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Tod am Hindukusch

Ein Hinterhalt der Taliban, keine 50 Kilometer östlich von Kabul. Über Stunden müssen sich französische ISAF-Soldaten gegen 100 Kämpfer zur Wehr setzen. Der Tag endet als der für die französischen Streitkräfte verlustreichste seit vielen Jahren. Auch früher sind am Hindukusch schon französische Soldaten gestorben. Das hat die Franzosen aber nie an dem Einsatz zweifeln lassen. Das ist jetzt anders.

Von Burkhard Birke |
    "Wir werden Sie nicht vergessen, wir haben nicht das Recht dazu!"

    Im Namen des französischen Volkes ehrte Nicolas Sarkozy die Anfang der Woche in Afghanistan gefallenen Soldaten im Hof des Invalidendoms. Der Präsident verlieh allen zehn die Würde als Ritter der Ehrenlegion. Viele Bürger erwiesen den Gefallenen, 8 davon vom Fallschirmspringerregiment aus Castres die letzte Ehre:

    "Seit 1946 gehöre ich zu den Fallschirmspringern. Ich bin hier, weil diese Soldaten doch nicht umsonst gestorben sind. Im Gegensatz zu dem was einige sagen, ist unsere Präsenz in Afghanistan nützlich!"

    Viele, längst aber nicht alle denken so wie dieser Veteran. Die Stimmen mehren sich, die das französische Engagement am Hindukusch in Zweifel ziehen.

    "Ich finde absurd, dass unsere Jungen dorthin gehen, um den Weltfrieden verteidigen und in einem Sarg zurückkehren.

    Das ist lächerlich. Wir sollten sie zurückholen. Ehrlich gesagt, sollen die sich doch untereinander bekriegen - Mein kleiner Bruder soll nach Hause kommen!"

    Der Schmerz sitzt tief. Die Nation ist zwar in der Trauer geeint, über die geeignete Afghanistanstrategie jedoch zerstritten. Unsere Soldaten müssen sich doch nicht für Uncle Sam, für die Amerikaner, umbringen lassen, äußerte sich Jean Marie Le Pen vom rechtsradikalen Front National. Wir fordern den sofortigen Abzug der französischen Truppen von diesem Militärabenteuer gegen den Terrorismus, das nichts anderes als ein Krieg um's Öl ist, hallte das Echo vom linken Flügel, aus dem Munde des Vorsitzenden der Radikal-Kommunistischen-Liga, Olivier Besancenot.

    An Abzug hatte sogar schon Nicolas Sarkozy gedacht: Da war er freilich noch Kandidat. Die langfristige Präsenz der französischen Truppen an diesem Fleck der Welt erschiene ihm nicht entscheidend, sagte Sarkozy wenige Tage, bevor die Franzosen ihn zum Präsidenten kürten! Kein Wunder also, dass die im Frühjahr verkündete und kürzlich vollzogene Aufstockung des französischen Afghanistankontingents um 700 auf 2600 Mann selbst in den eigenen Reihen etwas Verwunderung ausgelöst hatte!
    Es war Sarkozys Preis für die Annäherung an die USA und die volle geplante Rückkehr in die Strukturen einer NATO, in der Frankreichs Präsident stärker mit bestimmen will!

    Nicht Sicherheit zu gewähren, sondern zu schaffen ist mittlerweile allerdings die Aufgabe auch der französischen Truppen in Afghanistan geworden. Aller Kritik zum Trotz behauptet das Militär, gut darauf vorbereitet gewesen zu sein, verspricht aber dennoch, Lehren zu ziehen.
    Der Stabschef des Heeres Elrick Irastorza:

    "Es gibt eine Zeit für Trauer und Mitgefühl mit den Familien. Anschließend werden wir aber als Berufsarmee ganz professionell die Angelegenheit untersuchen und die Lehren ziehen."

    Das will auch Nicolas Sarkozy. Von der Einsamkeit in solchen Momenten sprach der Oberbefehlshaber anlässlich der Trauerfeier. Zu den Soldaten gewandt meinte er:

    "Ich will, dass Euren Kameraden niemals dieses Schicksal widerfährt. Alle Lehren müssen gezogen werden. Ich weiß, dass Worte in dieser Situation für die Familien der Betroffenen nur ein schwacher Trost sein können."

    Heilsame Wirkung des Schocks? Der konservative Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Guy Teissier kündigte eine Studie zur genauen Gefahreneinschätzung des Afghanistaneinsatzes an - seit Monaten hatten die oppositionellen Sozialisten diese gefordert. Vor allem jedoch verlangen führende Sozialisten ein Umdenken in der Strategie. Der frühere Verteidigungsminister Paul Quilès:

    "Für die Militäroperation in Afghanistan gibt Frankreich 300 Millionen Euro aus: Zehn Mal so viel wie für Entwicklungshilfe dort! Ohne um den heißen Brei herumzureden, schlage ich vor, die Anstrengungen im zivilen Sektor zu verstärken. Was allerdings nicht bedeuten soll, dass wir die militärischen Bemühungen einstellen.

    Eine Neugewichtung mit gezielterer Unterstützung für den zivilen Sektor, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und des Drogenhandels fordern zunehmend auch konservative Politiker, die zugeben: Wir befinden uns im Krieg!"


    Am Montag wird zunächst Verteidigungsminister Morin dem Ausschuss Rede und Antwort stehen, Ende September dann das Parlament debattieren.