Mittwoch, 08. Mai 2024

Archiv


Todesfalle für Bakterien

Amerikanische Forscher glauben, ein neues Antibiotikum gefunden zu haben. Es gelang ihnen, gefährliche Bakterien mit kleinen ringförmigen Molekülen - sogenannten Peptiden - zu töten. Solche Peptide sind aus der Natur bereits bekannt. Allerdings waren sie bislang für den Einsatz als Medikament beim Menschen zu groß. Sie gelangten nicht schnell genug an den Ort einer Infektion. Die Forschern haben jetzt besonders kleine für Bakterien tödliche Ringe entwickelt. Im Tierversuch erwiesen sich die Peptide als sehr erfolgreich. Die Hoffnung ist, bald schon ein Antibiotikum zu besitzen, gegen das krank machende Bakterien nicht so schnell unempfindlich - also resistent werden.

Anja Paumen | 31.07.2001
    Peptide so heißen die kleinen, runden Eiweißstoffe, auf denen jetzt die Hoffnung ruht, die neue Generation von Antibiotika zu werden. Sie töten die Bakterienzellen, während sie menschliche Zellen nicht angreifen. Und sie gehören zu den wenigen antibiotischen Substanzen, die vollsynthetisch hergestellt werden können. Resistenzen sollten sich daher nicht so schnell entwickeln. Klingt verlockend! Doch auch Penicillin, das Ur-Antibiotikum schlecht hin, war nicht das erhoffte Allheilmittel, gibt Professor Hans-Georg Sahl vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Bonn zu bedenken:

    Ursprünglich war Penicillin ein Stoff, wie er in der Natur gefunden wurde. Penicillin hat nur kurze Zeit gewirkt. Und dann haben die Chemiker angefangen diese Substanzen zu modifizieren.

    Und das machen sie heute noch. So sind die meisten heute zugelassenen Antibiotika im Labor veränderte Naturstoffe. Die neuen Peptide sind sogar vollständig künstlich entworfen worden. Es sind kurze Eiweißmoleküle, die Bakterien abtöten. Sie lagern sich dazu an die Zellwände der Bakterien an und durchstoßen sie. Die Zellwand wird löchrig und die Bakterien laufen praktisch aus. Peptide als Antibiotika haben aber auch Nachteile:

    Peptide sind meistens auch, das sie normale Eiweißstoffe sind, auch gegenüber Proteasen anfällig und können dadurch relativ leicht inaktiviert werden.

    Doch die amerikanische Forscher um Professor Reza Ghadiri vom Scripps Instiute in San Diego, Kalifornien, haben dieses Probleme anscheinend gelöst. Denn ihre antibiotischen Peptide sind teilweise mit chemischen Bausteinen hergestellt, die in der Natur gar nicht vorkommen. Dadurch können die eiweißspaltenden Proteasen sie auch nicht vorzeitig zerlegen. Professor Sahl weist aber auch auf einen Nachteil hin:

    Das führt dazu, dass sie diese Peptide nicht mehr biosynthetisch machen können. Dann müssen sie also immer die Peptidchemie machen. Und die ist für die Produktion großer Mengen heute noch viel zu teuer. Da können sie immer nur ein paar Milligramm machen. Damit kommen sie aber nicht weit, wenn Sie die anwenden wollen, dann brauchen sie ja Tonnen langfristig.

    Aber soweit ist es noch nicht. Die Peptide haben gerade erst mal ihre Feuertaufe bestanden. Denn sie können sowohl Bakterien im Reagenzglas als auch solche im Körper von Mäusen effektiv abtöten. Und zwar auch gerade solche Bakterien, die schon resistent geworden sind gegen die üblichen Antibiotika. Wie dies etwa bestimmte Staphylokokken-Stämme sind, die eine Blutvergiftung auslösen können. Daher sieht Professor Sahl durchaus ein Potential in den neuen Peptiden:

    Unterm Strich würde ich sagen hat man ne Substanzgruppe jetzt zum ersten Mal definiert auf der man aufbauen kann und sehr viel - sagen wir mal - Entwicklungsarbeit leisten kann, die durchaus vielsprechende ist. In der vorliegenden Form sind die sicherlich nicht geeignet als Antibiotika eingesetzt zu werden.

    Verbesserungswürdig ist auf jeden Fall noch die Stärke der Wirkung. Im Moment sind die Peptide noch so schwach, dass sie in großen Mengen verabreicht werden müssen. Und zwar in solchen Dosen, die für den Menschen giftig sind. Und nach Meinung des Mikrobiologen Sahl ist eine Lösung für das Problem der resistenten Bakterien erst recht nicht in Sicht - weder mit diesen Substanzen noch mit anderen. Schon oft glaubte man die Bakterien ausgetrickst zu haben, doch selbst mit vollsynthetischen Substanzen können die Keime umgehen:

    Es gibt diese eine Substanzgruppe, die voll künstlich ist. Die ist von der Chemie her einfach zu machen, d.h. die kann man relativ einfach in großen Mengen herstellen. Und weil sie vollsynthetisch ist, die Natur sie also nie gemacht hat konnte man davon ausgehen, dass es in der Natur keine natürlichen Resistenzmechanismen. Man hat gedacht, dass würde dazu führen, dass es gegen dieses Substanzen nie Resistenzen geben würde. Das war aber ein grober Fehlschluss. Es hat also fünf Jahre gedauert, dann gab es Resistenzen.

    Denn sobald neue Stoffe in den natürlichen Kreislauf eingebracht werden, verändert sich das Gleichgewicht. Und das führt dazu, dass gerade das Aufkommen von resistenten Bakterien gefördert wird. Er schlägt daher einen ganz anderen Weg vor:

    Die Kunst wird darin bestehen, dass man sich weltweit Konzepte überlegt, wie man Therapieschemata aufbaut, die dann auch von allen eingehalten werden, bei denen man z.B. verschiedene Antibiotika mit unterschiedlichen Mechanismen alternierend einsetzt etc. Also der kluge Gebrauch wird letztlich darüber entscheiden ob wir, dass wir die Resistenzproblematik einigermaßen in den Griff kriegen.

    Bis dahin wird die Suche nach besseren Antibiotika weitergehen. Und jede neue Substanz wird hochwillkommen sein, die gegen resistente Erreger wirksam ist.