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Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz

Die Chancen, dass der Tierschutz ins Grundgesetz kommt, sind so gut wie nie. Sie hätten damit die Eröffnung einer Abwägung. Sie hätten aber mit einer solchen Staatszielbestimmung, dass Umwelt, natürliche Lebensgrundlagen und auch die Tiere geschützt werden, auch einen Arbeitsauftrag an den Staat gegeben. Wie lautet dieser Arbeitsauftrag? Man muss damit rechnen, dass jederzeit ein Bürger klagen kann und sagt, was tut der Staat dafür, dass das Mitgeschöpf Tier unter anständigen Bedingungen leben kann. Der Staat muss nachweisen, dass er mit seinen Regularien nach und nach die Lebens- und Haltungsbedingungen in der Tierhaltung verbessert.

Peter Kolakowski | 15.05.2002
    Bundesverbraucher- und Landwirtschaftsministerin Renate Künast gibt sich optimistisch. Denn trotz bestehender Tierschutzgesetze dürfen Schweinen in der Massentierhaltung die Schwänze abgeschnitten, Rindern die Hörner abgesägt und Hühnern die Schnäbel verbrannt werden. In den Versuchslabors der Pharmaindustrie und den Hochschulen darf mit Tieren mitunter ohne Nachweis eines konkreten Nutzens für den Menschen experimentiert. werden. Auch Tierquälerei wird trotz Tierschutzgesetz von den meisten Gerichten in Deutschland nach wie vor als Bagatelldelikt angesehen und Verfahren oftmals eingestellt.

    Möglich macht dies das Grundgesetz. Denn die im höchsten Gesetz verankerte Freiheit der Berufsausübung, der Forschung, der Religion und der Kunst, sowie das Recht auf Eigentum wiegen höher als einfache Gesetze wie das Tierschutzgesetz. Mit ihrer Gesetzesinitiative will die rot-grüne Regierung daher eine Abwägung erreichen zwischen diesen garantierten Rechtsgütern auf der einen Seite und dem Tierschutz auf der anderen. Nach dem Vorschlag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen soll der Umweltschutzartikel 20 "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" durch den Zusatz "und der Tiere" ergänzt werden.

    Schon dreimal war das Vorhaben von Bündnis 90/Grünen und der SPD, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern, allerdings am Widerstand der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag gescheitert. Die Partei argumentierte hierbei immer wieder, Deutschland habe bereits die besten Tierschutzgesetze der Welt. Meint auch Norbert Röttgen, im Rechtsausschuss des Bundestages Berichterstatter der CDU/CSU Fraktion für Fragen des Tierschutzes. Die CDU/CSU, die die Gesetzesinitiative immer wieder als PR-Gag bezeichnete, befürchtet vor allem Nachteile für die Wirtschaft und Forschung in Deutschland:

    Wenn unsere Tierschutzpolitik darauf hinausläuft, dass unsere Unternehmen und Forschungseinrichtungen ins Ausland abgedrängt werden, dann löst das nicht die Probleme des Tierschutzes, sondern verschärft sie, denn in diesen ausländischen Ländern existiert bei weitem nicht annähernd solcher Tierschutz wie er in Deutschland existiert. Das heißt die Aufgabe, die moderne Herausforderung des Tierschutzes ist es, insbesondere durch europäische Rechtsharmonisierung unser nationales Tierschutzniveau europäisch international durchzusetzen.

    Auch würde ein Staatsziel Tierschutz, so die CDU/CSU weiter, die Gesamtbalance innerhalb der Wertordnung des bisher ausschließlich auf den Menschen bezogenen Grundgesetzes verändern und zu Kollisionslagen führen können. In einem Entschließungsantrag der CDU/CSU in den 90er Jahren wurde der Tierschutz stattdessen in den Umweltschutzartikel 20 des Grundgesetzes hineininterpretiert.

    Eine Absichtserklärung, die von der Rechtssprechung nie anerkannt worden ist. Den Verfassungsrang des Tierschutzes aus dem Artikel 20 des Grundgesetzes herauszulesen, hat unter anderem das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom Juni 1996 abgelehnt.

    Und auch das Bundesinnenministerium hatte bereits 1992 der Verfassungskommission des Deutschen Bundestags in einem Gutachten erläutert, dass durch den Artikel 20 die Achtung der Tiere und ihr Recht auf Schutz vor vermeidbaren Leiden nicht durch den allgemeinen "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" abgedeckt ist.

    Vor der letzten Abstimmung im Bundestag am 14. April 2000 hatten sich Teile der CDU, und hier vor allem der nordrhein-westfälische Landesverband unter seinem Vorsitzenden Jürgen Rüttgers erstmals zwar für die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ausgesprochen. Doch diese Forderung wurde von Kritikern als bloßes Wahlkampfversprechen gedeutet. Rüttgers und seine nordrhein-westfälischen Parteifreunde enthielten sich bei der entscheidenden Abstimmung im Bundestag der Stimme oder votierten mit Nein. Und brachten damit das Vorhaben zu Fall. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Wolfgang Apel erinnert sich:

    Ein Gegner war ganz besonders Herr Schäuble und auch Herr Merz. Wir sind seit 1990 dran. Wir haben auch schon mal die Mehrheit in der Verfassungskommission gehabt, aber eben nicht die qualifizierte Mehrheit, die Zwei-Drittel-Mehrheit. 2000 ist es an den wenigen Stimmen der CDU gescheitert.

    Alle anderen Parteien haben sich dagegen für ein Staatsziel Tierschutz ausgesprochen. Inzwischen auch die FDP, die zunächst dagegen war. So hat der FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle mit Blick auf die kommende Bundestagswahl betont, wer mit der FDP regieren wolle, müsse wissen, dass die FDP die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz durchsetzen werde.

    Rückhalt für Ihr Ansinnen bekam die Bundesregierung unlängst noch durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar diesen Jahres. Das Gericht hatte das betäubungslose und für die betroffenen Tiere mit hohem Leiden verbundene Schächten mit Hinweis auf die Berufs- und Religionsfreiheit muslimischer Metzger erlaubt.

    Auch hier, so konstatierten Juristen und Tierethiker, werde das Tierschutzgesetz einmal mehr entwertet und müsse hinter den ökonomischen Interessen muslimischer Metzger und gläubiger Kunden zurücktreten.

    Zwar wird in § 1 des Tierschutzgesetzes die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf betont, dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen sei. Doch § 2 des Tierschutzgesetzes relativiert den Schutzgedanken. Danach dürfen Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden, wenn ein "vernünftiger Grund" vorliegt. Vernünftige Gründe sind laut Gesetzgeber unter anderem die "Freiheit der Berufsausübung", "der Wissenschaft", "der Kunst" oder das "Recht auf Eigentum". das heißt die in der Verfassung garantierten Grundrechte. Wie kein anderes Gesetz wird deshalb das Tierschutzgesetz so häufig für nichtig erklärt. Sei es in der Landwirtschaft, im Strafrecht oder in der Forschung.

    So rechtfertigte das Bundesverwaltungsgericht Kassel in einem Urteil vom 23. Oktober 1996 Tierversuche an der Universität Gießen mit dem Argument, Tierschutz habe keinen Verfassungsrang und könne daher die Lehrfreiheit nicht einschränken. In dem Fall ging es darum, lebenden Ratten den Bauch aufzuschlitzen, um die Verdauung zu beobachten.

    "Weil der Tierschutz vom Verfassungsgeber nicht ausdrücklich in das Grundgesetz aufgenommen worden ist", so das Gericht, "dürfe die durch Art. 5 Absatz 3 Grundgesetz uneingeschränkt gewährleistete Wissenschaftsfreiheit nicht durch das demgegenüber untergeordnete Tierschutzgesetz eingeschränkt werden."

    Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich gegen eine Begrenzung vorbehaltloser Grundrechte durch ein niederrangiges einfaches Gesetz wie das Tierschutzgesetz ausgesprochen. Nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte seien imstande, auch Grundrechte zu begrenzen.

    Der Anwalt des von Studenten angezeigten Hochschullehrers in Gießen konnte sich bei seinem Plädoyer sogar darauf berufen, dass das Tierschutzgesetz nur Appellcharakter habe.

    Auch bei Versuchen mit Tieren in den Forschungslabors der Industrie und den Universitäten greifen deshalb die Schutzregelungen des Tierschutzgesetzes nicht. So wurde einem Berliner Hirnforscher zunächst vom Berliner Gesundheitssenat untersagt, zum Zwecke der Grundlagenforschung, also Forschung ohne bestimmtes Ziel,

    Affen von Geburt an die Augen zuzunähen, ihnen über der Bindehaut eine Kupferdrahtspule zu implantieren, Schrauben in ihre Schädel zu bohren und die Tiere pro Tag mehrere Stunden lang mit dem Kopf in Bändigungsapparaturen einzuklemmen.

    Das Verwaltungsgericht Berlin allerdings hat nicht zu prüfen vermocht, in welchem Ausmaß Affen für ein abstraktes Forschungsinteresse leiden müssen. Und genehmigte die Versuche. Wie auch das daraufhin angerufene Bundesverfassungsgericht.

    Weil die Wissenschaftler sich hier auf die Forschungsfreiheit berufen können, definieren sie deshalb auch den vernünftigen Grund, warum ein Versuch durchgeführt wird. Sodass auch für andere Wissenschaftskollegen nicht nachvollziehbare "Versuche" von obersten Gerichten erlaubt werden. Erlaubt werden müssen, weil eine Güterabwägung nicht stattfinden kann. Im Jahr 2000 fanden in Deutschland Tierversuche an 1,8 Millionen Tieren statt - allein für die Prüfung neuer Stoffe und Produkte waren es mehr als 700.000 Tiere.

    Bei der Anhörung vor zwei Jahren zur Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz hatten Forscher deshalb damit gedroht, ins Ausland abzuwandern, sollte der Tierschutz in der Verfassung festgeschrieben werden.

    Moderater äußert sich dagegen die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bonn, die fast 70 Forschungseinrichtungen in Deutschland vertritt. Deren Generalsekretär Reinhard Grunwald hält eine Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung für gut vertretbar. Allerdings nur dann, wenn der Tierschutz als Artenschutz im Sinne der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen definiert wird. Nachteile für die Forschung sieht Grunwald dagegen, wenn tatsächlich zwei Verfassungsgüter - hier "Freiheit der Forschung", dort "Tierschutz" - miteinander in Konkurrenz treten:

    Die Freiheit der Wissenschaft ist im Artikel 5 Absatz drei als Grundrecht gewährleistet und wenn noch deutlicher als bisher auch der Schutz der Tierarten oder der Existenz, der Vielfalt von Tierarten in das Grundgesetz gehoben wird, kann es zu Konflikten führen. Nehmen wir einmal an, es sollen statt Menschenversuche Tierversuche an Primaten durchgeführt werden. Primaten sind geschützte Tierarten, weil es nur noch sehr wenige Schimpansen gibt, dann könnte es zu der Überlegung führen, auch über das derzeitige Tierschutzrecht hinaus, hier grundgesetzlich geschützte Güter miteinander in Konflikt geraten.

    Nachholbedarf sehen die Befürworter eines Staatsziels Tierschutz auch auf dem Gebiet des Strafrechts. Denn auch hier greifen die Bestimmungen des einfachen Tierschutzgesetzes nicht oder nur unzureichend. So liegt der Anteil der Einstellungen oder Freisprüche bei tierschutzrelevanten Straftaten um 95 Prozent über dem Gesamt- durchschnitt aller Straftaten. Auch bei den Verurteilungen wird der Strafrahmen völlig unzureichend ausgeschöpft.

    Eingestellt wurde zum Beispiel ein Verfahren gegen einen Tierhalter, der seinen Hund über Jahre an einer Kette mit einem nach innen gelegten Stachelhalsband gequält hatte. Das Halsband war inzwischen eingewachsen und musste von einem Tierarzt herausoperiert werden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Reutlingen hielt dies dennoch nicht für Quälerei.

    Unsanktionierte Brutalität gegenüber Tieren, so konstatiert der Bundesverband Menschen für Tierrechte, werde zu einer staatlich tolerierten Verhaltensform, wenn der Gesetzgeber die Verfassungslücke nicht umgehend schließe. Und es auch zukünftig nicht zu einer Güterabwägung komme zwischen den in der Verfassung garantiertem Grundrecht auf Eigentum und dem Schutz der Tiere.

    Mehr Fortschritte für den Tierschutz erhoffen sich die Befürworter eines Staatsziels aber vor allem in der Landwirtschaft. Denn hier fristen Milliarden sogenannter Nutztiere ein grausames Dasein. Bis zur Bewegungslosigkeit eingeklemmt in Eisen- und Holzverschlägen werden Schweine, Rinder oder Hühner für die schnelle Mast mit Antibiotika und anderen Wachstumsförderern hochgezüchtet. Die Freiheit der Berufsausübung und das Recht auf Eigentum erlauben aber den Tierzüchtern bislang, Tiere so und nicht anders, nämlich artgerechter zu halten.

    So spricht sich zwar der Großteil der Bevölkerung beispielsweise für ein Verbot der Käfighaltung bei Legehennen aus. 90 Prozent der Eier, die in Deutschland verkauft werden, stammen aber aus eben dieser Haltungsform. Um als ersten Schritt das Angebot von Eiern aus artgerechter Tierhaltung zu fördern, hatte Künast deshalb ein Verbot der Käfighaltung bei Legehennen früher durchgesetzt, als es europäisches Gemeinschaftsrecht vorsieht. Auch ein von der Bundesministerin auf den Markt gebrachtes allgemein gültiges Bio-Siegel für Lebensmittel soll den Kauf von Öko-Produkten ankurbeln. Und damit gleichzeitig artgerechtere Haltungsformen in der Landwirtschaft weiter fördern.

    Aber nur, wenn solche Haltungsformen zum Standard in der Tierzucht werden, kommen Öko-Produkte und letztlich auch der Tierschutzgedanke aus ihrem Nischendasein. Helfen könnte dabei auch ein Staatsziel Tierschutz.

    Der Deutsche Bauernverband befürchtet zwar, ähnlich wie Norbert Röttgen von der CDU, durch die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung Wettbewerbsnachteile im Vergleich mit anderen europäischen Ländern mit wesentlich geringeren oder gänzlichen fehlenden Tierschutzstandards. Die Landwirtschaftslobbyisten lehnen aber wie zuletzt noch vor zwei Jahren, ein Staatsziel Tierschutz nicht mehr grundsätzlich ab. Allerdings, so Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes:

    Wenn man diese Staatszielbestimmung zum Anlass nehmen würde, weiterhin im nationalen Alleingang in einem großen europäischen Binnenmarkt Tierschutz allein in Deutschland hart zu praktizieren, dann hätten wir Probleme damit. Ich sehe das eher als Aufforderung jetzt, es ist eine Staatszielbestimmung, das die Bundesregierung gefordert ist, dieses auch in Brüssel umzusetzen, wir sind nun mal eingebunden in einen europäischen Rechtsrahmen und wenn es ein Anschub wäre in die öffentliche Debatte hinein, dann hätten wir sogar als Landwirte einen Vorteil davon. Das heißt wenn man diesen Verfassungsauftrag, so wie er denn jetzt formuliert werden wird, ernst nimmt, dann muss beispielsweise Frau Künast in Brüssel antreten, eine europäische Tierhaltungsverordnung, die für alle gleich gilt, nicht nur eine Richtlinie, die jedes Land unterschiedlich auslegen kann, durchzusetzen. Wir gehen dort mit. Wir möchten eine Tierhaltung haben, die ihre gesellschaftliche Akzeptanz behält. Wir legen nur Wert drauf, dass das im Wettbewerb geschieht, und man nicht formal in Deutschland Tierschutz praktiziert, die Tiere, in dem Fall die Legehennen aber weiterhin in den Käfigen sitzen, die stehen dann nur nicht mehr bei uns, sondern in den Niederlanden oder in Polen zukünftig.

    Eine Forderung, die allerdings auch von der rot-grünen Regierung unterstützt wird. Marianne Klappert:

    Ich bin seit zwölf Jahren eine Verfechterin, Tierschutz nicht nur national, sondern auch europaweit zu sehen. Ich denke nur dann kommen wir weiter. Wir haben offene Grenzen und wir müssen unsere Nachbarländer davon überzeugen, dass das Mitgeschöpf Tier bei uns einen anderen Stellenwert hat

    Zwar spielen für die Landwirtschaft die Kosten meist die ausschlaggebende Rolle. Und tierische Rohstoffe wie Fleisch, Milch und Eier aus der Massentierhaltung sind nun einmal billiger als solche aus artgerechteren Haltungsformen. Andererseits, das wissen auch die Bauern und die Lebensmittelwirtschaft, ist das Image von Lebensmitteln bei den Konsumenten so schlecht wie noch nie. Mehr als die Hälfte der Verbraucher glauben, dass der Verzehr von Nahrungsmitteln die Gesundheit gefährdet. Zitiert Professorin Edda Müller, Präsidentin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen eine Untersuchung.

    Für Müller ist die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung daher auch ein längst überfälliger Beitrag für den Verbraucherschutz und die Verbesserung der Lebensmittelqualität in Deutschland.

    Wir werden sicherlich, insbesondere wenn der Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen wird, vermehrte Anstrengungen auch auf Seiten der Landwirtschaft, der Ernährungsindustrie bekommen, Bedingungen für die Tiere zu schaffen, die im stärkeren Einklang mit ihrer artgerechten Haltung sind, die sich gegen bestimmte Zuchtarten wenden, weil sie zum Beispiel auch mit einem höheren Einsatz von zusätzlichen Mitteln verbunden sind. Da fordern wir klare und eindeutige Informationen, vor allem auch Informationen über zum Beispiel nicht artgerechte Tierhaltung, wenn es da Unterschiede gibt. Und dann werden wir den Verbraucher entscheiden lassen, seine Präferenzen werden eine Rolle spielen. Wir wollen, dass der Verbraucher, wenn er über bestimmte Werthaltungen wie zum Beispiel Tierschutz verfügt, seine Kaufentscheidung verlässlich treffen kann und sich nicht wie heute durch Werbung ein X für ein U vormachen lässt.

    Rund 88 Prozent der Bundesbürger fordern nach einer Forsa-Umfrage vom März mittlerweile die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz. Das hat nun offenbar auch CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber vor der Bundestagswahl dazu veranlasst, die CDU/CSU doch noch auf Tierschutzkurs zu trimmen. Das freut selbst Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast:

    Parteien, die die Mitte suchen, bewegen sich in den letzten Tagen auch und haben gesagt, da sind Wählerstimmen zu haben, also sind wir bereit zuzustimmen.

    In elf Bundesländern, so Stoiber unlängst, sei der Tierschutz inzwischen in die Landesverfassung geschrieben. Hier habe sich in den letzten Jahren ein Wertewandel vollzogen. 'Wir sollten', so Stoiber weiter, 'deshalb den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankern.'

    Dass der Tierschutz dabei bereits in vielen Landesverfassungen festgeschrieben ist, hatte die CDU in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, gegen ein Staatsziel Tierschutz zu stimmen. Vor allem wollte es sich die Partei nicht mit ihrer bäuerlichen Klientel verderben. Doch auch die CDU/CSU weiß, dass die sich häufenden Lebensmittel- und Tierschutzskandale nicht jedem Bürger in ständiger Erinnerung bleiben, dass aber die von Bundesverbraucherschutzministerin Künast propagierte Agrarwende hin zu mehr artgerechter Tierhaltung und die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel von den meisten in der Bevölkerung begrüßt wird. Meint auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Wolfgang Apel:

    Es besteht keine Legitimation mehr, dass man mit Tieren machen kann, was man will, das gilt in der Landwirtschaft, dass man es so ausbeuten und so nutzen kann wie einen toten Gegenstand. Hier muss man sich zukünftig einer größeren Prüfung unterziehen. Das gleiche gilt aber auch für die Behandlung von Tieren während des Transportes oder beim Schlachten. Wir haben ja das Schächturteil miterleben müssen, das sagt, dass ich eben nicht wegen der verbrieften Freiheit der Berufsausübung das Tier ohne Betäubung schlachten kann. Das wird sich ändern, und das heißt auch, dass wir eine ganze Menge Arbeit vor uns haben. Wir müssen alles das revidieren. Das heißt auch, dass wir in der Forschung, in der Landwirtschaft ganz neue Wege gehen müssen.

    Um bei der Abstimmung im Bundestag am kommenden Freitag die notwendige Zweidrittelmehrheit von 444 Stimmen zu bekommen, sind neben der ausnahmslosen Zustimmung von SPD, Grüne, FDP und PDS mindestens auch 23 Stimmen von der CDU/CSU nötig. Trotz aller Ankündigungen Stoibers bleibt es daher spannend, wie die Abstimmung tatsächlich ausfallen wird.