Sonntag, 12. Mai 2024

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Tierschutz
NABU: Zu viele Vögel sterben durch Kollision mit Stromleitungen

Große Vögel wie Schwäne, Kraniche oder Störche sterben häufig, weil sie mit Stromleitungen kollidieren. Eric Neuling vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) forderte im Dlf von den Netzbetreibern, bestehende Leitungen mit Markierungen nachzurüsten. Das sei im Kostenrahmen und würde den Vögeln helfen.

Eric Neuling im Gespräch mit Georg Ehring | 16.10.2018
    Weißer größerer Vogel hängt tot in einer Stromleitung
    Ein toter Seidenreiher hängt an einer Stromleitung. (picture alliance/blickwinkel)
    Georg Ehring: Bergen oder Bäumen können sie gut ausweichen, doch Stromleitungen in der freien Landschaft sind für Vögel tückisch. Immer wieder kommt es zu Kollisionen, die für die Tiere tödlich enden. Der Naturschutzbund NABU rechnet in einer Studie mit 1,5 bis 2,8 Millionen Vögeln jedes Jahr, die an Stromleitungen sterben. Eric Neuling kümmert sich beim NABU um das Thema. Guten Tag, Herr Neuling.
    Eric Neuling: Schönen guten Tag.
    Ehring: Herr Neuling, welche Arten sind denn besonders betroffen?
    Neuling: Die Arten, die am meisten von Anflugproblematiken betroffen sind, sind eher die großen schwerfälligen, die schlecht ausweichen können bei abrupt auftauchenden Hindernissen. Gleichzeitig sind das auch die Arten, die mit ihrem Sehvermögen eher an offene Landschaften angepasst sind. Denen fehlt oft das fokussierte Sehen nach vorne und deswegen sind diese dünnen Leitungen dann oft ein zu spät erkanntes Hindernis.
    Ehring: Können Sie da ein paar Beispiele nennen?
    Neuling: Das wären zum Beispiel Schwäne, aber auch große Vögel wie Kraniche, Störche, Watvögel. Und dann tatsächlich eigentlich die ganze Reihe der Wasservögel: Enten, aber auch alle Taucher.
    "Erhebliche Bestandseinbußen beim Weißstorch"
    Ehring: Gibt es denn seltene Arten, die durch diese Stromleitungen dann wirklich bedroht sind?
    Neuling: Wir haben tatsächlich in einigen Gebieten, wo wir wichtige Rastgebiete haben, Leitungen als Hindernis, wo einige Vogelarten, die sehr selten sind, verenden können, und das müssen wir vermeiden. Zum Beispiel der Weißstorch hat in der Vergangenheit doch durch Leitungen erhebliche Bestandseinbußen erlitten.
    Ehring: Was kann man denn da machen? Dafür sind ja die Netzbetreiber zuständig. Sie könnten die Stromleitungen unterirdisch verlegen, dann sind die natürlich weg. Aber gibt es auch andere Maßnahmen?
    Neuling: Die Übertragungsnetzbetreiber, die die großen Überlandleitungen haben, die haben durchaus die Möglichkeit, Vogelschutzmarkierungen an diesen besonders dünnen Erdseilen, den Blitzschutzleitern über den tatsächlichen Leitungsseilen anzubringen. Das ist machbar, auch im Kostenrahmen, und es würde dem Vogelschutz sehr helfen, wenn die bestehenden Leitungen – das sind 60.000 Kilometer Übertragungsleitungen – einfach nachgerüstet werden in den Regionen, wo diese kollisionsgefährdeten Vogelarten vorkommen.
    Ehring: Wie sehen diese Markierungen aus?
    Neuling: Der Typ Markierung, der bisher am besten zu wirken scheint, ist Schwarz-Weiß und besteht aus beweglichen Lamellen. Das heißt, es gibt einen Schwarz-Weiß-Kontrast für die Erkennbarkeit und durch die Bewegung im Wind – die hängen in der Luft – ergibt sich noch ein zusätzlicher visueller Reiz.
    Ehring: Das heißt, die Stromnetzbetreiber sind durchaus dazu bereit, das auch zu machen. Aber sie haben es noch nicht überall gemacht?
    Neuling: Genau. Die Übertragungsnetzbetreiber sind beim Thema Kollision tatsächlich auch nicht gesetzlich verpflichtet, das zu machen. Anders ist es bei dem Mittelspannungsbereich, die kleineren Verteilnetzleitungen. Dort ist das ein anderes Thema. Da geht es um den Stromtod, dass Vögel an einem elektrischen Schlag sterben auf den Strommasten. Da gibt es eine gesetzliche Regelung. Aber beim Thema Kollision ist es wirklich Goodwill. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen das nicht im bestehenden Netz machen. Da gibt es tatsächlich eine hohe Bereitschaft und wir arbeiten bei dem Thema auch zusammen und möchten mehr dazu erfahren, wo genau die Vögel an den Leitungen sterben, und arbeiten da zusammen.
    Online-Meldeplattform für Bürger
    Ehring: Sie haben da ein Meldeportal. Wenn ich jetzt als Bürger, als Spaziergänger zum Beispiel so etwas mitbekomme, wo kann ich das melden?
    Neuling: Das ist tatsächlich eine relativ neue Erfassungsmethode, denn bundesweit werden bisher diese Daten gar nicht gesammelt. Es gibt nur einzelne Bundesländer, wo solche Daten tatsächlich auflaufen. Wir haben eine Meldeplattform online unter www.nabu.de/vogelfund-stromleitung oder auch eine telefonische Hotline. Die ist auf dieser Internetseite dann auch direkt zu finden.
    Ehring: Das Stromleitungsnetz wird ja derzeit ausgebaut. Werden denn neue Leitungen so gebaut, dass die Vögel bessere Chancen haben?
    Neuling: Das ist tatsächlich so, dass der Vogelschutz immer mehr auch an Bedeutung gewinnt in der Planung von neuen Netzausbauvorhaben. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch für dieses Problem bei den Übertragungsnetzbetreibern, die tatsächlich die großen Trassen realisieren sollen, auch eine Akzeptanz bekommen, dass wir da an einem Strang ziehen. In der Bundesfachplanung, die für die Stromnetze durchgeführt werden muss, spielt der Vogelschutz im Bereich Natur und Umwelt eine sehr hohe Rolle. Wir können allerdings noch nicht sagen, ob das wirklich am Ende dazu führt, dass weniger Vögel sterben. Denn die Planungen für die Netze, das wissen wir alle aus den Medien, sind doch deutlich verzögert, und ehe eine große neue Leitung gebaut ist, vergehen mitunter noch ein paar Jahre.
    Ehring: Mit Eric Neuling vom Naturschutzbund sprach ich über Vögel und Stromleitungen. Herzlichen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.