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Tiefer Blick in das Leben

Physik. - Multiphotonenmikroskopie – mit dieser Technik hat der Physiker Winfried Denk die Neurobiologie revolutioniert. Sie erlaubt es, biologische Strukturen sozusagen ''bei der Arbeit'' zu beobachten. Intensives Laserlicht regt nämlich Moleküle im Inneren diese Strukturen, zum Beispiel Nervenzellen, dazu an, selbst zu leuchten, zu fluoreszieren. Art und Stärke dieser Fluoreszenz geben den Biologen Aufschluss über den Zustand und die Tätigkeit der Zellen.

    Von Andrea Vogel

    Um Moleküle zum Leuchten zu bringen, müssen sie stark angeregt werden. Normalerweise passiert das mit sehr intensiven Lasern. Winfried Denk vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg hat einen anderen Trick: Er fokussiert seinen Laser sehr genau. Dessen Licht wird dadurch nur genau in diesem winzigen Fokuspunkt sehr intensiv. So intensiv, dass nicht, wie üblich, einzelne Lichtteilchen oder Photonen nacheinander auf die angepeilten Moleküle treffen, sondern oft mehrere gleichzeitig.

    Dieser Vorgang ist normalerweise selbst im hellen Sonnenlicht ein sehr unwahrscheinlicher Vorgang, er passiert sehr selten, einfach deswegen, weil sich bei normalen Lichtintensitäten in den seltensten Fällen 2 Photonen, 2 Lichtteilchen an der gleichen Stelle befinden.

    Unter dem Multiphotonenmikroskop hingegen passiert das regelmäßig und ziemlich häufig. Und wenige Nanosekunden nach einem solchen Ereignis sehen die Forscher die Antwort der Zelle: die Fluoreszenz. Natürlich kann man Fluoreszenz auch mit einem weniger fokussierten, dafür aber stärkeren Laser anregen. Das hat aber einen entscheidenden Nachteil, wenn Forscher dicke, dreidimensionale Gewebe – wie zum Beispiel das Gehirn untersuchen wollen:

    Wir interessieren uns für eine ganz bestimmte Schicht in diesem dreidimensionalen Objekt. Und jetzt geht es darum, nur Signal in dieser Schicht zu erzeugen. Und Objekte, die außerhalb dieser Schicht sind, würden aber von dem Licht im Normalfall auch getroffen und würden dadurch auch ein Signal erzeugen, was sich sozusagen dann dem eigentlich interessierenden Signal überlagern würde als verschwommener, schemenhafter Hintergrund, und dadurch ist es sehr schwierig, das eigentlich interessante Signal, das von der sog. Fokalebene stammt, von diesem Hintergrundsignal zu unterscheiden.

    Aufnahmen mit einem starken, unfokussierten Laser sind etwa so, als versuche man, ein Dia aus einem großen Stapel anschauen, ohne es herauszuziehen. Vielleicht kann man erkennen, was drauf ist – aber die Bilder davor und dahinter stören den Anblick doch empfindlich. Darum mussten biologische Gewebe früher in hauchdünne Scheiben geschnitten werden. Denk:

    Das bringt natürlich das Problem mit sich, dass die Zellen, die ja in ständigem Kontakt mit ihren Nachbarzellen sind, auf vielfältige Weise, dadurch in ihrem Verhalten ganz entscheidend verändert werden.

    Für die Multiphotonenmikroskopie muss das Gewebe nicht zerschnitten werden. Denn durch die Fokussierung ist das Licht nur an genau einem Punkt stark genug, um ein Signal auszulösen. Die Schichten davor und dahinter werden förmlich unsichtbar – ohne dass sie wirklich verschwinden. Dank dieser Technik können Hirnforscher jetzt Nervenzellen direkt im Gehirn untersuchen – und sehen, wie sie intensiv und über dicke Schichten zusammenhängen und zusammen arbeiten. Zum Beispiel, um Erinnerungen zu speichern:

    Das Interessante ist, dass wir spezielle Fluoreszenzfarbstoffe haben, die wir z.B. durch eine Elektrode in die Zelle einbringen können. Diese Farbstoffe haben die Eigenschaft, dass sie ihre Fluoreszenzeigenschaften ändern, wenn sich Ionen, und speziell von großem Interesse sind Kalziumionen in der Zelle, wenn die ihre Konzentration ändern. Dann ändert sich die Fluoreszenzintensität und in manchen Fällen auch das Spektrum, und damit können wir sozusagen die chemischen Signale in der Zelle beobachten.

    Solche Änderungen der Kalziumkonzentration bringen die Nervenzellen dazu, sich anders zu verbinden. Und diese Änderungen, da sind sich Wissenschaftler heute ziemlich sicher, sind die Grundlage des Lernens und der Erinnerung.