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Tödliche Fehlfunktion

Medizin. - "Spinale Muskelatrophie" heißt eine der häufigsten Erbkrankheiten, an denen eines von 10.000 Neugeborenen leidet. Schon seit einiger Zeit ist das verantwortliche Gen bekannt, jetzt haben Forscher des Berliner Universitätsklinikums Charité ein Gen entdeckt, dass eine besonders aggressive Form dieser Krankheit verursacht.

    Kinder mit spinaler Muskelatrophie verlieren langsam die Kontrolle über ihre Muskeln, weil im Rückenmark die Zellen zugrunde gehen, die die Bewegungsimpulse an das periphere Nervensystem weitergeben. Bei manchen Patienten verläuft die Krankheit so moderat, dass sie ein fast normales Leben führen können, Es gibt allerdings auch die sehr aggressive Form SMARD-1, die innerhalb von nur acht bis zehn Wochen zum Tod führt. "Die Kinder können kaum ihre Arme und Beine richtig bewegen und leiden unter zunehmender Atemschwäche. Schwere Atemnot ist dann auch die Ursache für ihren frühen Tod", berichtet Katja Grohmann von der Charité.

    Diese Kinder haben in beiden Sätzen, aus denen ihr Erbgut besteht, ein defektes Gen mit dem Namen IGHMBP-2. Das ist schon früher beschrieben worden, allerdings hat Grohmann erstmals den Zusammenhang mit SMARD-1 hergestellt. Die genaue Funktion von IGHMBP-2 ist nicht bekannt, die Berliner Genetikerin vermutet allerdings, dass es eine ähnliche Aufgabe erfüllt, wie das Gen, das für die klassische spinale Muskelatrophie verantwortlich ist. "Das ist ein so genanntes Haushaltsgen, das in allen Zellen dafür sorgt, dass der Apparat die Erbinformation richtig abliest und umsetzt", vermutet die Ärztin.

    Die Frage ist jetzt, warum dieses Gen diese tödliche Wirkung entfaltet. Die Fachleute vermuten, dass die Verschaltung der Nervenzellen im Rückenmark ein so komplexer Prozess ist, dass auch die kleinste Einschränkung der normalen Funktion gravierende Auswirkungen hat. Eine Therapie kann die Entdeckung nicht ermöglichen, allerdings erschließt sie Familien, in denen ein solcher Fall bereits aufgetreten ist, die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Gendiagnostik. Dafür untersucht die Ärztin zunächst das Erbgut des verstorbenen Kindes, indem sie beispielsweise die Blutprobe aus der Geburtsakte heranzieht. "Wir können dann bei dem heranwachsenden neuen Fetus überprüfen, ob dieser auch die Mutation trägt oder nicht."

    [Quelle: Volkart Wildermuth]