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Tierschutz in der Forschung

Zugang zum "Zentralen Tierlabor" der Medizinischen Hochschule Hannover haben nur autorisierte Personen: Chipkarten fungieren als Türöffner. Dann sind es nur noch ein paar Schritte zu den Ställen:

Von Michael Engel | 18.11.2004
    Schweine, aber auch Schafe, Hunde, Katzen und Kaninchen werden hier – in Sichtweite zu den "Bettenhäusern" der menschlichen Patienten - gehalten. Nach einer Eingewöhnungszeit von etwa drei Wochen wird es ernst für die Tiere: Chirurgen erproben an ihnen neue Operationsverfahren, bevor sie beim Menschen eingesetzt werden:

    Die chirurgischen Eingriffe an den Großtieren hier im zentralen Tierlaboratorium der Medizinischen Hochschulen werden primär an den Herz-Kreislauf-Organen durchgeführt oder es handelt sich um Organtransplantationen. Ziel dieser Untersuchung ist häufig die Etablierung von bestimmten Operationstechniken oder Transplantationsverfahren.

    300 bis 400 Tiere im Jahr kommen auf den Operationstisch. Prof. Klaus Otto führte als experimenteller Anästhesiologe bereits Anfang der 90er Jahre die Elektroenzephalographie – kurz EEG - ein, um die Narkosetiefe neben Herzfrequenz, Blutdruck und Pupillenreaktion noch besser zu erkennen. Narkosemittel bergen nämlich erhebliche Gefahren: Zuviel davon schädigt die Leber, während eine Unterdosierung das Schmerzempfinden der Tiere wecken könnte.

    Wir machen das grundsätzlich so, dass wir diese EEG-Elektroden, das sind Nadelelektroden, die wir subkutan am Kopf plazieren – insgesamt fünf Stück – dass diese appliziert werden erst bei dem anästhetisierten Tier. Und zwar dann, wenn das Tier an dem Narkosegerät angeschlossen ist und für die Operation gelagert ist, so dass wir keine Elektrodenartefakte bekommen durch irgendwelche Umlagerungen.

    Der körpereigene Abbau des Narkosemittels kann jetzt in Echtzeit und quasi "online" kontrolliert werden. So erkennt Prof. Otto am Verlauf der Hirnstromkurve, ob die Narkosewirkung nachläßt. In diesem Fall ist eine Nachdosierung erforderlich. Auf der anderen Seite ist aber auch ein Zuviel an Narkosemittel schädlich. Häufig schlägt bei narkotisierten Tieren während der Operation das Herz plötzlich schneller und der Blutdruck steigt rapide. Früher wurde dann noch mehr Narkosemittel verabreicht, weil man glaubte, die Narkose lasse nach. Mit der EEG-Überwachung wird aber sofort klar, dass es auch andere Gründe geben kann:

    Das ist eine der Zielsetzungen, dass man sagt, ich kann aufgrund des EEG-Befundes die Narkose so dosieren, das ich sage, hier sind keine EEG-Veränderungen, also ich brauche jetzt die Narkose – falls zum Beispiel eine Kreislaufreaktion auftritt – nicht zu vertiefen. Ich setze jetzt ein starkes Analgetikum ein, indem ich zum Beispiel ein Opiat zusätzlich gebe, um hier die Impulsfortleitung zu blockieren, die diese Herz-Kreislauf-Reaktionen auslösen.

    Auf diese Weise lassen sich Organ schädigende Überdosierungen mit Narkosemitteln vermeiden. Das EEG-Verfahren macht nach Meinung von Prof. Klaus Otto nur in der experimentellen Chirurgie Sinn, nicht aber beim niedergelassenen Tierarzt um die Ecke. In der Medizinischen Hochschule Hannover liegen die Tiere nämlich sehr lange im Operationsraum – mitunter mehr als 20 Stunden. In der normalen Tierarztpraxis hingegen dauern die Eingriffe meist nur wenige Minuten – und bei dieser kurzen Zeitspanne gibt es – anästhesiologisch betrachtet – kaum Komplikationsgefahren.