiefe Traurigkeit in ihrer Stimme und den Texten, wenn sie über die Schwere des Lebens und die destruktive Kraft einer verloren gegangenen Liebe singt. Mithilfe der Musik verwandelt sie dann ihre verzweifelte Seele in tonale Schönheit. Dieser Prozess beinhaltet auch Selbsterkenntnis, wie in dem Stück "Smother", in dem sie singt: "In der Dunkelheit werde ich auf meine Schöpfer treffen und sie werden alle übereinstimmend sagen, dass ich anderen die Luft zum Atmen nehme."

    Die Stücke entfalten sich musikalisch. Eine Weite bricht aus. Zuständig dafür ist der Gitarrist Igor Haefeli, dessen Flächen manchmal an Sigur Ros oder The XX erinnern. Schlagzeuger Remi Aguilella sorgt für die behutsame rhythmische Untermalung. Beide Mitglieder achten darauf, Tonras Stimme nicht zu erdrücken. Denn die fast weiche Stimme lebt von der Fragilität, die besonders live zu entdecken ist.

    "Auf der Bühne denkst du über Verwundbarkeit nicht allzu viel nach. Du fühlst natürlich noch die Emotionen des ursprünglichen Songs, aber nicht zu viel. Es gibt aber andere Situationen, in denen dich das überkommt. Dann verliere ich mich manchmal in diesem Moment und es passiert so etwas Schlimmes wie Weinen. Alle schauen dich an."

    Es ist Tonra unangenehm, Schwäche zu zeigen. Aber genau das ist auch ihre Stärke. In dem Stück "Human" heißt es: "Tief in uns drin steckt Menschlichkeit. Ich bin eben auch nur ein Mensch". Es endet mit der aussichtslosen Textzeile "aber trotz alldem glaube ich, dass mich alles hier umbringt". Die Selbstzweifel und auch der Gesang erinnern dabei stark an Cat Power. Ein Vergleich, den Tonra einerseits als schmeichelnd empfindet, andererseits aber auch als problematisch.

    "Es ist schwierig, wenn du mit vielen weiblichen Frauen verglichen wirst, weil du dir nicht sicher sein kannst, ob das nur deshalb passiert, weil du eine Frau bist. Wir wurden auch mit Bands verglichen, die einen männlichen Frontmann hatten. Ich finde das tatsächlich sehr interessant, weil ich so das Gefühl habe, dass sie dabei mehr über die Musik als Ganzes nachdenken als über die Tatsache, dass ich eine Frau bin."

    "If You Leave" ist ein mitreißend tragisches und zugleich erhabenes Debütalbum geworden. Die Stücke schweben irgendwo zwischen Nebelschwaden nach einer langen dunklen Nacht. Tonra versucht den Rauch ihrer Vergangenheit wegzuwischen, um dadurch die aufgehende Sonne zu sehen. So sehr sie das auch versucht, es gelingt ihr nicht. Aber genau diese verhangene Stimmung macht die Magie der Stücke aus. Sie besingt einen Übergang, der auch in dem Song "Youth" thematisiert wird.

    "Die Botschaft dahinter ist wohl die, dass die Jugend etwas sehr Zerbrechliches ist und dass man in seiner Teenagerzeit aber glaubt, unbezwingbar zu sein. Irgendwann ist man jedoch nicht mehr unbezwingbar. Man zerstört sich in der Jugend also fast selber, weil man denkt, dass man sich das erlauben kann."