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Tod durch Feinstaub
Polens Politiker entdecken die Luft als Thema

Polen hat ein Problem mit Smog. An manchen Orten ist die Luftverschmutzung sogar schlimmer als in Peking. Der Grund: Zu wenige Haushalte verfügen über eine moderne Heizung. Jetzt haben die Politiker das Thema entdeckt - und wollen das Problem endlich angehen.

Von Florian Kellermann | 27.01.2017
    Krakau ist von Smog eingehüllt.
    Krakau liegt an manchen Tagen unter einem Teppich von Smog. (picture alliance / dpa / Jacek Bednarczyk)
    Aus dem jüngsten Bericht der Weltgesundheitsorganisation geht hervor: Von den 50 am meisten von Smog betroffenen Städten in der EU liegen 33 in Polen.
    Betroffen ist vor allem der Süden. So die Stadt Rybnik. Deren Bürgermeister Piotr Kuczera griff in diesem Winter als erster zu drastischen Maßnahmen:
    "Die Normen sind drastisch überschritten. Wir haben uns an schlechte Luft gewöhnt. Aber ich appelliere an alle Bewohner, zuhause zu bleiben. Deshalb habe ich auch die Schulen vorübergehend schließen lassen. Alle sollten wir jetzt unser Augenmerk darauf lenken, dass der Smog uns alle tötet."
    Jährlich sterben über 40.000 Polen wegen Smog
    Die Messgeräte in Rybnik stellten in einer Nacht eine Feinstaubkonzentration von 1.500 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft fest - eine Luftverschmutzung noch weit schlimmer als etwa in der chinesischen Hauptstadt Peking.
    Auch in Warschau wird das Problem inzwischen ernst genommen. Mehrmals in diesem Winter konnten die Bürger kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.
    Der Hauptgrund für die hohe Belastung ist, dass viele Haushalte nicht über eine moderne Heizung verfügen. Vor allem in Einfamilienhäusern seien immer noch viele Kohleöfen im Einsatz, sagt Piotr Siergiej von der Bürgerinitiative "Polnischer Smog-Alarm":
    "Deshalb fordern wir vor allem Normen für die Qualität der verwendeten Kohle. Bisher dürfen die Bürger mit allem heizen, was wir aus der Erde fördern. Auch mit Kohle-Schlamm, einem Abfallprodukt, das in anderen europäischen Ländern entsorgt wird. Außerdem haben wir in Polen drei Millionen Kohleöfen, die keinerlei Normen entsprechen. Wir sollten sie unbedingt gegen moderne Öfen austauschen."
    Das Problem besteht seit Jahren. Wissenschaftler haben ermittelt, dass jährlich über 40.000 Polen wegen Smog sterben. Aber erst in diesem Winter sorgt das für dicke Schlagzeilen. Die Polen werden vermögender - und Umweltschutz werde für sie wichtiger, meinen Beobachter.
    Die Stadt Krakau schafft Fakten
    Die politischen Parteien haben das Thema lange ignoriert, in Wahlkämpfen spielte es bisher keine Rolle. Nun reagieren die Politiker hektisch und teilweise konfus auf die neue Stimmung in der Gesellschaft. Der Gesundheitsminister bezeichnete Smog als "ein eher theoretisches Problem". Ministerpräsidentin Beata Szydlo von der rechtskonservativen Partei PiS dagegen kündigte ein "ehrgeiziges Programm" gegen den Smog an. Entwicklungsminister Mateusz Morawiecki führte aus:
    "Das Kabinett hat sich für eine wichtige Maßnahmen entschieden. Eine Verordnung soll die Qualität der Öfen regeln, die verkauft werden. Wir wollen auch Elektroautos fördern und Häuser besser dämmen lassen."
    So reagierte die Regierung auf die Vorstöße der Opposition in den vergangenen Wochen. Am weitesten ging die rechtsliberale "Bürgerplattform". Sie fordert, dass Polen jährlich ein halbes Prozent des Bruttoinlandsproduktes für saubere Luft ausgibt.
    Während die Politiker in der Hauptstadt noch Vorschläge machen, hat das Parlament der Region Kleinpolen, zu der Krakau gehört, vor wenigen Tagen Fakten geschaffen. Schon in zweieinhalb Jahren solle es in Krakau keine einzige Heizung mit Kohle- oder Holzbefeuerung mehr geben, sagt der Krakauer Bürgermeister Jacek Majchrowski:
    Zu große Angst vor Lobbyisten
    "Das ist ein historischer Beschluss. Für ihn haben auch Abgeordnete gestimmt, die früher entschieden dagegen waren, die Heizungen in unserer Stadt zu erneuern. Jetzt appellieren wir an das Parlament in Warschau, dass es etwas unternimmt, um auch den Ausstoß von Emissionen im individuellen Personenverkehr zu begrenzen."
    Einen Punkt jedoch sparen alle Parteien bei der Debatte aus: Dass Polen einen Großteil seines Stroms aus Kohle gewinnt, will keine politische Formation ändern. Zu groß ist die Angst vor der Lobby der Bergarbeiter und vor teurerem Strom.