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Tödliche Schande

Sie hießen Nazir, Naile, Harun oder Morsal - sie waren 16, 17, 20 und 23 Jahre alt. Und sie wurden allesamt Opfer von sog. Ehrenmorden - ob in Diyarbakir oder Istanbul, Paris oder London, Berlin oder Hamburg: Sie wurden ermordet von ihren Brüdern oder Vätern, von engsten Verwandten - weil sie nicht die Männer heiraten wollten, die ihre Familien für sie vorgesehen hatten.

    Weil sie sich verliebt hatten, aber ihre Wunschpartner nicht lieben durften. Weil ihr Lebensstil zu westlich war und sie ein selbstbestimmtes Leben führen wollten. Weil sie vor der Ehe oder nebenher ein Verhältnis hatten. Oder weil sie vergewaltigt worden waren und das Verbrechen vertuscht werden sollte. Jedenfalls hatten sie die Ehre ihrer Familien verletzt und wurden dafür umgebracht - ihr Tod sollte die Schande ungeschehen machen.

    Laut einer UNO-Studie werden weltweit jährlich 5000 Mädchen und Frauen ermordet, weil sie durch ihr Verhalten gegen diesen traditionellen Moral- und Sittenkodex verstießen. Die Dunkelziffer liegt jedoch viel, viel höher - niemand weiß, wie viele Frauen und Mädchen tatsächlich diesem archaischen Verständnis von Ehre zum Opfer fallen, das immer noch viele patriarchalische Gesellschaften prägt. In der islamisch-arabischen Welt. Aber auch in Asien.

    Doch langsam wächst das Bewusstsein für die Qualen, die junge Mädchen und Frauen im Namen der Ehre aushalten müssen. In ihren Herkunftsländern, aber auch in ihrer neuen Heimat in Europa. Zum Beispiel in Großbritannien, wo der Anteil an Zuwanderern besonders groß ist. Offiziell werden dort Jahr für Jahr zwölf Ehrenmorde registriert. Weshalb es mittlerweile auch im mittelenglischen Derby eine Organisation gibt, die Frauen und Mädchen in Not weiterhilft.


    Zwangsheirat und Ehrenmord - die Hilfsorganisation Karma
    Nirwana und der Kampf gegen die Unbarmherzigkeit
    Verlassene Fabrikhallen, eine Unkrauthalde, halbfertige Neubauten. Früher war Derby ein blühendes Industriezentrum, deswegen kamen viele Migranten aus Pakistan hierher, um in Gießereien und Textilfabriken zu arbeiten. Heute wirkt die Stadt müde und erschöpft. Eine Bingohalle, ein Einkaufszentrum. Billige Schuhläden. Vor dem Arbeitsamt lehnen gelangweilte Jugendliche., eine halbe Meile weiter, stadtauswärts, in Normanton, beginnt eine andere Welt: Curryshops, Take Aways, bunte Kleiderläden. Und ein unauffälliger Neubau, das Communityzentrum.

    Karma Nirvana, steht auf einem bunten Poster, wir haben überlebt. Dem Betrachter lächeln 14 südasiatische Gesichter entgegen. Zehn Frauen, vier Männer. Darunter eine Telefonnummer und der Appell: An alle, die im Namen der Ehre missbraucht oder zur Heirat gezwungen wurden. Wir können helfen

    "Hast du Verwandte, denen zu vertrauen kannst? Kennst du jemanden in Newcastle?"

    Shazia Khayam, 28, eine britische Muslimin aus Birmingham. Eine zierliche Frau mit einem weichen ausdrucksvollen Gesicht. Sie arbeitet nun schon seit vier Jahren bei Karma Nirvana. Bedient die Helpline, beantwortet Emails, und berät hunderte verzweifelter Besucherinnen.

    Die Anrufe kommen aus ganz Großbritannien. Aus den Niederlanden, aus Kanada, aus Pakistan. Zumeist sind es Frauen, zumeist südasiatischer Herkunft. Die jüngsten sind elf, zwölf Jahre alt. Zwei Drittel Musliminnen, ein Drittel Hindus, ein Drittel Sikhs.

    "Mach ihm auf keinen Fall die Tür auf. Und geh nicht ans Telefon. Nein, das was du machst ist nicht unislamisch. Das was deine Eltern machen, verstößt gegen den Koran."

    Gehorsam, Pflicht, Ehre, und Schande. Es geht immer wieder um dieselben Schlagworte der Unbarmherzigkeit. Shazia kennt den Kanon der Beschuldigungen aus eigener Erfahrung.

    " Ich hab schon sehr früh verstanden was Ehre bedeutet. Ich war zwölf, als meine beste Freundin ermordet wurde. Sie hieß Samina Nawaz. Sie war 13 Jahre alt. "

    Das Drama geschah vor 16 Jahren. Es hat sich tief in ihrer Seele eingegraben.

    "Wir hatten einen halben Tag schulfrei und gingen mit einer Freundin in den Park, wie so viele andere Kinder auch. Aber wir hatten unseren Eltern nicht Bescheid gegeben, und als uns Saminas Verwandter sah, rannte er zu ihrem Vater: Deine Tochter beschmutzt die Ehre eurer Familie, weil sie nicht in der Schule ist, wie sich's gehört."

    Saminas Vater zerrte seine Tochter an den Haaren aus dem Park. In panischer Angst rannte Shazia zur Schule: "Tut etwas, ihr Leben ist in Gefahr". Aber es war zu spät. Als sie heimkam, war Saminas Straße abgeriegelt. Saminas Vater hatte seine ganze Familie erschossen: erst seine Frau weil sie Samina schützen wollte. Dann Yasmina, ihre 17-jährige Schwester, dann Samina und schließlich sich selbst.

    "Da sah ich, wie das Leben südasiatischer Frauen vom Begriff Ehre geprägt ist: auf ihren Schultern lastet die Ehre der ganzen Familie."

    Shazia geht zu ihrem Schreibtisch und blättert durch einen dicken Stapel Notizen. Jeden Tag spricht sie mit Dutzenden von Frauen. Oft erzählt sie ihnen ihre eigene Geschichte, will damit sagen: auch ihr könnt euer Leid überleben, so wie ich.

    "Ich war 15, und steckte mitten in den Prüfungen. Eines Tages kam ich von der Schule heim, da hielt mir meine Mutter ein Foto vor die Nase: hier, diesen Cousin in Pakistan, den wirst du heiraten. Nein sagen hat keinen Zweck. Dann nehmen wir dich von der Schule."

    Shazia sagte nein. Immer wieder. Sie glaubte einfach nicht, dass ihre Eltern ihre Drohung wahrmachen würden. Schließlich war sie noch im schulpflichtigen Alter. Ihre Eltern würden sich strafbar machen.

    Aber dann baten ihre Eltern einen Freund der Familie um einen kleinen Gefallen: er war Arzt in der asiatischen Gemeinschaft. Und er schrieb Shazia krank. Ohne, dass er sie persönlich zu Gesicht bekommen hätte.

    "Ich war ein Jahr lang zuhause eingesperrt. Ich hatte keinerlei Kontakt zur Außenwelt und wurde auf Schritt und Tritt bewacht. Die Schule meldete sich kein einziges Mal. Einmal kam eine Freundin vorbei. Meine Eltern sagten, ich sei in Pakistan. Aber ich war eigensinnig und sagte auch nach einem Jahr hartnäckig nein."

    Erst mit 16 wurde Shazia in die Freiheit entlassen. Sie durfte sogar arbeiten: erst in einer Fabrik, dann in einer Rezeption. Ihren Schulabschluss durfte sie allerdings nicht nachholen. Das Thema Heiraten wurde nicht mehr angeschnitten. Ein Jahr später schlugen ihre Eltern eine Reise nach Pakistan vor. Shazia freute sich darauf das Heimatland ihrer Eltern kennenzulernen, und ihre Großeltern und Verwandten zu treffen.

    "Nach zwei Wochen begannen um mich herum plötzlich Heiratsvorbereitungen. Als ich fragte, wer ist denn die Braut, sagten sie du. Wenn du nein sagst, musst du für immer in Pakistan bleiben. Wir war, als würde mir der Boden unter meinen Füßen weggezogen. Ich konnte es nicht fassen, dass mich meine eigenen Eltern so verraten würden."

    Shazia deutet auf ein Posten über ihrem Schreibtisch: "Was ist eine Zwangsheirat?" steht dort in dicken roten Lettern. "Zwangsehen sind eine Menschenrechtsverletzung, eine Form von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung." Darunter, eine Liste mit Telefonnummern. Viele Opfer wissen nicht, an wen sie sich wenden können, sagt Shazia. Sie leben in einer parallelen Welt, mitten in Großbritannien.

    Shazia musste ihren Cousin in Pakistan heiraten. Ihre Eltern kehrten nach Großbritannien zurück. Ohne sie. Ihre pakistanischen Schwiegereltern zwangen sie, ein britisches Visum für ihren Mann zu beantragen. Erst nach einem halben Jahr durfte sie nach Großbritannien zurückfliegen, um dort auf ihren Mann zu warten. Doch sie tauchte unter.

    "Du weißt nicht mehr, wer du bist, weil du deine Identität, deine Familie, deinen Kulturkreis verloren hast. Du weißt zwar, du kannst nicht die Person sein, die deine Eltern erwarten. Aber du weißt nicht, wie du jemand anders sein kannst. Du hast ein entsetzlich schlechtes Gewissen. Und hast den Glauben an dich verloren. Du steht's vor dem Nichts. Meine Eltern hatten mir von klein an eingeprägt, ich könnte nie auf eigenen Füßen stehen."

    In dieser Lage wünscht man sich eigentlich nur noch den Tod, sagt Shazia. Oder man kehrt in den Schoss der Familie zurück. Aber sie selbst wollte diesen Preis nicht bezahlen. Ihre eigene Familie hat ihr nie verziehen. Shazia wird von ihren Eltern bis auf den heutigen Tag geächtet.

    Du musst lernen, deinen Eltern zu vergeben, sagt Shazia und man merkt ihr den Schmerz an, der hinter diesen Worten steckt. Dann geht sie zur Tür, um die nächste junge Frau hereinzubitten. In ihren Augen steht derselbe ungläubige Schock, den auch Shazia verspürt hatte, als sie zum ersten Mal bei Karma Nirvana anklopfte.



    In Berlin wurde im Februar 2005 die 23-jährige Türkin Harun Sürücü auf offener Straße von ihrem Bruder ermordet, in Hamburg brachte im Mai 2008 ein 24-jähriger Deutsch-Afghane seine 16 Jahre alte Schwester Morsal um. In Großbritannien wurde Rushana Naz von ihrer Mutter und ihrem Bruder getötet. In London kam die 16-jährige Heshu Yones durch die Hand ihres Vaters ums Leben. Das Motiv lautete immer gleich: Die jungen Frauen hätten die Ehre ihrer Familien verletzt.

    Plötzlich wurde einer bislang ebenso ahnungslosen wie desinteressierten Öffentlichkeit bewusst: In vielen Stadtvierteln mit besonders hohem Migrantenanteil haben sich Parallelgesellschaften herausgebildet, in denen Mädchen und Frauen im Namen der Ehre unterdrückt, misshandelt, unter Zwang verheiratet und ermordet werden.

    Warum? In einem fremden Umfeld werden traditionelle Regeln wieder belebt, heißt es in einer Studie der Friedrich Ebert Stiftung - je größer die Entfremdung, desto unerbittlicher die Rückbesinnung. Mit allen Mitteln versuchen Männer, das tradierte Rollenverständnis aufrechtzuerhalten, das um die Begriffe Familienoberhaupt, Beschützer und Bewacher kreist. Als Scheinlegitimation dient die Religion. Die meisten Ehrenmorde werden im islamischen Kulturkreis verübt - tatsächlich geht es aber um Macht und Ansehen: Die Männer haben Angst, ihre Privilegien zu verlieren - und sie fühlen sich bedroht, wenn Frauen ihre Rechte geltend machen und sich womöglich erfolgreicher integrieren als sie.

    Unter dem gesellschaftlichen Druck der umfassenden Kontrolle und Überwachung haben nicht nur Frauen zu leiden - auch Männer werden zu Opfern dieses repressiven Systems. Es funktioniert bis heute - selbst, wenn es immer offener in Frage gestellt wird. Auch Männer müssen sich gesellschaftlicher Ächtung und massiver Drohungen erwehren, wenn sie sich nicht dem kollektiven Ehrbegriff beugen. In den Räumen von Karma Nirvana suchen alle Schutz: Frauen in Not. Und Männer in Nöten.



    Die Macht der Tradition und der Familie
    Beispiele der kollektiven Unterdrückung
    Im Vorraum von Karma Nirvana sitzt eine elegante junge Frau. Gitanjali, eine britische Inderin. Sie wirkt selbstbewusst. Modern. Gebildet.

    "Nein, ich bin nicht von meinen Eltern misshandelt worden, sondern nur von meinem Mann, sagt sie fast so, als müsse sie sich entschuldigen."

    "Ich war stark genug. Aber nur, weil mich meine Familie und meine Freunde unterstützt haben."

    Gitanjali hat in Großbritannien studiert. Ihren Mann hat sie in Indien kennengelernt und dort geheiratet. In Großbritannien stellte sich heraus, dass es ihm nur um ein Einreisevisum ging. Jetzt will sie sich scheiden lassen. Aber er akzeptiert das nicht. Er hat Angst, sein Visum zu verlieren.

    Gitanjali will auf keinen Fall einen südasiatischen Anwalt nehmen. Sie fürchtet, er könne sich auf die Seite ihres Mannes schlagen. Abwegig ist das nicht. In ihrem Kulturkreis gilt das häufig als Pflicht.

    Bis heute wird Gitanjali wird von ihrem Mann gedemütigt und geschlagen. Doch ihre Gemeinde in Derby behandelt sie wie eine Aussätzige, weil sie es nicht schafft, ihre Ehe zusammenzuhalten. Auch ihre Eltern werden auf offener Straße beschimpft. Dennoch halten sie weiterhin zu ihr. Ohne den Rückhalt in ihrer Familie hätte sich Gitanjali - so sagt sie - längst umgebracht.

    Ein junger Mann kommt durch die Tür und bittet Gitanjali, sich noch ein bisschen zu gedulden bis eine Mitarbeiterin frei ist.

    Naftib ist einer der männlichen Projektarbeiter.

    "Bei den meisten Hilfesuchenden handelt es sich um Frauen. Aber wir wissen auch, dass 15 Prozent der Opfer Männer sind. Und seit wir diese Information in unsere Medieninterviews und Vorträge einfließen lassen, melden sich bei unserer Helpline auch immer mehr junge Männer. Wir wissen, dass sie uns zuhören."

    Sie melden sich weil sie unter Druck stehen, eine Importbraut zu heiraten, die sie nicht kennen und die häufig aus einem entlegenen ländlichen Heimatort der Eltern stammt. Oder aber, weil sie schwul sind und von ihren Familien gezwungen wurden, ihre sexuelle Neigung durch eine heterosexuelle Ehe zu kaschieren.

    "Wir versuchen erst einmal, sie aus ihrer Isolation herauszuholen. Wir zeigen ihnen, welche Optionen sie haben: bei ihren Familien zu bleiben oder in ein Männerhaus zu gehen. Was immer sie entscheiden: Wir sind emotionell für sie da. Aber eines machen wir ihnen stets klar: Selbst wenn sie beschließen, sich gegen ihre Eltern zu stellen, heißt das noch lange nicht, dass sie in der Gosse landen. Oft ist das nämlich ihre größte Angst."

    Gerade für Zuwanderer vom Subkontinent, aber auch aus Afghanistan und aus dem Nahen und Mittleren Osten ist die Familie ungeheuer stark. Einige der Männer, die sich bei Najib melden, sind so zerrissen, dass sie sich immer wieder von ihrer Familie abnabeln und immer wieder zurückkehren. Selbst wenn das bedeutet, dass sie immer den Schein wahren müssen.

    Naftib ist ein junger Sikh, er wurde streng erzogen, hat sich aber als Teenager von seinem Glauben abgewandt. Inzwischen hat er zu seiner Religion zurückgefunden, verurteilt aber weiterhin, wie sie in seiner Community praktiziert wird.

    "Die Kaste spielt bei den Sikhs eine riesige Rolle, obwohl gerade ihre Religion als Gegenbewegung zum indischen Kastenwesen entstand. Oft gibt es riesige Konflikte, wenn sich ein junger Sikh in jemanden aus einer 'falschen' Kaste verliebt hat. Die Konflikte haben mehr mit ihrem Kulturkreis zu tun als mit ihrer Religion. Und es ist ungeheuer schwer, diese Schranken abzubauen."



    Morsal war kein Einzelfall - bevor die 16-jährige Deutsch-Afghanin im Mai in Hamburg von ihrem Bruder erstochen wurde, suchte sie immer wieder Schutz beim städtischen Kinder- und Jugendnotdienst - und kehrte doch wieder zu ihrer Familie zurück. Den Behörden waren die Hände gebunden. Immer wieder stößt die Justiz an ihre Grenzen.

    Zwar wird die Forderung nach einem gesonderten Straftatbestand für Zwangsehe und Ehrenmord immer lauter, auch für Mitwisser - doch bis heute werden diese Verbrechen noch nicht einmal in einer besonderen Kriminalstatistik erfasst.

    Und die Opfer sind auf sich allein gestellt: Werden die Mädchen zur Zwangsheirat in die Herkunftsländer entführt, sind sie dem Zugriff der Behörden entzogen - nach secsh Monaten verlieren sie sogar ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland. Werden sie als Importbräute nach Deutschland gebracht, sind sie der Willkür ihrer Männer ausgesetzt - denn sie können erst nach zwei Jahren ein selbständiges Aufenthaltsrecht beantragen. Und nur wenn sie stichhaltig beweisen können, dass ihr Leben in ihrer Heimat bedroht ist, dürfen sie seit kurzem auch das sogenannte kleine Asyl beantragen.

    Selbst, wenn sie sich zur Flucht aus dem häuslichen Gefängnis entschlossen haben, sind sie noch keineswegs in Sicherheit. Nur erwachsene Frauen können in ein Frauenhaus in einem anderen Bundesland flüchten. Für Minderjährige müssen andere Zufluchtstätten gefunden werden.

    Das ist in Großbritannien alles nicht anders. Und doch ist bereits viel geschehen: Mit der Forced Marriage Unit wurde eine Zentralstelle geschaffen, die Fälle von Zwangsheirat untersucht und entsprechende Hilfsprojekte unterstützt. Die Polizei ist aufmerksamer geworden. Der Gesetzgeber hat das Zuzugsalter von 18 auf 21 erhöht und verlangt von den Partnern den Nachweis von Englischkenntnissen. Mehr noch: Mittlerweile gibt es einen Staatsanwalt, der sich mit nichts anderem beschäftigt als mit Ehrverbrechen.


    Eine Wand des Schweigens
    Die schwierigen Ermittlungen des Staatsanwalts bei Ehrverbrechen
    Nazir Afsals Office liegt im Herzen der Londoner City. Gleich um die Ecke ist das Old Bailey, das schicksalsträchtige Zentralgericht, das über Englands schwerste Verbrechen urteilt.

    Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng. Ausweis, schriftliche Einladung. Gebäudepass. Nazir Afsal ist Crown Prosecutor, also Staatsanwalt der britischen Krone. Eine verantwortungsvolle Position. Er hat es sich zur Hauptaufgabe gemacht, Verbrechen im Namen der Ehre zu bekämpfen.

    Das Sprechzimmer ist kahl. Ein großer Resopaltisch, sechs Stühle. Ein Krug mit Wasser, und drei Gläser. Eine Frau aus dem Pressebüro sitzt neben dem Staatsanwalt und hört mit.

    "Ehrenverbrechen sind organisierte Verbrechen im Namen des Vaters, des Sohnes und der heiligen männlichen Mitgliedern der Familie, die absolute Macht und Kontrolle über das Leben der Frauen haben wollen."

    Nazir Afsal wirkt ruhig und entspannt. Ein schlanker, großer Mann um die 40, Er befasst sich mit den blutigsten Fällen im Lande.
    "Wir müssen dieselben Techniken anwenden wie bei organisierten Schwerverbrechen, weil wir mit einer Wand des Schweigens konfrontiert werden: anonymer Zeugenschutz, verdeckte Ermittlungen, nur so können wir Indizien gegen die Täter sammeln."

    Nazir Afsal ist mit der Problematik aufgewachsen. Seine Familie stammt aus Nordpakistan. Es gebe viel zu wenige Männer, die sich ernsthaft mit dem Problem auseinandersetzten. Sein Job ist gefährlich. Dessen ist er sich voll bewusst.

    "Ja, es gab Situationen in denen ich mich bedroht fühlte, es gibt Kreise, denen es lieber wäre, ich würde mich überhaupt nicht mit dem Thema befassen. Aber meine Verantwortung als Staatsanwalt ist es, die Sicherheit aller Mitglieder unser Gesellschaft zu gewährleisten, und dem ordne ich meine persönliche Sicherheit unter. Natürlich habe ich gewisse Maßnahmen ergriffen, um meine Familie zu schützen, aber letztendlich wird mich das nicht abhalten, den Mund aufzumachen."

    Laut offiziellen Statistiken werden in Großbritannien jedes Jahr mindestens zwölf Ehrenmorde begangen. Aber Nazir Afsal sagt, das sei nur die Spitze des Eisbergs.

    " Hinzu kommen Entführungen, häusliche Gewalt, Sexualdelikte. Wir wissen, dass die Dunkelziffer viel höher liegt. Viele Opfer schrecken vor einer Anzeige zurück, weil sie wissen, damit begeben sie sich in Lebensgefahr."

    Vor allem, wenn die Behörden falsch reagieren. Mediation ist in solchen Fällen ganz falsch, sagt Nazir Afsal: Wenn Eltern erfahren, dass sie von der eigenen Tochter bloßgestellt wurden, sind sie erst recht entschlossen, ihren Willen mit allen Mitteln durchzusetzen. Nazir Afsal hat es schon erlebt, wie Mütter und Väter ihre Töchter mit Drogen vollgepumpt haben und dann gegen ihren Willen nach Pakistan entführten, um sie dort zwangszuverheiraten - oder zu töten. Oder töten zu lassen. Von Verwandten, Bekannten oder professionellen Killern. Nazir Afsal verweist auf den Fall von Banaz Mamoud: Sie ging in London sechs Mal zur Polizei, in panischer Angst, ihr Vater würde sie töten. Aber die Polizei konnte sich das schlichtweg nicht vorstellen und schickte sie immer wieder heim. Banaz wurde aufs brutalste ermordet - ihr Vater, der den Killer angeheuert hatte, schaute bei der Hinrichtung zu.

    "Der erste Kontakt ist der wichtigste, und wenn die betreffenden Stellen nicht richtig reagieren, könnte er sehr wohl der letzte sein."

    Nazir Afsal reist unermüdlich durchs Land, organisiert Presseauftritte, Workshops, Tagungen: das Thema sei viel zu brisant, um unter den Teppich gekehrt zu werden. Polizei, Lehrer, Ärzte, und Sozialarbeiter - sie alle müssten intensiv geschult werden, damit sie gefährdete junge Menschen in Sicherheit bringen könnten, noch bevor sie zum Opfer von Ehrenverbrechen würden. Die neue Regelungen, die jüngst erlassen wurden, um Zwangsehen zu erschweren, sieht er als ersten Erfolg.

    "Zwangsehen sind unehrenhaft, Mädchen haben dieselben Rechte wie Jungs, diese Botschaft müssen wir unermüdlich ausgeben, vor allem auch in Schulen, das müssen wir den Kindern schon so früh wie möglich einprägen. Nur so können wir tiefgreifende Änderungen bewirken. Steter Tropfen höhlt den Stein."

    Nazir holt eine Broschüre aus seiner Mappe, die er zusammen mit asiatischen Frauengruppen und der Forced Marriage Unit ausgearbeitet. Das Papier muss neuerdings bei der Ausbildung von Mitarbeitern im öffentlichen Bereich mitberücksichtigt werden. Es enthält Listen von Warnsignalen und Symptomen, die für Opfer von Zwangsehen typisch sind. Zum Beispiel häufiges Fehlen in der Schule, Selbstverletzung, Hausarrest.

    Im Sommer reiste Nazir Afsal mit einem Informationsbus durch halb England, um in südasiatischen Gemeinschaften über Ehrenverbrechen zu diskutieren. Manche Gemeinschaften seien zumindest bereit gewesen zuzuhören, sagt Nazir Afsal, auch wenn er sich manchmal direkt neben einen Sprecher stellen musste, um ihm persönliche Rückendeckung zu geben. Aber es kommt auch vor, dass sich Schulen mit einem hohen Anteil südasiatischer Kinder weigern, seine Informationsplakate aufzuhängen - mit dem Argument, sie wollten die Eltern nicht vor den Kopf stoßen. Dafür hat Nazir Afsal überhaupt kein Verständnis.

    "Wie sagte doch neulich ein Minister: Kulturelle Sensibiliät ist keine Entschuldigung für moralische Blindheit. Früher glaubte ich fest daran, dass Ehrenverbrechen in Großbritannien mit der ersten Generation der Migranten aussterben würden. Leider hat sich diese Hoffnung überhaupt nicht erfüllt. Im Gegenteil. Erst neulich sagte ein 21-Jähriger zu mir: Männer sind wie Gold, Frauen wie Seide: Wenn das Gold in den Dreck fällt, kann man es wieder reinwaschen. Aber die Seide, die wird nie wieder sauber. Sie bleibt für ewig beschmutzt"



    Lange Zeit hat sich die Öffentlichkeit überhaupt nicht dafür interessiert, was sich hinter den Türen vieler Migranten-Familien zuträgt und in welcher existentiellen Notlage sich viele Ehefrauen und Töchter befinden - im Zeichen der Idee vom multikulturellen Nebeneinander verbot sich jede Intervention und Einmischung; Kritik hätte als Rassismus interpretiert werden können.

    Die Zeiten haben sich geändert - Berichte über Zwangsehen und Ehrenmorde haben die Öffentlichkeit sensibilisiert. Und doch werden minderjährige Mädchen auch weiterhin gezwungen, fremde Männer zu heiraten. Viele Ehefrauen werden von ihren Männern geschlagen. Töchter werden von ihren Brüdern überwacht, eingeschüchtert und bestraft. Oft sind die ganze Familie und Verwandtschaft, der Clan und die gesamte Gemeinschaft an dem System der Bevormundung im Namen von Ehre und Moral beteiligt.

    Dabei können sich die jungen Frauen in ihrer Not oft niemandem anvertrauen - den Müttern und Geschwistern nicht. Den Verwandten nicht. Den Lehrern und Mitschülern nicht. Ja, nicht einmal den Bekannten im Laden um die Ecke oder dem Imam in der Moschee. Es ist ein Kartell von Zwang und Verrat, ein Netzwerk des Misstrauens. Auch aus den islamischen Verbänden und Moscheevereinen kommt zumeist keine Unterstützung.

    Das ist ein Skandal, sagt ein Imam im Norden Londons: Usama Hassan kritisiert Zwangsheirat und Ehrenmorde und macht sich für eine zeitgemäße Interpretation des Koran stark; er fordert die Befolgung der britischen Gesetze und die Integration der muslimischen Gemeinschaft in die britische Mehrheitsgesellschaft. Damit macht er sich in seiner Gemeinschaft wenig Freunde - Usama Hassan steht mit seiner Meinung ziemlich allein.


    Aufklärer und Renegat
    Ein Imam fordert die Abkehr von archaischen Ehrbegriffen


    Usama Hasan wohnt in einem bescheidenen viktorianischen Reihenhäuschen in Leytonstone, Nordostlondon. Die Häuser in seiner Straße gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Ein Fenster im Parterre, eines im ersten Stock, ein kleiner Vorgarten mit Kübelpflanzen, eine weißgestrichene Holztür. Teile von Leytonstone ist gelten als soziale Problemzonen. Usama Hasan wohnt so ziemlich in der Mitte. Er ist Astronomiedozent in Greenwich und Imam an der örtlichen Tawhid Moschee

    Seine Frau öffnet die Tür. Sie trägt Hejab und ein langes dunkles Gewand. Im Flur raufen sich zwei kleine Kinder. Sie mahnt: Zeigt bitte mehr Respekt für eure Tante. Jeder Gast wird als Onkel oder Tante vorgestellt.

    Usama Hassan sitzt in der guten Stube. Ein ruhiger, ausgeglichener Mann. Schwer vorstellbar, dass er nach dem Studium an der Eliteuniversität Cambridge erst einmal nach Afghanistan reiste, um gegen die russischen Besetzer zu kämpfen. Heute steht er im intellektuellen Kampf gegen muslimische Hardliner an vorderster Front und schreckt auch in seinen Predigten nicht vor heißen Eisen zurück. Zwangsehen sind - so sagt Usama Hasan - unter den Besuchern seiner Moschee weitverbreitet und die Ursache für unzählige Probleme.

    "Erst heute früh hab ich mit einer jungen Frau gesprochen, die von ihrer Mutter in Pakistan zur Ehe gezwungen wurde. Oft werden Mädchen - aber auch junge Männer unter massiven psychologischen Druck gesetzt. Ich erlebe es immer wieder, dass solche Beziehungen scheitern, weil zwei total unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen."

    Usama Hasan ist auch Berater im Londoner Sharia Rat. Ihm ist daran gelegen, das archaische muslimische Eherecht zu reformieren. Er kritisiert diejenigen, die bei der Auslegung des Koran jede gesellschaftliche Entwicklung ignorieren und krampfhaft an patriarchalischen Gepflogenheiten festhalten.

    "Ein islamischer Ehevertrag ist eine Übereinkunft zwischen zwei gleichberechtigten Menschen. Im Prinzip also nichts anderes als eine staatliche Trauung. Ich finde ich es absolut ausreichend, wenn sich britische Muslime von britischen Beamten trauen lassen., dasselbe sollte für eine Scheidung gelten. Britische Muslime sollen sich an das Gesetz des Landes halten, in dem sie leben. Und als Briten sind sie nun einmal Teil einer modernen europäischen Gesellschaft, die dem altmodischen islamischen Modell, das manche im Kopf haben, in keiner Weise entspricht."

    Usamas Frau bringt ein Tablett mit Tee. "Sie hat sehr strenge religiöse Anschauungen", sagt Usama Hasan. Sie bestehe auf der Einhaltung traditioneller Regeln. Die hätten aber auch für ihn zu gelten. Dem Koran zufolge müsse der Mann seine Frau zutiefst ehren.

    Barbarisch, primitiv, unmenschlich und zutiefst unreligiös, so nennt Usama Hasan die Muslime, die archaischen Ehrbegriffen nachhängen und ihre Frauen misshandeln oder gar töten. Zwangsehen sollten - so sagt er - unter Strafe gestellt werden. Eine Einstellung, die ihm viele Feinde einträgt - nicht nur unter seinen Glaubensgenossen in Leytonstone.

    "Ja, ich werde ziemlich häufig beschimpft. Man wirft mir vor, meine gottgegebene Religion nach freiem Gusto zu interpretieren. Aber viele Leute nehmen den Koran einfach viel zu wörtlich."

    Usama Hasan geht zum Fenster. Blickt nachdenklich auf die Schule schräg gegenüber. Jeder zehnte wird in seiner pakistanischen Gemeinschaft in London zwangsverheiratet. In Pakistan sogar jeder vierte. Aber das werde sich zwangsläufig ändern. Aus einem einfach Grund.

    "Zwangsehen führen in britisch-muslimischen Gemeinschaften zu enormen gesellschaftlichen Spannungen. Ich habe in meiner Moschee immer mehr Leute, die mit 20, 30, ja 40 ledig bleiben, weil sie den Partner ihrer Wahl nicht heiraten dürfen. Für sie ist das eine Tragödie. Natürlich wird sich eine entwurzelte Community wie die unsere erst einmal an überlieferte Werte klammern. Aber ich bin überzeugt: Diese Einstellungen werden sich über die nächsten Generationen ganz sicher wandeln."

    Usama blickt auf die Uhr. Gleich muss er seine Zwillinge zum Kindergarten bringen. Seine Frau hat ihren freien Nachmittag. Er macht heute die Hausarbeit. Und das ist in ihrem Haus ein unumstößliches Gesetz.

    Lange, allzu lange wurde die Lage der Frauen in vielen Migrantenfamilien in Europa verschwiegen oder vertuscht, verharmlost oder vernachlässigt. Erst langsam kommt ein Diskussionsprozess in Gang, der der alltäglichen physischen und psychischen Gewalt begegnen will.

    Gefordert werden Aufklärungs- und Informationskampagnen. Beratungs- und Zufluchtstätten. Schutzprogramme für Frauen und Mädchen. Schulungen für Polizisten, Lehrer, Jugend- und Sozialämter. Ein verbessertes Strafrecht und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen, die der Notlage der Frauen Rechnung tragen. Schließlich eine engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Und eine bessere Kooperation mit den Herkunftsländern -, dass unlängst in der Türkei äußerst harte Strafen gegen Mörder im Namen der Ehre ausgesprochen wurden, stimmt nicht nur Diana Nammi optimistisch:

    Sie ist eine kurdisch-stämmige Frauenrechtsaktivistin in London - und hat den ganzen Forderungskatalog parat: Die Arbeit muss im Alltag beginnen, sagt sie. In den Kindergärten und Schulen. Bei den Bildungs- und Integrationsangeboten für Mütter und ihre Töchter. Diana Nammi will dafür sorgen, dass das Thema nicht mehr aus der öffentlichen Debatte verschwindet.


    Ein Mord ist ein Mord
    Das Plädoyer einer kurdischen Frauenrechtsaktivistin gegen multikulturelle Samthandschuhe
    Diana Nammis Büro liegt in einer ruhigen Nebenstraße in Islington Nordlondon.

    Blaue Mobel, weicher Teppichboden, ein kleiner weißgekalkter Balkon. Auf dem Gartentischchen ein voller Aschenbecher und eine rote Geranie.

    Dianna Nammi ist Leiterin der iranischen und kurdischen Frauenrechtsorganisation und die treibende Kraft hinter der internationalen Kampagne gegen Ehrenmorde. An der Wand hängt ein Poster mit zwölf großformatigen Passfotos. Kurdinnen - alle Opfer von Ehrenmorden in Großbritannien.

    "Allein im vergangenen Jahr haben wir uns mit rund tausend Fällen befasst, zumeist handelte es sich um Frauen deren Familien aus dem Nahen und Mittleren Osten stammen."

    Weil viele Anruferinnen um ihr Leben fürchten, schaltet sie stets die britische Polizei ein, erzählt Diana Nammi. Und lokale Behörden, denen sie trauen kann: Sie kümmern sich um sichere Privatunterkünfte. Frauenhäuser gehören nicht dazu. Weil sie zu bekannt sind und deshalb zu gefährlich.

    "Wenn Familien Killer anheuern oder eine Belohnung aussetzen, sind auch die anderen Mitbewohnerinnen gefährdet. Und manchmal passiert es sogar., dass enge Verwandte so tun, als würden auch sie in akuter Lebensgefahr leben - nur um Zugang zu einem Frauenhaus zu bekommen und ein flüchtiges Mädchen auf diese Weise aufzuspüren."

    Auf Diana Nammis Regalen stehen Romane, soziologische Sachbücher, die Bibel, der Koran, ein persisch-englisches Wörterbuch. Und ein besonders dicker Wälzer über Einwanderungsbestimmungen. Diana Nammi stammt aus dem Iran. Eine rundliche Frau mit einer weichen Stimme. Sie trägt einen einfachen schwarzen Hosenanzug und diskrete goldene Ohrringe. Diana Nammi ist Kurdin, Feministin, und langjährige Menschenrechtsaktivistin.

    "Ich bin in Kriegsgebieten aufgewachsen, im Iran, im Irak, in der Türkei. Bei Kurden, bei denen Ehrenverbrechen an der Tagesordnung sind. Solche Verbrechen gab es ursprünglich in vielen Ländern, auch in Europa. Sie haben nicht nur kulturelle Wurzeln, sondern sie werden religiös verbrämt."

    Sie werden vor allem dort verübt, wo eine Religion zu viel Macht gewinnt und ihren Anhängern vorgaukelt, dass Frauen keine menschliche Lebewesen sind, sondern ein reiner Besitz.

    Diana Nammis Kollegin ist pausenlos am Telefon. Auf ihrem Schreibtisch liegen dicke Aktenmappen: Eingaben um Hilfsfonds, Bewilligungen, Ablehnungen. Anrufe aus den Niederlanden, aus Kanada. Aus dem Irak. Dem Nahen Osten. Und viele direkt aus London.

    Gerade die Verbreitung fundamentalistischer Gedanken habe dazu geführt, dass noch mehr Verbrechen im Namen der Ehre - und des Islam - begangen würden, in und außerhalb von Großbritannien, sagt Diana Nammi. Gerade junge Islamisten fühlten sich verpflichtet, ihre Gesinnung unter Beweis zu stellen, indem sie "ihre Schwestern" blutig abstraften.

    "Die Sharia gibt Männern das Recht, Frauen zu unterdrücken. Ich glaube nicht, dass britische Imame oder muslimische Organisationen imstande sind, diese unselige Praxis zu bekämpfen. Wir müssen Zwangsehen zum kriminellen Tatbestand erklären. Wir müssen knallharte Strafen durchsetzen und die Gemeinschaft damit konfrontieren."

    Trotz aller Probleme blickt Diana Nammi mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft. Noch vor wenigen Jahren wurde sie von vielen Kurden geschnitten, weil sie es wagte, über Ehrenmorde zu sprechen. Noch immer wird ihr vorgeworfen, sie sei ein Nestbeschmutzer. Die Diskussion kommt erst langsam in Gang. Diana Nammis Botschaft ist immer dieselbe: Ihr könnt euren Ruf am besten dadurch retten, dass Ihr euch öffentlich gegen Ehrenmorde aussprecht und alles tut, um weitere Verbrechen diese Art zu verhindern.



    Literatur
    Ayse Önal: Warum tötet ihr? Wenn Männer für die Ehre morden. Droemer Verlag, München, 2008