"Man sagte, dass die Wellen teilweise über 20 Meter hoch waren. Die Besatzung, die wussten gar nicht, was sie machen sollten. Die Mannschaft versuchte, sich am Großmast zu versammeln als Halt und Hilfe. Das weiß man von Augenzeugen, die das damals gesehen und erlebt haben. Am 24. Dezember standen ungefähr 130 Menschen am Großmast. Da kam eine große Welle, und alle waren weg. Und man sagt, von den Augenzeugen, am 25. Dezember gab es keinen Schrei mehr von St. George."
Doch nicht nur die St. George, auch ein zweites Schiff, die "Defense" war gestrandet und untergegangen. Die St. George hatte sich länger halten können. Die Strandung in Thorsminde war bereits die zweite. Die erste erfolgte am Roten Sand. Dort verlor das Schiff sein Steuerruder.
"Man brachte drei Anker aus, um somit das Schiff möglichst gegen den Wind zu legen; Kommandeur Gillon und Konter-Admiral Reynolds. Leider Gottes ging dadurch das Notruder verloren. Wenn die St. George wieder los gekommen wäre, wäre sie ohne Ruder gewesen, also verloren."
Ihr Untergang war also nur noch eine Frage der Zeit. Hilflos mussten die Fischer vom Ufer aus zuschauen, nur 200 Meter entfernt. Gegen die tosende See mit ihren haushohen Wellen hatten ihre Boote keine Chance. Für 1400 Menschen wurde die Küste vor Westjütland zum nassen Grab. Im Strandungsmuseum von Thorsminde gibt es in einem Glaskasten ein Modell des Schiffes mit seinen drei Kanonendecks, den kunstvollen Schnitzereien am Heck, und Lars Frober Mortensen versucht, das Geschehen von jenem 24. Dezember 1811 zu erklären.
"Es war die größte Katastrophe, die hier an der Westküste passiert ist."
Ein großes 65 Meter langes und prächtiges Schiffe, die Großmasten höher als das Schiff lang war, geschätzte 80 Meter: Im Strandungsmuseum sind rund 7000 Fundstücke der St. George ausgestellt. Kanonen, 1,5 Tonnen schwer, liegen auf dem Boden, Teile von Schiffsplanken, Nägel, fast einen Meter lang, sind in einer Vitrine zu sehen, Ankertrossen aus Hanf geflochten; Dinge, die leblos sind und doch das Leben an Bord lebendig werden lassen
"Viele von diesen Gegenständen hatten einen persönlichen Ausdruck. Es gibt ja Initialen von den Besitzern."
B.A. lautet eine. Die beiden Buchstaben stehen auf dem Boden einer kleinen Keramikschale. Die ist orangefarben bemalt mit grünen Streifen, gelben, braunen Muster, und ist aus vielen Scherben zusammengesetzt.
"Und wir kennen den Mann. Das ist Benjamin Anderson und er war ein schwedischer Seemann, der auf dem Schiff war."
Dieser Benjamin Anderson war Lotse auf dem Schiff, als es in Göteborg auslief. Weil die Zeit knapp war, verzichtete das Kommando darauf, ihn zurück an Land zu bringen. Es kostete ihn sein Leben. Eigentlich sollte er von England wieder nach Hause nach Schweden reisen.
"Er ist auch hier in den Dünen begraben."
18 Jahre wurde er alt. Neben seiner Keramikschale liegen verbeulte Zinnteller.
"Die Zinnteller gehörten alle Leuten, die umgekommen sind. Man hatte die Mannschaftslisten von der St. George und der Devense von August 1811. Bedingt durch die Mannschaftslisten kann man ungefähr auflisten, wem welcher Teller zuzuschreiben ist."
Die Namenslisten stehen jetzt in weißer Schrift auf langen pastellfarbenen Stoffbahnen, die fast von der Decke des Museums bis zum Fußboden reichen. Namen von Seeleuten und Soldaten aus Irland, Ostindien, Schottland, Dänemark, Martinique, Senegal, Norwegen, Ungarn, British Columbia, Barbados, Deutschland, Frankreich, Italien, Jamaika, Portugal, Amerika, Schweden. Viele von ihnen waren in den Dienst gepresst worden.
"Die Engländer gingen in die Kneipen, machten die Seeleute von anderen Schiffen besoffen und schleppten sie auf ihre Schiffe. Wenn jemand einen Schilling auf die Hand bekam und er hat den behalten, dann gehörte er dazu. Das war die Bezahlung."
England hatte vorher viele Schiffe und deren Besatzung verloren. Um den Verlust auszugleichen, wurden Männer aus anderen Ländern auf die Schiffe verschleppt. So waren insgesamt 22 verschiedene Nationalitäten an Bord. Deren Leben war nicht unbedingt komfortabel, zumindest nicht für die Soldaten oder Matrosen
"Hier sind die Zeichnungen von dem Plan, wie man geschlafen hat. Hier auf dem untersten Kanonendeck: Es gibt hier eine Zeichnung, da sieht man genau, wie die Hängematten angebracht waren. Wie die Leute geschlafen haben, wie die Sardinen in der Dose."
Vor einem waren jedoch alle 800 Besatzungsmitglieder gleich, egal, ob Mannschaftsmitglied oder Offizier - vor dem Arzt des Schiffes. Dessen Instrumente müssen richtiger als Werkzeuge bezeichnet werden, und sein Koffer hat mehr Ähnlichkeit mit dem eines Schiffs-Zimmermanns. Erschwerend kam hinzu, dass die St. George ein Kriegsschiff war, also mehr und schwerere Verletzungen von ihm behandelt werden mussten:
"Deshalb sind hier in der Ausstellung auch Holzbeine zu sehen. So wurde eben einfach der Fuß amputiert, und dann gab es ein Stück Holz dafür. Man sieht hier Säge und Meißel. Wenn man erst bis zum Knochen gekommen ist, musste es schnell gehen. Und dann hatte man eben scharfe Werkzeuge. Deshalb sind auch Rollen mit Seidenband dabei. Das hat man gebraucht, um die Blutungen zu stoppen. Für gebrochene Knochen, gebrochene Beine, sind auch Schienen zu sehen."
Die Frage nach Äther oder anderen Möglichkeiten, die Patienten zu betäuben, beantwortet Lars ohne einen Moment zu zögern:
"Nein, das gab es nicht. Es wurde gearbeitet bis der Patient besinnungslos wurde vor Schmerzen. Man weiß auch den Namen des Arztes, denn man hat seinen Stempel gefunden."
John Cleeland hieß er und liegt ebenfalls auf dem Grund vor Thorsminde. Auch sein Leben wurde durch einen Zufall beendet.
"Er reiste nur als Vertreter des eigentlichen Arztes auf der St. George. Der eigentliche Arzt, der sonst an Bord der St. George war, war auf Weihnachtsurlaub."
Als John Cleeland starb, war er Mitte 30. Das jüngste Besatzungsmitglied war elf Jahre; ein Kind noch, doch Kinderarbeit war damals üblich, in einer Fabrik, auf dem Feld oder eben auf einem Kriegsschiff. Vielleicht gehörte einer der hier ausgestellten Schuhe diesem Kind, der, dessen Sohle ein Loch hat oder der, wo die Spitze durchbohrt ist? Es sind viele Fragen, die sich stellen angesichts der geborgenen Gegenstände. Je mehr es sind, desto mehr Fragen werfen sie auf.
"Das Schiff war ja gleichzeitig auch Repräsentation für England und entsprechend reich ausgestattet in den Bereichen der Offiziere und des Kapitäns vor allen Dingen. Dieser Kronleuchter, den man gefunden hat, den man zusammengebaut hat zum größten Teil, das war reiner Luxus, und es war eine Glasarbeit aus Schweden."
Die Katastrophe am 24. Dezember ist übrigens im wörtlichen Sinne eingeläutet worden:
"Als Alarm hat man die Glocke benutzt, nicht die Trommel, die hier zu sehen ist. Der Glockenton war durchdringender."
Die Glocke der St. George läutet übrigens wieder - in einer Kirche, die seit 1877 rund 50 Kilometer entfernt in der kleinen Ortschaft No steht. Am Weihnachtsabend erklingt sie um 15 Uhr.
Doch nicht nur die St. George, auch ein zweites Schiff, die "Defense" war gestrandet und untergegangen. Die St. George hatte sich länger halten können. Die Strandung in Thorsminde war bereits die zweite. Die erste erfolgte am Roten Sand. Dort verlor das Schiff sein Steuerruder.
"Man brachte drei Anker aus, um somit das Schiff möglichst gegen den Wind zu legen; Kommandeur Gillon und Konter-Admiral Reynolds. Leider Gottes ging dadurch das Notruder verloren. Wenn die St. George wieder los gekommen wäre, wäre sie ohne Ruder gewesen, also verloren."
Ihr Untergang war also nur noch eine Frage der Zeit. Hilflos mussten die Fischer vom Ufer aus zuschauen, nur 200 Meter entfernt. Gegen die tosende See mit ihren haushohen Wellen hatten ihre Boote keine Chance. Für 1400 Menschen wurde die Küste vor Westjütland zum nassen Grab. Im Strandungsmuseum von Thorsminde gibt es in einem Glaskasten ein Modell des Schiffes mit seinen drei Kanonendecks, den kunstvollen Schnitzereien am Heck, und Lars Frober Mortensen versucht, das Geschehen von jenem 24. Dezember 1811 zu erklären.
"Es war die größte Katastrophe, die hier an der Westküste passiert ist."
Ein großes 65 Meter langes und prächtiges Schiffe, die Großmasten höher als das Schiff lang war, geschätzte 80 Meter: Im Strandungsmuseum sind rund 7000 Fundstücke der St. George ausgestellt. Kanonen, 1,5 Tonnen schwer, liegen auf dem Boden, Teile von Schiffsplanken, Nägel, fast einen Meter lang, sind in einer Vitrine zu sehen, Ankertrossen aus Hanf geflochten; Dinge, die leblos sind und doch das Leben an Bord lebendig werden lassen
"Viele von diesen Gegenständen hatten einen persönlichen Ausdruck. Es gibt ja Initialen von den Besitzern."
B.A. lautet eine. Die beiden Buchstaben stehen auf dem Boden einer kleinen Keramikschale. Die ist orangefarben bemalt mit grünen Streifen, gelben, braunen Muster, und ist aus vielen Scherben zusammengesetzt.
"Und wir kennen den Mann. Das ist Benjamin Anderson und er war ein schwedischer Seemann, der auf dem Schiff war."
Dieser Benjamin Anderson war Lotse auf dem Schiff, als es in Göteborg auslief. Weil die Zeit knapp war, verzichtete das Kommando darauf, ihn zurück an Land zu bringen. Es kostete ihn sein Leben. Eigentlich sollte er von England wieder nach Hause nach Schweden reisen.
"Er ist auch hier in den Dünen begraben."
18 Jahre wurde er alt. Neben seiner Keramikschale liegen verbeulte Zinnteller.
"Die Zinnteller gehörten alle Leuten, die umgekommen sind. Man hatte die Mannschaftslisten von der St. George und der Devense von August 1811. Bedingt durch die Mannschaftslisten kann man ungefähr auflisten, wem welcher Teller zuzuschreiben ist."
Die Namenslisten stehen jetzt in weißer Schrift auf langen pastellfarbenen Stoffbahnen, die fast von der Decke des Museums bis zum Fußboden reichen. Namen von Seeleuten und Soldaten aus Irland, Ostindien, Schottland, Dänemark, Martinique, Senegal, Norwegen, Ungarn, British Columbia, Barbados, Deutschland, Frankreich, Italien, Jamaika, Portugal, Amerika, Schweden. Viele von ihnen waren in den Dienst gepresst worden.
"Die Engländer gingen in die Kneipen, machten die Seeleute von anderen Schiffen besoffen und schleppten sie auf ihre Schiffe. Wenn jemand einen Schilling auf die Hand bekam und er hat den behalten, dann gehörte er dazu. Das war die Bezahlung."
England hatte vorher viele Schiffe und deren Besatzung verloren. Um den Verlust auszugleichen, wurden Männer aus anderen Ländern auf die Schiffe verschleppt. So waren insgesamt 22 verschiedene Nationalitäten an Bord. Deren Leben war nicht unbedingt komfortabel, zumindest nicht für die Soldaten oder Matrosen
"Hier sind die Zeichnungen von dem Plan, wie man geschlafen hat. Hier auf dem untersten Kanonendeck: Es gibt hier eine Zeichnung, da sieht man genau, wie die Hängematten angebracht waren. Wie die Leute geschlafen haben, wie die Sardinen in der Dose."
Vor einem waren jedoch alle 800 Besatzungsmitglieder gleich, egal, ob Mannschaftsmitglied oder Offizier - vor dem Arzt des Schiffes. Dessen Instrumente müssen richtiger als Werkzeuge bezeichnet werden, und sein Koffer hat mehr Ähnlichkeit mit dem eines Schiffs-Zimmermanns. Erschwerend kam hinzu, dass die St. George ein Kriegsschiff war, also mehr und schwerere Verletzungen von ihm behandelt werden mussten:
"Deshalb sind hier in der Ausstellung auch Holzbeine zu sehen. So wurde eben einfach der Fuß amputiert, und dann gab es ein Stück Holz dafür. Man sieht hier Säge und Meißel. Wenn man erst bis zum Knochen gekommen ist, musste es schnell gehen. Und dann hatte man eben scharfe Werkzeuge. Deshalb sind auch Rollen mit Seidenband dabei. Das hat man gebraucht, um die Blutungen zu stoppen. Für gebrochene Knochen, gebrochene Beine, sind auch Schienen zu sehen."
Die Frage nach Äther oder anderen Möglichkeiten, die Patienten zu betäuben, beantwortet Lars ohne einen Moment zu zögern:
"Nein, das gab es nicht. Es wurde gearbeitet bis der Patient besinnungslos wurde vor Schmerzen. Man weiß auch den Namen des Arztes, denn man hat seinen Stempel gefunden."
John Cleeland hieß er und liegt ebenfalls auf dem Grund vor Thorsminde. Auch sein Leben wurde durch einen Zufall beendet.
"Er reiste nur als Vertreter des eigentlichen Arztes auf der St. George. Der eigentliche Arzt, der sonst an Bord der St. George war, war auf Weihnachtsurlaub."
Als John Cleeland starb, war er Mitte 30. Das jüngste Besatzungsmitglied war elf Jahre; ein Kind noch, doch Kinderarbeit war damals üblich, in einer Fabrik, auf dem Feld oder eben auf einem Kriegsschiff. Vielleicht gehörte einer der hier ausgestellten Schuhe diesem Kind, der, dessen Sohle ein Loch hat oder der, wo die Spitze durchbohrt ist? Es sind viele Fragen, die sich stellen angesichts der geborgenen Gegenstände. Je mehr es sind, desto mehr Fragen werfen sie auf.
"Das Schiff war ja gleichzeitig auch Repräsentation für England und entsprechend reich ausgestattet in den Bereichen der Offiziere und des Kapitäns vor allen Dingen. Dieser Kronleuchter, den man gefunden hat, den man zusammengebaut hat zum größten Teil, das war reiner Luxus, und es war eine Glasarbeit aus Schweden."
Die Katastrophe am 24. Dezember ist übrigens im wörtlichen Sinne eingeläutet worden:
"Als Alarm hat man die Glocke benutzt, nicht die Trommel, die hier zu sehen ist. Der Glockenton war durchdringender."
Die Glocke der St. George läutet übrigens wieder - in einer Kirche, die seit 1877 rund 50 Kilometer entfernt in der kleinen Ortschaft No steht. Am Weihnachtsabend erklingt sie um 15 Uhr.