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Tiefseehafen mit Tücken

16 Jahre wurde geplant, viereinhalb Jahre gebaut: Eine Milliarde Euro hat das Großprojekt Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven gekostet. Nun steht die Eröffnung von Deutschlands einzigem Tiefseehafen an.

Von Christina Selzer | 20.09.2012
    Am Wasser der Jadebucht stehen acht gigantische Containerbrücken. Fast 130 Meter ragen die rotblauen Stahlriesen in den Himmel. An Deutschlands erstem Tiefwasserhafen, dem Jade-Weser-Port ist alles gigantisch.

    Die größten Schiffe der Welt sollen künftig in Wilhelmshaven anlegen - unabhängig von Ebbe und Flut. Schiffe, die einen Tiefgang von 16,5 Metern haben. In Hamburg und Bremerhaven ist bei 12,80 Meter Schluss. Betreiber des Terminals ist das europaweit tätige Unternehmen Eurogate. Emanuel Schiffer, Geschäftsführer von Eurogate, betont den strategischen Sinn des Hafens:

    "Der erste Grund ist, dass die Kapazitäten in den traditionellen Häfen, das sind Bremerhaven und Hamburg, beschränkt sind. Irgendwann sind sie zu Ende. Und der zweite Grund ist, dass die Schiffe immer größer werden und tieferes Fahrwasser brauchen, um 24 Stunden am Tag den Hafen erreichen zu können, und diese Situation gibt es in Deutschland nur einmal, und das ist in Wilhelmshaven."

    Eine Milliarde Euro kostet das Großprojekt, in das der Betreiber Eurogate und die Länder Niedersachsen und Bremen investiert haben. 16 Jahre wurde geplant, viereinhalb Jahre wurde gebaut. Morgen soll es endlich losgehen. Sogar ein erstes Schiff, die "Maersk Laguna" wird anlegen, erste Container werden gelöscht. Das soll alles reibungslos über die Bühne gehen. Denn bisher lief so manches holprig: Etliche Pannen, juristische Auseinandersetzungen und politische Streitereien begleiteten das Bauprojekt von Anfang an und verzögerten die Bauarbeiten. Die Auftragsvergabe an die Baufirmen wurde vor Gericht entschieden, im niedersächsischen Landtag befasste sich sogar ein Untersuchungsausschuss damit.

    Dann wurde die Eröffnung auf Bitten des Betreibers Eurogate wegen der weltweiten Finanzkrise verschoben. Und auch der neu festgesetzte Start musste um fast zwei Monate verschoben werden: Vor einem Jahr tauchten massive Schäden am Bau auf. Unter Wasser entdeckten Arbeiter mehr als 300 Risse in der stählernen Spundwand, sogenannte Schlosssprengungen. Sie mussten aufwendig saniert werden, mit einer dicken Betonmauer wurden sie abgedichtet. Auch der Streit ist noch nicht beendet. Ungeklärt ist noch, wer schuld ist an den Schlosssprengungen und ob die Versicherung die zusätzlichen Kosten von mindestens 50 Millionen Euro bezahlen wird. Der Hafen geht nicht nur zwei Jahre später als geplant an den Start, er kommt auch in ein wirtschaftlich schwieriges Umfeld.

    Als der Jade-Weser-Port geplant wurde, rechnete man damit, dass die Häfen in Hamburg und Bremerhaven bald an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen würden. Man fürchtete, die Schiffe könnten nach Rotterdam oder Antwerpen ausweichen. Doch die Wirtschaftskrise verhagelte diese guten Prognosen. Für den Schifffahrtsexperten Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, ISL, geht der Jade-Weser-Port trotz Verzögerung zu früh an den Start.

    "Weil die anderen Häfen, die Wettbewerbshäfen in Bremerhaven und Hamburg nach der Krise noch nicht wieder ihre Auslastung erreicht haben, von der man bei der Planung des Jade-Weser-Ports ausgegangen ist. Sodass es jetzt dazu kommen kann, dass zumindest in den ersten ein, zwei, drei Jahren der Jade-Weser-Port als Konkurrenz zu den etablierten Häfen auftritt."

    Erst ein Kunde hat den neuen Hafen in seinen Liniendienst aufgenommen. Die dänische Reederei Maersk, die selbst 30 Prozent der Anteile am Hafen hält, wird ein Schiff der Asienroute und ein Schiff der Mittelamerika-Route nach Wilhelmshaven schicken. Mittlerweile wurden die Erwartungen zurückgeschraubt: 2020 sollen knapp drei Millionen Standardcontainer umgeschlagen werden, in den ersten Jahren sogar nur 700.000.

    Damit liegt der Jade-Weser-Port weit hinter Hamburg, Bremerhaven und Rotterdam. Aber langfristig werde der weltweite Containerverkehr steigen, dann soll sich der neue Tiefwasserhafen auch als Job-Motor für die gesamte Region entpuppen, hofft der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode von der FDP.

    "Durch den Jade-Weser-Port werden wir 1000 direkte Arbeitsplätze haben. Da kommen noch die dazu, die in der Logistik entstehen, Handwerker, die Aufträge bekommen, in Gewerbegebieten und im Umland"

    Kritiker bezweifeln diese optimistische Prognose. Denn ein Großteil der Waren wird nur von Großschiffen auf kleine Zulieferschiffe umgeladen und weitertransportiert. Viel Wertschöpfung ist das nicht. Auch wenn kurz vor der Eröffnungsfeier die Zeichen auf Eintracht stehen: Das Prestigeprojekt von Bremen und Niedersachsen hat schon Kratzer. Schon fordert auch die Baufirma Bunte aus Papenburg wegen der gestiegenen Stahlpreise einen 80-Millionen-Euro-Nachschlag, eine Hamburger Firma ficht die Konzessionen für die Schlepperdienste im neuen Hafen an. Und Eurogate will sich vor Gericht das Recht erstreiten, mit Billigtarifen neue Kunden nach Wilhelmshaven zu locken.

    Zwar haben sowohl bremische als auch niedersächsische Politiker versprochen, dass die Steuerzahler nicht für zusätzliche Kosten der Sanierung aufkommen müssten. Wer jedoch letztlich zahlen muss, ist noch nicht geklärt. Immerhin für den Wahlkampf in Niedersachsen heißt das: eine Menge Fracht.