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"Titanic"-Chefredakteur Wolff
Die Antwort auf den Anschlag kann nur mehr Satire sein

"Titanic"-Chefredakteur Tim Wolff reagiert schockiert auf den Anschlag auf die Kollegen des Pariser Satiremagazins "Charlie Hebdo". Im Deutschlandfunk sagte er, Satiriker machten sich viele Feinde - nicht nur unter Muslimen. Bedrohung und Gewalt dürften aber nicht zu Selbstzensur führen.

Tim Wolff im Gespräch mit Marietta Schwarz | 07.01.2015
    Logo der Satirezeitschrift Titanic
    Die heutige Ausgabe von "Charlie Hebdo" beschäftigte sich mit dem umstrittenen Roman von Michel Houellebecq. (picture alliance / dpa / Robert Fishman)
    Marietta Schwarz: Sie haben es in den Nachrichten gehört, heute mittag wurde ein Anschlag auf die Pariser Satirezeitung "Charlie Hebdo" verübt, mindestens elf Menschen wurden getötet, unzählige verletzt. Und dass es sich dabei um ein Satireblatt handelt, das zudem bekannt ist für provokante Mohammed-Karikaturen, das hat auch uns von der Redaktion "Corso" noch mal extra aufhorchen lassen. Die heute erschienene Ausgabe von "Charlie Hebdo" widmet sich übrigens Michel Houellebecq und dessen umstrittenem Roman über die Machtübernahme durch einen muslimischen Präsidenten in Frankreich. Wir haben kurz vor der Sendung mit Tim Wolff gesprochen, dem Chefredakteur des deutschen Satiremagazins "Titanic". Tim Wolff, was geht Ihnen bei diesen Nachrichten durch den Kopf?
    Tim Wolff: Also, die Reaktion hier war die gleiche wie bei jedem anderen Menschen auch, auch bei Nicht-Satirikern: Man ist geschockt.
    Schwarz: Man ist geschockt.
    Wolff: Ja.
    Schwarz: Es ist aber doch sicher noch mal was anderes, ob man selbst Teil einer solchen Satireredaktion ist. Also, war es nicht auch so was wie: Was wäre, wenn das bei uns hier passiert wäre?
    Wolff: Ja, den Gedanken hat man natürlich. Aber ich glaube, da gibt es schon Unterschiede zwischen "Charlie Hebdo" und "Titanic" und auch zwischen Frankreich und Deutschland. Und auf einer ganz übergeordneten Ebene gilt auch einfach grundsätzlich, dass man als Satiremagazin keine Angst haben darf. Ich würde mich auch tatsächlich, obwohl es sehr wahrscheinlich erscheint, zurückhalten wollen mit dem Urteil, dass das jetzt Muslime waren. Ich würde da gerne noch abwarten wollen. Satiriker machen sich viele Feinde und es müssen nicht immer Muslime gewesen sein.
    Schwarz: Satire darf alles, sagt man. Trotzdem wird so ein Anschlag Satire natürlich auch nicht kalt lassen. Also, könnte es sein, dass man als Redaktion, auch als "Titanic"-Redaktion da zurückhaltender wird?
    Wolff: Nein, das sollte und darf nicht passieren. Grundsätzlich ist es so, Satire beschäftigt sich mit relevanten Themen. Und wer immer diesen Anschlag ausgeübt hat, hat sich relevanter gemacht. Also, das muss eigentlich mehr Satire nach sich ziehen.
    Schwarz: Wie weit darf Satire gehen, wo sind die Grenzen?
    Wolff: Diese Frage höre ich öfter, und die Antwort ist immer: Satire muss Satire sein. Sie muss sich mit satirischen Mitteln äußern, da sind Thema, Geschmack und dergleichen zweitrangig. Und das sind natürlich, wenn man so will, die Waffen des Wortes und des Bildes.
    Schwarz: Aber Francois Hollande hat gerade die höchste Terrorwarnstufe, die höchste Alarmstufe ausgerufen. Das sind ja dann enorme Auswirkungen, die Satire haben kann!
    Wolff: Ja, das ist aber dann immer noch nicht die Schuld des Satirikers, sondern desjenigen, der auf Satire auf diese Art reagiert. Beziehungsweise, da kehrt man ja das Ursache-Wirkung-Verhältnis um. Nicht die Satire löst das aus, sondern die Satire reagiert auf etwas. Und wenn dann als Gegenreaktion so etwas kommt, ist das nicht die Schuld des Satirikers.
    Schwarz: Werden Sie auf den Anschlag eingehen?
    Wolff: Das wird mit Sicherheit in der einen oder anderen Form im nächsten Heft vorkommen, ja.
    Schwarz: Tim Wolff, Chefredakteur der "Titanic" über den heutigen Terroranschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo". Danke Ihnen, Herr Wolff!
    Wolff: Schönen Dank und schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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