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Tolle Idee! - Was wurde daraus?

Technik. - 2001 erlag Christiaan Neethling Barnard, der 1967 weltweit erstmals eine Herztransplantation durchgeführt hatte, seinem Asthmaleiden. Im gleichen Jahr machte die Technik einen weiteren Sprung nach vorne: denn mit Abiocor-1 wurde das erste komplett implantierbare Kunstherz verpflanzt.

Von Ralf Krauter | 04.04.2006
    Abiocor-1 war das Ergebnis jahrzehntelanger Entwicklungsarbeit bei der US-Firma Abiomed. Weil das voll implantierbare Kunstherz einen Ausweg aus dem notorischen Mangel an Spenderorganen versprach, wurde es vom Time-Magazine zur Innovation des Jahres 2001 gekürt.

    "Robert Tools war der erste Patient, dem wir Abiocor-1, die erste Generation des totalen Kunstherzen, eingepflanzt haben. Das war im Juli 2001. Und bis Ende 2004 haben wir 14 Patienten dieses Abiocor-1 eingepflanzt."

    Die ersten Empfänger der Ersatzpumpe aus Titan und Plastik wurden als Helden des medizinischen Fortschritts gefeiert. Mittlerweile sind sie alle tot. Robert Tools hielt das elektrohydraulische Herz aber immerhin 151 Tage am Leben - eine Zeit lang sogar so gut, dass er das Krankenhaus über 20 Mal verlassen konnte. Piet Wassenberg, der Abiomed-Vertriebschef für Europa, bewertet die ersten klinischen Tests deshalb positiv.

    "Wir hatten Patienten, die entlassen wurden aus dem Krankenhaus – einer der Patienten über ein Jahr. Das war natürlich ein großartiger Erfolg. Das war das erste Mal in der Geschichte, dass ein Patient mit einem total eingepflanzten Kunstherz entlassen wurde von einem Krankenhaus. So das war ein großer Fortschritt, den wir da machten."

    Doch nicht allen Patienten erging es so gut – was teils sicher auch an deren schlechter körperlicher Verfassung lag. Für die ersten klinischen Versuche durfte Abiomed nur Patienten mit Lebenserwartung unter 30 Tagen verwenden. Großartige Erfolge seien da nicht zu erwarten gewesen, sagt Paul Kwant, der am Helmholtz-Institut für angewandte Medizintechnik in Aachen ebenfalls ein voll implantierbares Kunstherz entwickelt, das von klinischen Tests aber noch Jahre entfernt ist.

    "Die haben auch gesagt: Ein Erfolg wäre, wenn der Patient 60 Tage überlebt. Das haben die 2000 so gesagt. Und in diesen 14 Patienten ist der Durchschnitt ungefähr fünf Monate gewesen. So es ist doch zum großen Teil ein Erfolg gewesen. Aber natürlich, das Problem ist: Wenn man nach der Lebensqualität der Patienten guckt – aber ich denke das ist generell eine Sache bei Kunstherzen – ist die Lebensqualität noch nicht ausreichend."

    Auch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat Bedenken. Abiomed hat eine Marktzulassung als "Humanitarian Device Exemption" beantragt. Damit dürfte Abiocor-1 weiteren herzkranken Patienten eingepflanzt werden, sofern alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft wurden. Doch die FDA-Gutachter zögern noch. Im Juni 2005 forderten sie weitere Belege dafür, dass die Patienten neben zusätzlicher Lebenszeit auch Lebensqualität gewonnen haben. Konnten sie am Familienleben teilhaben? Wie oft konnten sie spazieren gehen? Und wie vertrugen sie die Blutverdünner, die nötig sind, um gefährliche Blutgerinnsel zu vermeiden? All diese Informationen habe man schon vor Monaten nachgereicht, sagt Piet Wassenberg von Abiomed.

    "Inzwischen warten wir natürlich auf Zustimmung jetzt, um mit Abiocor-1 weiter zu machen, dass wir in gewissen Indikationen weitermachen können unter Humanitarian Device Exemption. Und dann werden wir versuchen, auch einige Kliniken in Europa mit in diese Studie zu nehmen."

    Für Abiomed hängt viel an der FDA-Zulassung. Das Unternehmen hat über 100 Millionen Dollar in die Entwicklung gesteckt. Experten werten das Abiocor-1 als Technologiesprung, weil erstmals keine Kabel oder Schläuche mehr aus dem Körper des Patienten führen – das verringert die Infektionsgefahr. Dafür ist das Kunstherz so sperrig, dass es nur für große Männer mit breitem Brustkorb in Frage kommt. Das Nachfolgemodell Abiocor-2, das Abiomed derzeit in Tierversuchen testet, soll auch Frauen und zierlicheren Männern passen und statt zwei nunmehr fünf Jahre Dauerbetrieb durchhalten.

    "Das wird etwa 30 Prozent kleiner sein. Es wird leichter sein, das in der Brust des Patienten gut einzupflanzen. "

    Erste klinische Tests könnten nach Angaben von Abiomed frühestens Ende 2006 starten.