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Tödlicher Pilzbefall

Getrübt ist die Frühlingsstimmung auf dem Bielstein im Kaufunger Wald, zwischen Kassel und Göttingen. Der prächtige Laubmischwald mit Ahorn, Buchen und Ulmen ließe eigentlich das Herz jedes Naturfreundes höher schlagen. Doch Jürgen Bohnens blickt verdrießlich in die kahlen Baumkronen der abgestorbenen Bergulmen. Bereits vor neun Jahren musste er miterleben, wie diese urwüchsigen Waldriesen binnen kurzem zugrunde gegangen sind:

Von Lutz Reidt |
    Die waren zu Beginn der Vegetationszeit im Mai voll vital, waren grün, hatten absolut gesunde Kronen, und als ich dann Ende Juli, Anfang August wieder hierher kam, sah man die deutlichen Symptome: absterbende, welkende Blätter, gelb verfärbte Blätter, die dann eingerollt sind, mitten im Sommer! Das geht schlagartig, innerhalb kürzester Zeit, sechs bis acht Wochen, und so kurze Zeit hat es auch nur gedauert, diese mächtigen, über 30 Meter hohen Bäume, die einen Stammdurchmesser in Brusthöhe von über einem Meter haben, absterben zu lassen. Und wir stehen jetzt hier vor Baumruinen. Das ganze Feinreisig in den Kronen ist schon abgebrochen. Die Rinde blättert großflächig ab und (stockend) es ist eigentlich bedrückend, zu sehen, in wie kurzer Zeit solch große Bäume von einem winzigen, kaum mit bloßem Auge erkennbaren Pilz umgebracht werden können.

    Ursache des Ulmensterbens ist ein Pilz, der aus Ostasien stammt: Ophiostoma ulmi. Verborgen in Furnierholz hat er eine Reise rund um den Globus angetreten. In Mitteleuropa sind alle Ulmen-Arten betroffen: die weit verbreiteten Bergulmen, aber auch die viel selteneren Feld- und Flatterulmen. Die Ergebnisse der europaweiten Inventuren sind Besorgnis erregend: in Niedersachsen dürfte nur noch wenige Feldulmen am Leben sein und in der Schweiz haben die Förster gerade mal um die 5.000 Flatterulmen in den Auwald-Habitaten finden können.

    Besser geht es den Bergulmen. Einige von ihnen haben den Seuchenzug überstanden - bislang zumindest. Vorzeigecharakter im Rahmen des europaweiten Ulmensicherungsprogramms hat das Projekt in Hessen. Unter der Anleitung des Forstpflanzenzüchters Jürgen Bohnens vom "Service-Betrieb Hessen Forst", der ehemaligen Forstlichen Versuchsanstalt in Hannoversch Münden, haben die Förster in den vergangenen zehn Jahren überlebende Ulmen in den hessischen Wäldern aufgespürt:

    Wir haben mittlerweile gut 400 Altbäume ausgewählt und sie "gesichert", wie wir das nennen. Das bedeutet, wir haben davon vegetatives Vermehrungsgut geworben. Das sind Zweige, die wir zum Pfropfen benutzt haben, von denen haben wir dann wieder Stecklinge angezogen. Und über diese Vermehrungsmethode haben wir im Laufe der letzten Jahre etwa 13.000 Ulmen wieder in die Bestände zurück gebracht, aus denen wir die Altulmen ausgesucht haben. Wir haben aber auch noch weit mehr Ulmen in unseren Sammlungen, in unseren Klonsammlungen; und die sind dann über Stecklinge weiter vermehrt worden und in unsere Klonsammlung aufgenommen worden, die mittlerweile über 1.000 Genotypen umfasst. Das ist europaweit die größte Bergulmen-Sammlung, die es gibt.

    Ein anderer Ansatz folgt dem Prinzip Hoffnung: Vereinzelt stehende Ulmen, die zwischen Eschen, Buchen und Bergahorn wachsen, dürften die Splintkäfer schlichtweg nicht finden können. Albrecht Behm, Leiter des Bayerischen Amtes für forstliche Saat- und Pflanzenzucht in Teisendorf, rät daher seinen Förstern, junge Ulmen gezielt in den Wälder zu verstecken - immer nur einzeln oder in kleinen Gruppen, in Abständen von mindestens 500 Metern zu anderen Ulmen:

    Wir ziehen Pflanzenmaterial nach, geben bei jeder Pflanzenlieferung das Extra-Sackerl mit diesen Ulmen mit dazu, dazu ein kleines Merkblatt, wo im wesentlichen folgendes draufsteht: Pflanzt diese Ulmen auf jeden Fall, wohin, ist gar nicht so wichtig; pflanzt sie aber einzeln, nicht alle auf einen Haufen, damit dieser Verinselungseffekt, der offensichtlich eine Überlebensmöglichkeit für die Art ist, dass der erhalten bleibt. Dies ist ein sehr einfaches, praktisches, kostengünstiges Verfahren. Ich meine, es ist auch wirkungsvoll.