Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Tiefkühlpizza mit Mineralölanteil

Die Zeitung wird zum Nudelkarton, die alte PET-Wasserflasche zu einer neuen – es gibt viele Lebensmittelverpackungen aus Recyclingmaterial. Das ist gut für die Umwelt, aber sind Lebensmittel in Verpackungen aus Altpapier oder gebrauchtem Kunststoff auch gut aufgehoben? Ja und nein, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Von Verena Kemna | 19.10.2010
    Die Suche von Schadstoffen in Verpackungsmaterialien ist ein wenig vergleichbar mit der Suche nach Dopingsündern. Je ausgefeilter die Analysemethode, je mehr Rückstände werden entdeckt. In diesem Fall hat ein Labor in Zürich die Vorreiterrolle übernommen. Mit einem ausgefeilten Analyseverfahren wurde festgestellt, dass manche Kartonverpackungen für Lebensmittel hohe Mineralölanteile enthalten. Die Wissenschaftler wissen inzwischen, dass die Rückstände aus den Druckfarben der recycelten Zeitungspapiere stammen, die für Kartonverpackungen verwendet werden. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung.

    "In den Zeitungen selber sind bestimmte Kohlenwasserstoffverbindungen, die in das Lebensmittel diffundieren können. Das gibt es schon seit langen Zeiten, wahrscheinlich, seit man recyceltes Papier hat. Aber wir haben festgestellt, dass es relativ hohe Mengen sein können, die dann auf das Lebensmittel übergehen. Deshalb haben wir Sorge, dass diese Konzentrationen möglicherweise gesundheitsgefährdend sind."

    Dabei gibt es unterschiedliche Belastungen. So können etwa bei Reis oder Couscous in Kartonverpackungen die Mineralöle in größeren Mengen auf das Lebensmittel übergehen. Schützende Innenbeutel oder Kartonverpackungen aus frischem und eben nicht aus recyceltem Papier könnten eine Lösung sein. Auch die Tiefkühlpizza, die in einer durchsichtigen Folie in einem bunt bedruckten Karton lagert, birgt Risiken. Zwar schützen die Minusgrade das Tiefkühlprodukt, doch theoretisch ist es möglich, dass die Schadstoffe aus dem Karton in die Pizza wandern.

    "Da saugt sich das Polyethylen voll mit den Mineralölen aus der Verpackung und von diesem Polyethylen geht es dann wieder über in die Pizza."

    Die Daten aus dem Labor beurteilt das Bundesinstitut für Risikobewertung als gesundheitsgefährdend. Doch noch fehlen die Analysemethoden, um das Gefahrenpotenzial einzugrenzen. Noch weiß niemand genau, welche Lebensmittel besonders gefährdet sind.

    "Das Zweite ist, dann kann man messen, wie viel ist drin. Wenn man das weiß, kann man sich Gedanken machen, wie kann man das minimieren. Also auch toxikologisch bewerten und sagen, wie viel Gift ist wirklich im Lebensmittel. Technisch gesehen gibt es natürlich viele Möglichkeiten mit Sperrschichten, mit Beschichtungen etwas zu tun, nur, wir wissen eigentlich nicht, welche die Haupteintragsquellen sind."

    Die im Zeitungsdruck üblichen Druckfarben zu ersetzen, ist nur einer von vielen Vorschlägen. Auch neue Sortierverfahren für recycelbare Zeitungen sind eine Möglichkeit, meint Sieglinde Stähle vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde.

    "Man muss eben dafür Sorge tragen, dass aus diesen Kartonagen die darin verpackten Lebensmittel geschützt werden und möglicherweise zukünftig besser geschützt werden durch andere Innenverpackungen, Innenbeutel. Man muss eben dafür sorgen, dass diese Kartonagen belastungsärmer sind."

    Über konkrete Strategien werden Wissenschaftler nächste Woche bei einem Verbraucherschutzforum diskutieren. Denn das Problem betrifft nicht nur Verpackungskartonagen. Selbst beim Zeitungslesen können die mineralölhaltigen Druckfarben durch Hautkontakt übertragen werden. BFR-Präsident Andreas Hensel.

    "Wir haben auch am Bundesinstitut für Risikobewertung einige Ressourcen in diesen Bereich gesteckt, damit wir uns nicht nur ertüchtigen, sondern auch Fortschritte machen. Und es sind jetzt auch einige Forschungsprojekte angeschoben worden, damit wir eine bessere Übersicht bekommen, wie der Verbraucher Mineralölen ausgesetzt ist, und zu welchem Ausmaß er möglicherweise gefährdet ist."