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Toaster im All

Raumfahrt. - Eine besondere Klasse von Satelliten steht derzeit im Mittelpunkt eines Symposiums in Berlin: die Kleinsatelliten. Höchstens so groß wie ein Kühlschrank, können sie preiswert in den Orbit geflogen werden, wo sich vor allem zur Erdbeobachtung eingesetzt werden.

Von Volker Mrasek |
    Von Milli zu Mikro. Von Mikro zu Nano. Von Nano zu Pico. Nicht nur am Erdboden wird kräftig miniaturisiert und Technologie immer winziger. Auch im Weltraum.

    " Wenn wir von Picosatelliten sprechen, dann meinen wir Satelliten, die eine maximale Masse von einem Kilogramm haben. Vergleichbar mit einer Kaffeetasse. Die ist eben geringfügig kleiner nur als so ein Picosatellit."

    Der 1. April ist längst vorbei. Also muss es wohl stimmen, was Hakan Kayal behauptet. An der TU Berlin, im Institut für Luft- und Raumfahrt werden eifrig fliegende Kaffeetassen entwickelt: Satelliten in Würfelform, mit einer Kantenlänge von gerade mal zehn Zentimetern. "CubeSat" heißt das Projekt ganz treffend, also "Satellitenwürfel", und sein Leiter versichert:

    " Das sind vollständige, richtige Satelliten. Sie haben alle Subsysteme, die ein richtiger Satellit auch haben muss. Sie haben also ein Energieversorgungssystem, ein Kommunikationssystem, einen Bordcomputer, eine Nutzlast. Die Größe sagt eigentlich nichts über die Funktion aus."

    "CubeSat" zeigt, wohin die Reise in der Erdbeobachtung aus dem Weltall geht. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft immer mehr Klein- und Kleinstsatelliten die niedrigen Erdumlaufbahnen bevölkern. Sie lassen sich zügig entwickeln und bauen, mit den modernsten Instrumenten bestücken und billig ins All befördern, als Beipack bei Raketenstarts für größere Missionen.

    Die Winzlinge werden zwar nicht die heutigen, großen Umweltsatelliten wie den europäischen Envisat verdrängen, aber sie doch ergänzen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Naturkatastrophen zu erfassen. René Laufer, Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart:

    " Man sagt landläufig: Nach 90 Minuten ist ein Satellit wieder einmal um die Erde herum. Aber er ist dann ja nicht mehr über dem gleichen Punkt der Erde. Die Erde hat sich weitergedreht. Im Zweifallsfall ist er vielleicht erst einen halben Tag später wieder über dem gleichen Punkt. Mit einer Konstellation von mehreren Kleinsatelliten haben Sie teilweise nur wenige Stunden oder sogar noch kürzere Wiederholzeiten, so dass Sie über einem Gebiet, beispielsweise wo eine Naturkatastrophe stattgefunden hat, sehr, sehr schnell Bilder direkt an die Katastrophen-Leitstände und an die entsprechenden Stellen weiterleiten können."

    Bei dem verheerenden Tsunami in Südostasien vor drei Monaten ist das bereits geschehen. Da lieferte ein Schwarm von vier Mikrosatelliten die schnellsten Schadensaufnahmen von oben. Keiner der Späher wiegt mehr als hundert Kilo. Das Quartett fliegt in einer so genannten Desaster-Überwachungs-Konstellation. Es ist das erste operationelle Netzwerk von Mikrosatelliten im All. Beteiligt sind Länder wie China, Großbritannien und die Türkei.

    Multinational geht es auch beim "CubeSat"-Projekt zu. Die noch viel kleineren Picosatelliten und ihre Komponenten werden nicht nur an der TU Berlin entwickelt, sondern an insgesamt 40 Forschungsstätten weltweit. Alle halten sich an das Standard-Chassis für zukünftige Picoplattformen im All: Das ist das kleine, würfelförmige Gehäuse. Da muss laut Hakan Kayal alles rein- oder draufpassen. Unter Umständen sogar ein Motor:

    " Wir arbeiten auch an Antrieben. Einen Anbieter aus USA gibt es, der solche Antriebe bereits für Picosatelliten anbietet. Die haben dann die Größe von etwa der Hälfte einer Zigarettenschachtel. Das ist ein Kaltgas-Antrieb. Funktioniert wie ein Luftballon. Da ist kaltes Gas drin. Das ist verdichtet, in einem Tank. Da ist ein Ventil, elektrisch gesteuert. Da wird dann immer, wenn der Antrieb losgehen soll, das Ventil aufgemacht und der Satellit bewegt sich."

    An anderen Komponenten wird weiter getüftelt. Noch sind etwa Sender, Empfänger und Computerbausteine nicht so klein, dass sie in den Picowürfeln Platz finden. Doch nicht mehr lange, und die winzigen Satelliten erledigen ihre ersten Jobs im Orbit, wie Kayal glaubt. Das könnten zunächst einmal Strahlungsmessungen sein. Denn dafür bräuchte es keine allzu aufwendigen Sensoren:

    " Wenn man fragen würde, in welchem Zeitraum Picosatelliten-Missionen wissenschaftlich nutzbare Ergebnisse liefern: In ein paar Jahren, würde ich sagen, müsste es so weit sein."