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Tindersticks mit "No Treasure But Hope"
Am Lagerfeuer der Instrumente

Die Tindersticks gelten als Meister der Schwermut. Für ihr elftes Album "No Treasure But Hope" haben sie ihre verlustbehaftete Sehnsuchtsmusik auf einer Insel im Mittelmeer eingespielt. Ein idyllischer Ort, der den melancholischen Kammerpop der Band mit Inspirationen beseelte.

Von Frank Sawatzki | 16.11.2019
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Master of Tindersticks: Stuart Staples (Richard Dumas)
"Als ich das Album vorbereitete, zog es mich nach Ithaka, ich wollte dort sein, um meine Ideen zu sammeln. Das hatte nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass ich auf Ithaka Inspiration suchte. Es war mehr so, dass ich einen Ort haben wollte, an dem ich allein sein und reflektieren konnte. In unserer Vorstellung ist diese Insel ein idyllischer mediterraner Ort mit Meer, ich kam aber nicht umhin, dieses Meer auch mit Leiden zu verbinden. Die meisten Texte auf dem Album stehen damit in Verbindung."
Formidables Leiden
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat die im britischen Nottingham gegründete Band ganz formidabel gelitten, Stuart Staples und seine Musikerkollegen spielten ihre Gefühle in melancholischen Arrangements voller filigraner Details auf die Intensivstation des Pop. Mit dieser Band konnte eine Generation von Fans stilvoll in den Abgründen des Lebens schwelgen.
Auf den letzten beiden Veröffentlichungen, "The Waiting Room" und "The Something Rain" hatten Tindersticks ihre verschwenderische Wehmutsmusik im Studio um diverse Klangstoffe erweitert. Die Songs wurden zu Spielfeldern für Jazz- und Funk-Experimente, die Band stolperte kunstvoll über ihre Beats. Für "No Treasure But Hope" suchte Staples wieder einen neuen Ansatz und versammelte die Band um so etwas wie ein Lagerfeuer der Instrumente.
"Das neue Album sind wir ganz anders angegangen als die beiden Vorgänger. Sie waren als Studio-Alben konzipiert, wir hatten versucht, Musik mit unterschiedlichen Texturen zu machen, die Grenzen der Songs zu sprengen. Diesmal ging es mir um das menschliche Moment, das hieß: Computer und Smartphones wurden ausgeschaltet. Eine radikale Entscheidung. Es ist eine sehr naturalistische Aufnahme geworden, wir waren um das Klavier versammelt, spielten auf akustischen Instrumenten. So entstand eine sehr enge Beziehung unter uns Musikern. Das hatte diesmal nichts mit Studio-Technik zu tun."
Soulmusik in bester Tindersticks-Tradition
Der Song "The Amputees" ist mehr als das heimliche Highlight des neuen Albums, er klingt wie ein Stück Soulmusik in bester Tindersticks-Tradition. Der Sänger versucht ein universelles Gefühl zu beschreiben: das Verlangen nach einem Menschen, der nicht mehr an unserer Seite ist. Oder nach einem Zustand, der verloren ist.
"Wir alle verlieren Teile von uns, gleich, ob sich das um Unschuld handelt, eine Beziehung, einen Menschen oder etwas, das essentiell für uns ist. Und wir lernen, mit dem Verlust zu leben. "The Amputees" ist auch mit dem ersten Song auf dem Album, "For The Beauty", verbunden. Der Schönheit kann man sich nie sicher sein, sie kann uns immer wieder erstaunen, aber generell beschreiben Schönheit und Schmerz ähnliche Gefühle."
Live auf der Bühne zeige die Musik dann ihr wahres Gesicht, sagt Stuart Staples im Interview, ein Album aufzunehmen sei dagegen eine abstrakte Sache.
"Playing concerts is like the only truth about playing music, making albums, recording is more abstract."