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Tiefer Fall nach dem rasanten Aufstieg

Der schwarze Schwergewichtsboxer Joe Louis machte mit seiner Popularität den Weg frei für andere Schwarze, sich über den Sport einen Platz in der US-Gesellschaft zu erkämpfen. Seine beiden Ringduelle mit Max Schmeling sind Legende. Vor 25 Jahren, am 12. April 1981, starb Joe Louis mit 66 Jahren an der Parkinsonschen Krankheit.

Von Thomas Jaedicke | 12.04.2006
    Als Muhammad Ali im August 1970 durch die Drehtür des Caesar´s Palace Hotel in Las Vegas die Lobby betritt, glaubt er, seinen Augen nicht trauen zu können. Der Mann, der ihm als "official greeter" in der bunten Fantasieuniform eines Zirkusdirektors entgegenkommt, um ihm wie jedem anderen Gast zur Begrüßung die Hände zu schütteln, ist Joe Louis. Elf Jahre und acht Monate war der Mann Schwergewichtsweltmeister. 25 Mal hat er seinen Titel verteidigt. Rekorde für die Ewigkeit. Und jetzt kommt dieser Joe Louis auf ihn zu: weiße Glaceehandschuhe, goldfarbene Troddeln am himmelblauen Frack, 63 Siege in 66 Kämpfen. Der von seinen Gegnern im Ring gefürchtete "Brown Bomber"; 20 Jahre nach seinem Rücktritt nur noch ein Grüßaugust? Steuerschulden in Millionenhöhe haben Joe Louis Anfang der 70er Jahre dahin zurückgetrieben, wo er herkam.

    Aus kleinsten Verhältnissen in Lexington, Alabama, stammend, war Joe Louis der Armut durch Boxen entkommen. Fast 30 Jahre nach Jack Johnson wurde er im Juni 1937 nach seinem K.o. - Triumph über James J. Braddock zum zweiten schwarzen Schwergewichtsweltmeister. Von nun an dominierten - von Rocky Marciano und Ingemar Johansson abgesehen - schwarze Boxer das Schwergewicht. Aber anders als sein Vorgänger Johnson, dessen Vorliebe für weiße Frauen und üppiger Lebensstil nicht gut ankamen, wurden Louis' Leistungen selbst von weißen Amerikanern respektiert.

    Ein Jahr zuvor, 1936, hatte Max Schmeling, bislang noch immer einziger deutscher Schwergewichtschampion, den haushohen Favoriten besiegt. In der zwölften Runde knockte der 30-Jährige den acht Jahre jüngeren Joe Louis im New Yorker Yankee Stadium aus. Nazideutschland schlachtete Schmelings sensationellen Triumph sofort als weiteren Beleg für die "Überlegenheit der arischen Rasse" aus.

    Max Schmeling: "Ich gebe zu, nich wahr, an diesem Tag, 38, da war Joe Louis in toller Form, nich wahr. An dem Tag hätte ihn niemand geschlagen. Ich bin ganz ehrlich. Ich hätte an diesem Tag wohl keine Chance gehabt."

    Zwei Jahre später treffen beide in New York wieder aufeinander. Joe Louis, inzwischen Weltmeister, sagt vor dem Kampf: Champion werde er sich erst nennen können, wenn er Schmeling besiegt habe. 121 Sekunden später ist alles vorbei. Nach drei fürchterlichen Linken ist Schmeling satt. Joe Louis' symbolischer Sieg über den Abgesandten des kriegstreiberischen Deutschen Reichs, seine sportliche Leistung und seine Bescheidenheit bringen ihm allgemeine gesellschaftliche Annerkennung.

    1942 ist Louis ein mit Auszeichnungen dekorierter Soldat im Zweiten Weltkrieg. Als der 28-Jährige auch noch zwei Kampfbörsen einem Unterstützungsfonds der US-Armee spendet, lässt ihn diese patriotische Geste endgültig zum ersten farbigen "all-american hero" der USA werden.

    Joe Louis: "Man sagt, money talks, aber das Einzige, was es jemals zu mir gesagt hat, ist: Auf Wiedersehen."

    Joe Louis ahnt, dass seine Zeit im Ring zu Ende geht. Die kriegsbedingte Unterbrechung war Gift für seine Karriere. Durch schmeichelhafte Punktrichterurteile kann er mit Mühe und Not noch zwei Duelle gegen Jersey Joe Walcott für sich entscheiden. 1949 tritt er zurück. Doch der exklusive Lebensstil seiner ersten Frau und die oft noch exklusiveren Wünsche der zahllosen Freunde zwingen ihn wieder zurück in den Ring. 1951 sieht er nach schweren Niederlagen gegen Rocky Marciano und Ezzard Charles schließlich doch ein, dass es vorbei ist.

    Aber das Boxen holt Joe Louis außerhalb des Rings wieder ein. Die amerikanische Steuerbehörde steht auf der Matte, macht rückwirkend Nachforderungen auf Kampfbörsen in Millionenhöhe geltend. Louis' zweite Ehefrau Martha eine Juristin, handelt in jahrelanger Kleinarbeit immer neue Vergleiche aus und hält die Behörden hin. Ihr Mann aber hat für diese Kämpfe keine Kraft mehr. Von Wahnvorstellungen geplagt, wird der Ex-Champion von seiner Frau in die Psychiatrie eingewiesen.

    Später verkauft Joe Louis auf Firmengalas oder Festen vermögender Privatleute seinen Namen, der immer noch einen guten Klang hat. Doch mit den Jahren verblasst der Ruhm.

    Als Muhammad Ali im August 1970 im Ceasar´s Palace Hotel in Las Vegas durch die Drehtür kommt und Joe Louis in seiner merkwürdigen Aufmachung auf sich zukommen sieht, dreht er im letzten Moment ab und ist froh, in der Menge abtauchen zu können. Joe Louis, Sohn eines Gelegenheitsarbeiters aus dem amerikanischen Süden, dessen Großeltern noch als Sklaven arbeiteten, geht zurück zu seinem Platz bei der Tür. In Alis Augen ist er immer noch ein großer Champion.