Freitag, 19. April 2024

Archiv

Timmermans in Warschau
Streit um Polens Justizreform geht weiter

Gegen Polen läuft ein Verfahren der EU. Der Vorwurf: Durch die Justizreform bekommt die Regierung Einfluss auf die Richter und der Rechtsstaat wird ausgehebelt. EU-Vize-Kommissionschef Frans Timmermans spricht heute in Warschau mit den Verantwortlichen über mögliche Zugeständnisse.

Von Florian Kellermann | 18.06.2018
    Der Oberste Gerichtshof Polens in Warschau
    Auch Polens Oberster Gerichtshof könnte durch die Justizreform unter politischen Einfluss geraten (Imago/ Heike Bauer)
    Der Niederländer ist auf schwieriger Mission: Frans Timmermans gilt innerhalb der EU-Kommission als besonders kritisch gegenüber der polnischen Regierung. Diese hat zwar Korrekturen an ihrer Justizreform vorgenommen, um der EU-Kommission entgegenzukommen. Doch die Änderungen gingen nicht weit genug, so Timmermans:
    "Trotz der vier Gesetze vom April und Mai bleibt das klare Risiko, dass die Prinzipien des Rechtsstaats verletzt werden. Die Maßnahmen, die von der polnischen Regierung im vergangenen halben Jahr umgesetzt wurden, haben bereits Schaden angerichtet und tun dies weiter. Nach dem Verfassungsgericht und dem Landesjustizrat ist es nun der Oberste Gerichtshof, der in der Gefahr steht, unter politische Kontrolle zu kommen."
    Nicht nur diese Kritik nimmt die polnische Regierungspartei PiS Timmermans übel, sondern auch seinen Versprecher beim jüngsten Auftritt im EU-Parlament. Er werde heute "nach Moskau fahren", um mit der polnischen Regierung zu sprechen, sagte der Vizekommissionspräsident.
    Persönliche Angriffe aus Polen gegen Timmermans
    Trotz seiner Entschuldigung: Der Empfang heute in Warschau wird kühl sein. Michal Dworczyk, der Kanzleichef von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, ging schon im Vorfeld zu einem persönlichen Angriff über:
    "Frans Timmermans will den Dialog verschärfen, so scheint es. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier private politische Ambitionen eine Rolle spielen. Denn außer dem Streit mit Polen wird Kommissar Timmermans mit keinem anderen Projekt in der EU-Kommission verbunden. Die Beendigung des Streits wäre für ihn ein Problem."
    Tatsache ist, dass der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zuletzt mehr Verständnis für die polnische Regierung gezeigt hat. Richtig bleibt aber auch, dass Warschau wesentliche Bedenken aus Brüssel gegen die Justizreform nicht ausgeräumt hat.
    Kritiker hoffen auf eine Klage vor dem EU-Gerichtshof
    Schon in zwei Wochen müssen die Richter am Obersten Gerichtshof, die über 65 Jahre alt sind, in den Ruhestand gehen - auch wenn ihre Amtszeit noch nicht abgelaufen ist. Das gilt auch für die Gerichtspräsidentin. Dann kann der Landesjustizrat, den die Regierungsfraktion im Parlament zum Großteil neu besetzt hat, viele der PiS genehme Juristen in das Gericht bringen. Kritiker der PiS in Polen hoffen deshalb auf die EU-Kommission, so Piotr Buras von der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations":
    "Die Diskussion dreht sich jetzt darum, ob man nicht klagen sollte gegen das Gesetz über den Obersten Gerichtshof - und zwar vor dem EU-Gerichtshof. Der hat schon erklärt, dass er sich in der Frage äußern könnte. Viele Persönlichkeiten haben die EU-Kommission aufgefordert, so eine Klage einzureichen."
    Das ist ein Druckmittel, mit dem Timmermans nach Warschau kommt. Das andere ist das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Die Kommission hat es vor einem halben Jahr gegen Polen eingeleitet.