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Tod im Winter

Zoologie.- Papageientaucher sind bestens an das raue Nordmeer angepasst. Die Vögel kommen nur im Frühsommer an Land, wo sie brüten und ihre Jungen aufziehen. Doch viele kommen seit einigen Jahren nicht mehr dorthin zurück. So ist die größte britische Papageientaucher-Kolonie auf der schottischen Insel May dramatisch geschrumpft.

Von Michael Stang | 16.02.2010
    Seit den 1970er-Jahren beobachtet Michael Harris Papageientaucher in England und Schottland. Da viele Tiere eine Lebenserwartung von 25 Jahren haben, kennt der Biologe vom britischen Zentrum für Ökologie und Gewässerkunde einige der von ihm beringten Tiere seit Jahren. Im Frühjahr, wenn die bis zu 35 Zentimeter großen Vögel von ihrer langen Winterreise auf dem offenen Meer zurückkommen, vermisst und wiegt er sie. Doch seit einigen Jahren kehren immer weniger heim.

    "In den vergangenen Jahren sind sehr viele Papageientaucher gestorben, die im Frühjahr im Osten Großbritanniens brüten. Deshalb wollten wir herausfinden, wohin sie im Winter ziehen, weil sie überwiegend in dieser Zeit sterben."

    Trotz jahrzehntelanger Beobachtung konnte Michael Harris nicht klären, wohin die Papageientaucher von August bis April fliegen. Im Gegensatz zur Brutsaison, wo Abertausende Paare dicht bei dicht brüten, ziehen die Papageientaucher im Winter alleine los. Um die Flugrouten nachzuvollziehen, bestückte er die Ringe einiger Tiere mit einem 1,5 Gramm schweren Sender.

    "Wir hatten Sender an 50 Vögeln angebracht, von denen aber nur 14 im Frühjahr zurückgekommen sind, auch vergangenes Jahr starben also wieder viele Tiere. Wir waren davon ausgegangen, dass die meisten Papageientaucher den Winter in der Nordsee verbringen, aber zehn der zurückgekehrten Vögel sind bis in den Norden Schottlands geflogen und haben einige Zeit im Atlantik verbracht."

    Die Rückkehrer hatten jedoch keinen guten Winter erlebt: einige Papageientaucher kamen erst später als erwartet, andere untergewichtig zurück. Dass einige der Vögel den weiten Weg bis in den Atlantik auf sich genommen haben, geht Harris zufolge vor allem mit einem Nahrungsmangel einher. Dieser hat vermutlich zwei Ursachen: Zum einen ist das Meerwasser wärmer geworden, was die Anzahl und Verteilung der Fische, Krebse und Kalmare verändert hat, die Papageientaucher vornehmlich fressen. Zum anderen schränkt die massive Fischerei den Speiseplan stark ein. Dadurch müssen die Vögel immer größere Strecken fliegen. Einige der untersuchten Tiere hatten mehr als 3000 Kilometer zurückgelegt. Eine endgültige Erklärung, warum die Zahl der Papageientaucher in den vergangenen Jahren so weit zurückgegangen ist, kann Michael Harris aber noch nicht geben.

    "Es ist so ähnlich wie beim Klimawandel, man braucht über viele Jahre Daten, um das Szenario zu verstehen, wir sind da erst am Anfang. Immerhin ist die Population in diesem Winter nicht weiter zurückgegangen. Wir haben jetzt noch mehr Sender da draußen. Nun können wir sehen, ob die Papageientaucher auch in normalen Wintern die Nordsee verlassen. Wir müssen wissen, wohin sie fliegen und was sie fressen. Dann wissen wir hoffentlich auch, warum in den vergangenen Jahren so viele von ihnen gestorben sind."

    Möglicherweise sind die eigentlich optimal an das raue Nordmeer angepassten Papageitaucher eine der ersten Arten, die extrem unter dem Klimawandel leiden.