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Tolle Idee! – Was wurde daraus?

Technik. - Wenn Flugzeuge vom Himmel stürzen, sind nicht selten vereiste Tragflächen schuld daran. Wissenschaftler am Forschungszentrum Karlsruhe suchten effizientere Methoden zur Enteisung. Die Idee: kritische Tragflächenbereiche in der Luft gezielt mit Mikrowellen aufzuheizen.

Von Ralf Krauter | 11.04.2006
    Eine Experimentierhalle auf dem Gelände des Forschungszentrums Karlsruhe. Dr. Lambert Feher, der Leiter der Arbeitsgruppe Industrielle Mikrowellentechnik, zeigt auf eine flügelformige Struktur mit vielleicht 8 Metern Spannweite, die hinten an der Wand in Brusthöhe aufgebockt ist.

    "Das ist hier ein Leitwerk von einer Do-328 von der Firma Fairchild-Dornier, an der wir hier die Systemdemonstration dargestellt haben für eine Mikrowellen-Enteisungstechnik, die hier einige sehr bedeutende Vorteile aufweist im Vergleich zu den konventionellen Möglichkeiten, die heute State-of-the-Art sind."

    An dem ausrangierten Höhenleitwerk hat aber schon länger niemand mehr gearbeitet. Seit der Industriepartner Fairchild-Dornier 2002 insolvent wurde, liegt die Flügelenteisung mit Mikrowellen auf Eis. Schade eigentlich, denn bei den Laborversuchen habe alles prima funktioniert, sagt Lambert Feher. Die gekrümmte Vorderkante des Höhenleitwerks ist abgeschraubt und gibt den Blick frei auf eine Reihe rechteckiger roter Aluminiumrohre. Es sind Hohlleiter, die Mikrowellen abstrahlen und die Leitwerksvorderkante auf Knopfdruck rasch und gezielt erwärmen. Gespeist werden sie von faustgroßen Mikrowellensendern – so genannten Magnetrons - die im Flügel versenkt sind.

    "Diese einzelnen Wellenleiter hier sind sehr klein, sind auch dann sehr leicht. Sie haben sozusagen dahinter dann noch die Magnetrons, die Quellen dazu. Das Tolle dabei ist: Sie haben sehr viel Systemgewicht eingespart, sind sehr energieeffizient dabei und führen die Mikrowellenleistung, die zur Enteisung der Struktur ist, durch das Volumen nach außen."

    Die Mikrowellen durchdringen den Hohlraum zwischen Wellenleiter und Flügelbeplankung verlustfrei und geben ihre Heizenergie nur dort ab, wo sie hin soll – genau wie im heimischen Mikrowellenherd. Und genau das könnte bald schon der entscheidende Vorteil sein.

    "Man will ja auch von den Metallstrukturen am Flügel in Zukunft weg. Also da stellt sich eben die Frage: Was machen wir? Was für ein Enteisungssystem verwenden wir dann, wenn wir auf CFK - kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff - übergehen?"

    Bislang bestehen die Tragflächen großer Jets noch aus Aluminium. Um sie in der Luft zu enteisen, wird neben elektrischen Heizmatten und Frostschutzlösungen vor allem warme Triebwerksabluft eingesetzt, die durch Heizrohre im Flügel an die kritischen Stellen gelangt. Bei künftigen Tragflächen aus Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK) ist das aber keine Option mehr. Dafür ist die Wärmeleitfähigkeit von CFK zu schlecht. Um ein Kohlefaser-Bauteil mit Warmluft von innen so stark zu erwärmen, dass das Eis auf seiner Oberfläche schmilzt, wären deutlich höhere Temperaturen nötig als bei den derzeitigen Alustrukturen. Höherer Energieverbrauch und schnellere Materialermüdung wären die Folge. Die Mikrowellenheizung aus Karlsruhe vermeidet beide Nachteile. Und weil sie auch die elektrische Abwärme der Magnetrons im Flügel nutzt, verbraucht sie sogar relativ wenig Energie.

    "Die 40 Prozent Abwärme können wir über einen Flüssigkeitskreislauf über den Vorflügel dann in diese Segmente leiten. Das ist eine alte Sache. Also da machen wir nix neues, nur eben in der Verwendung mit der Mikrowellentechnik, und haben damit eine kontinuierliche Erwärmung dieser Segmente. Das bedeutet: Die Mikrowelle tut nur noch in bestimmten Bereichen zyklisch durchschalten und dort immer mal das Antauen des Eises ermöglichen. Diese Segmente fallen voneinander ab und werden durch die aerodynamischen Kräfte dann einfach davon getragen. Dadurch ist eine sehr hohe Energieeffizienz – also gerade auch bei kleineren Maschinen, wo auch die Enteisungsproblematik ganz gewaltig ist, im Vergleich zu den großen, natürlich dann sehr vorteilhaft."

    Lambert Feher ist überzeugt, dass die Mikrowellenheizung kommen wird – spätestens dann, wenn Airbus und Boeing den Technologiesprung zur Kohlefasertragfläche wagen. Nach der Pleite von Fairchild-Dornier musste sein Team aber erst einmal andere Projekte forcieren, um sich finanziell über Wasser zu halten. Auf einer Messe in Paris präsentierten die Karlsruher Forscher kürzlich einen Mikrowellenofen, der die Fertigung großer Kohlefaser-Bauteile revolutionieren könnte, weil er Fasermatten und Harz schneller aufheizen kann als bisher möglich. Die Idee von der Mikrowellenheizung für die Luftfahrt lebt also weiter – heute in der Werkstoffverarbeitung und morgen vielleicht wieder bei der Tragflächenenteisung in der Luft.

    "Also da möchten wir auf jeden Fall dann auch in Kürze an Airbus und an andere Luftfahrthersteller in Europa herangehen, um jetzt dann die nächsten Schritte anzugehen."