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Tiefgehende Wirkung

Umwelt. – Vulkane setzen bei ihren Ausbrüchen große Mengen von klimawirksamen Gasen frei. So gelangt zum Beispiel schwefelhaltiger Schwebstaub in große Höhen und wirkt dort abkühlend, weil er das Sonnenlicht teilweise reflektiert. Doch Einfluss von Vulkanen reicht bis in Tiefe des Meeres, und stärkere Eruptionen machen sich noch nach Jahrzehnten im Klimasystem bemerkbar.

Von Volker Mrasek |
    Sie kommen unangekündigt, in unregelmäßigen Zeitabständen: starke Vulkanausbrüche, die ihren Staub und ihre Gase bis in die Stratosphäre katapultieren, in 15, 20 oder auch 30 Kilometer Höhe. Zuletzt folgten drei solcher Eruptionen relativ rasch aufeinander.

    "Angefangen mit dem Agung in Bali 1963. 1981 der El Chichon in Mexiko. Und der letzte war der Pinatubo auf den Philippinen 1991."

    Hans Friedrich Graf befasst sich schon lange mit Vulkanausbrüchen und ihren Folgen für das Klima der Erde. Der Meteorologe ist Professor für Umwelt-Systemanalyse an der Universität von Cambridge in England. Graf:

    "Und diese Vulkane - alle die, die mehr als drei Megatonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre bringen - führen zu Klima-Anomalien, die messbar sind."

    Diese Klimaänderungen infolge heftiger Eruptionen sind in ihrer Wirkung bisher unterschätzt worden. Das Schwefeldioxid aus dem Vulkanschlot wird in feine Sulphat-Tröpfchen umgewandelt; diese gondeln ein, zwei Jahre lang um die Erde, reflektieren das einfallende Sonnenlicht und kühlen so vorübergehend die Erdatmosphäre. Das wusste man. Doch viel länger macht sich der Temperatur-Rückgang im Ozean bemerkbar, wie Georgiy Stenchikov jetzt in Hamburg darlegte. Der russische Physiker forscht an der Staatsuniversität von New Jersey in den USA:

    "”Durch die Wirkung der Sulphat-Partikel dringt auch weniger Sonnenstrahlung bis zur Oberfläche der Ozeane durch. Sie kühlen also ab, genauso wie die Atmosphäre. Mit der Zeit sinkt das kältere und dichtere Oberflächenwasser bis in die Tiefsee ab. Und in unseren Studien können wir zeigen: Ein solches Temperatursignal, wie es von starken Vulkanausbrüchen ausgeht, kann im tiefen Ozean bis zu 100 Jahre lang nachwirken.""

    So dürfte es Stenchikovs Studien zufolge nach dem Ausbruch des Tambora 1815 gewesen sein. Die Eruption in Indonesien war damals so gewaltig und die Kühlwirkung der Vulkanpartikel so groß, dass es 1816 ein "Jahr ohne Sommer" gab, wie verschiedentlich geschrieben wurde. Natürlich hat niemand im 19. Jahrhundert Temperaturen in der Tiefsee gemessen. Der russische Forscher benutzte Klimarechenmodelle, um das historische Ereignis und seine Folgen zu simulieren:

    "Diese Temperaturänderungen im Meer kommen einem zunächst unbedeutend vor. Es geht da bloß um eine Abkühlung von einem Hundertstel Grad Celsius. Aber es betrifft einen riesigen Wasserkörper mit einer großen thermischen Kapazität. Insgesamt kommt es daher zu einem gravierenden Energieverlust im Ozean. Und das wirkt sich ziemlich stark auf den Meeresspiegel aus."

    Man kann hier von einer Kontraktion sprechen. Eben weil kälteres Wasser dichter ist, schrumpft der Ozean zusammen, der Meeresspiegel fällt. Stenchikov:

    "”Durch den Ausbruch des Pinatubo zum Beispiel sank der Meeresspiegel um fünf Millimeter.""

    Auch das klingt erst einmal nicht besonders eindrucksvoll. Allerdings muss man sich klar machen: Jahr für Jahr steigt der Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung im Moment auch nur um zwei, drei Millimeter. Der Vulkan-Effekt macht sich also durchaus bemerkbar, wie Hans Friedrich Graf noch einmal betont:

    "Das ist eine Größenordung, die liegt also bei einigen Prozent von dem, was durch die anthropogene Erwärmung wir erwarten, dass der Meeresspiegel ansteigt. Einfach durch die Ausdehnung des sich erwärmenden Wassers. Es ist also durchaus nicht vernachlässigbar, eine messbare Größe."

    Sollte man also auf regelmäßige Vulkanausbrüche im Kampf gegen den Klimawandel hoffen? Der Meteorologe ist da eher skeptisch:

    "Von tropischen Vulkanen wissen wir, dass sie zu stärkeren Stürmen zum Beispiel über dem Nordatlantik führen. Es gibt in gewisser Weise extreme Wettereignisse dadurch."

    Außerdem wären Vulkane höchst unzuverlässige Kumpane. Wann es zum nächsten größeren Ausbruch kommt, kann niemand sagen. Auch Graf nicht:

    "Der Pinatubo hatte zum Beispiel vor seinem Ausbruch 600 Jahre lang geschlafen. Man wusste gar nicht mehr, dass das noch ein aktiver Vulkan ist. Der wusste das selbst nicht mehr."