Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Tiermedizin
Wenn Affen Durchfall haben

Wenn Affen im Zoo krank werden, stehen die Pfleger vor einer besonderen Herausforderung. Denn bei der Gabe von Medikamenten müssen sie nicht nur medizinische, sondern auch gruppendynamische Aspekte beachten. Niederländische Primatenforscher tüfteln derzeit an passenden Behandlungsstrategien.

Von Michael Stang | 30.07.2014
    Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer.
    Bei Rhesusaffen gibt es eine strenge Hierarchie innerhalb der Gruppen. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Im Biomedical Primate Research Centre im niederländischen Rijswijk leben rund 1.600 Primaten, den Großteil machen Rhesusaffen aus. Erkranken dort Tiere, steht eine Behandlung an. Doch das ist nicht so einfach, sagt Tierarzt Jaco Bakker:
    "Es gibt keine Standardmedikamente für Primaten, also müssen wir Arzneien nehmen, die für Kühe, Hunde, Menschen oder Katzen hergestellt werden. Dann eine geeignete Dosierung zu finden, ist nicht einfach. Man kann zwar in der Fachliteratur nachschauen, aber das ist alles nicht erprobt. Von daher ist eine Behandlung immer schwierig."
    Aber nicht nur die Suche nach einem passenden Medikament gestaltet sich problematisch. Die noch größere Herausforderung sei die Art und Weise der Verabreichung.
    "Das Problem besteht vor allen in den Gruppen, in denen bis zu 40 Tiere leben. Gibt es dort Durchfall, muss man alle Tiere behandeln, ansonsten stecken sich alle wieder an. Wie geht man da vor? Normalweise würde man allen eine Spritze geben. Das bedeutet aber, dass man 40 Tiere fangen muss, was die Gruppe erheblich stresst."
    Das hätten sie einmal versucht und nach einem Tag aufgegeben, so Jaco Bakker. Und wenn die Veterinäre ein einzelnes Tier herausnehmen, um es zu behandeln, verliert es seinen sozialen Rang, denn bei Rhesusaffen gibt es eine strenge Hierarchie innerhalb der Gruppen.
    "Wir haben es dann mit Keksen probiert, in denen wir die Medikamente versteckt hatten. Aber das funktionierte nicht, weil einige Tiere viele Kekse fraßen, und anderen war es aufgrund der Hierarchie verboten, welche zu nehmen. Die nächste Überlegung war: Wir geben die Medikamente einfach ins Trinkwasser, denn jedes Tier muss täglich trinken, und wir dachten: Das wird einfach."
    Bittere Medizin
    Aber sobald Medikamente im Trinkwasser waren, rührten es die Tiere nicht mehr an. Dann versuchten es Jaco Bakker und seine Kollegen mit Limonade. Die Idee war, dass Rhesusaffen diese ähnlich wie kleine Kinder gerne trinken. Aber auch hier sahen die Forscher, dass die Primaten zwar gerne Limonade tranken, doch vermischt mit bitterer Medizin rührten sie das Zuckergetränk nicht mehr an.
    Ein Alternativmedikament sollte die Lösung bringen, das neutral im Geschmack war. Das Problem hier war jedoch: Es ist nicht wasserlöslich. Als die Forscher es dennoch ins Trinkwasser gaben und einige Affen tatsächlich das Wasser tranken, kam die nächste Enttäuschung. Die Medizin schlug nicht an, die Tiere waren weiter krank, weil sie nicht genug von dem Durchfall-Medikament aufgenommen hatten. Jaco Bakker:
    "Unser Fazit ist, dass es keine brauchbare Lösung gibt, die Medikamente irgendwie in flüssiger Form zu verabreichen. Die einzige erfolgversprechende Lösung ist wohl, dass wir alle Affen trainieren, damit die Tiere einzeln nach vorne kommen und sich jeder seinen Keks mit Medizin abholt. Das wäre das Beste."
    Ranghohe Männchen müssen dann lernen, dass jedes Gruppenmitglied einen Keks bekommt, dies aber nichts an der Rangfolge ändert. Doch um alle 1.600 Primaten des Forschungszentrums in Rijswijk zu trainieren, bedarf es vieler Trainingseinheiten, die viel Zeit kosten. Daher werden einige Forschungsprojekte wohl demnächst auf Eis gelegt, da Forscher, Pfleger und Affen Sonderschichten einlegen müssen. Aber das sei alternativlos, so Jaco Bakker, mit kranken Tieren seien Verhaltensstudien sowieso nicht durchführbar.