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Tolle Idee! - Was wurde daraus?

Biotechnologie. - 1999 gelang es Biologen aus Freiburg und Zürich, "goldene" Reispflanzen herzustellen, die in ihren Körnern Provitamin-A erzeugen - besser bekannt unter dem Namen Beta-Karotin. Die Schöpfer prophezeiten ihrem Gewächs damals eine goldene Zukunft. Das Saatgut sollte Entwicklungsländern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, um den weit verbreiteten Vitamin A-Mangel zu lindern. Doch angebaut wird der Vitaminreis aus dem Genlabor bis heute nirgends.

Von Ralf Krauter | 25.04.2006
    Ein futuristisches Gewächshaus im botanischen Garten der Universität Freiburg. In den einzelnen Kammern wachsen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Ein Umluftsystem lässt weder Blätter, Samen noch Pollen der modifizierten Sorten ins Freie.

    "Das ist allerdings nicht poliert. Das ist ein gelber."

    In tropischer Schwüle recken sich hüfthohe Reispflanzen zu künstlichen Sonnen unterm Glasdach. Professor Peter Beyer, einer der beiden Schöpfer des goldenen Reises, kratzt einem der Körner mit dem Fingernagel die Schale ab:

    "Ja so etwas, die sind schon relativ hoch gehaltige. Das sieht man jetzt noch nicht gut, weil er noch nicht poliert ist. Also Reis wird ja poliert."

    Gelb wie Gries ist das Korn - wegen des hohen Gehaltes an Beta-Karotin, einer Vorstufe von Vitamin A. Um dessen Produktion anzuregen, haben die Biologen zusätzliche Gene ins Erbgut der Pflanzen eingeschleust. Die neuesten Linien erreichen fast schon den Beta-Karotin-Gehalt von Karotten. Beste Voraussetzungen also, um mit dem gelben Reis den Vitamin A-Mangel in der 3. Welt zu bekämpfen, an dem jährlich Hunderttausende erblinden und sterben. So ähnlich dachte auch Peter Beyer bis vor ein paar Jahren. Heute bekennt er, wohl etwas naiv gewesen zu sein:

    "”Tatsächlich war damals im Kopf: Wenn wir mal einen gelben Reis machen, wenn wir es je schaffen würden, dann ist das ein Produkt. Dass das bei Gott nicht so ist, hat man mit der Zeit gelernt.""

    Für die Zulassung gentechnisch optimierter Nutzpflanzen braucht man nicht nur in Europa einen langen Atem. Um zu belegen, dass der goldene Reis ernährungstechnisch sinnvoll und ökologisch unbedenklich ist, wären zahlreiche Freilandversuche nötig. Genehmigt und durchgeführt wurden bislang gerade mal zwei: 2004 und 2005 in den USA. Aber immerhin läuft in China nun der weltweit erste Ernährungsversuch, bei dem 30 Probanden goldenen Reis zu Essen bekommen. Die Analyse ihrer Blutproben soll verraten, wie viel von dem enthaltenen Beta-Karotin der Körper tatsächlich in Vitamin A umwandelt.

    Parallel dazu arbeiten Forscher in Indien und auf den Philippinen daran, die Fähigkeit zur Provitamin-A-Synthese von den Laborpflanzen in lokale Reissorten einzukreuzen. Wenn sie Erfolg haben, könnten in einem Jahr die ersten Freilandversuche in Asien starten. Sofern die dann Unbedenklichkeit, Nutzen und gesellschaftliche Akzeptanz des Vitaminreises belegen, könnte das Saatgut im größeren Stil an die lokalen Bauern verteilt werden - ohne Aufpreis und patentrechtliche Hürden. Beyer:

    "”Meine Hoffnung ist in fünf Jahren. Aber es wird vielleicht nicht ganz funktionieren.""

    Aus der anfänglichen Ablehnung des "Golden Rice" habe man vor allem eines gelernt, sagt Peter Beyer Der Impuls zur Anwendung muss aus den betroffenen Ländern selbst kommen. Beyer:

    "”Wenn die entsprechenden Wissenschaftler der einzelnen Länder ihr Know-how und ihre Skills einbringen, ist sofort Eigentum auch an dem Produkt geschaffen worden, und es ist eine ganz andere Angelegenheit, als wenn sie aus einer Industrienation ankommen und sagen: Hier ist ein goldener Reis, den wir für Euch entwickelt haben. Auch der politische Wille, diese Technologie weiter zu führen in den einzelnen Ländern, ist ganz sicherlich höher, wenn sie die lokalen, das heißt, die nationalen Agrarforschungsinstitute einbinden - und um die geht es. Insofern sind wir bemüht - und das gelingt auch in der Regel - diese Beteiligung zu haben.""

    Durch die Freigabe der Patentrechte und den offiziellen Ausstieg des Konzerns Syngenta, dem Greenpeace und andere Agro-Kolonialismus vorgeworfen hatten, sind den Kritikern wichtige Argumente abhanden gekommen. Heute wird das Projekt vollständig von öffentlicher Hand und gemeinnützigen Stiftungen finanziert - allen voran die Bill-Gates-Stiftung, die im Sommer 2005 grünes Licht für ein 11-Millionen-Projekt gab. Dabei wollen Forscher unter der Leitung von Peter Beyer den gelben Reis auch noch zur verstärkten Synthese von Eisen und Zink anregen - womit der Samen der wichtigsten Kulturpflanze dann fast schon zur ernährungstechnischen Vollwertkost würde.