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Tolle Idee - Was wurde daraus?

Medizin. - Es klang zu schön, um wahr zu sein: Ein kleines Messgerät am Handgelenk sollte Diabetikern jederzeit verraten, wie hoch ihr Zuckerspiegel liegt - und das völlig schmerzlos. Doch noch immer warten Patienten weltweit auf das Ende des Nadelstichs.

Von Ralf Krauter | 09.05.2006
    Das Wichtigste gleich vorab: Es war beileibe nicht das erste Mal, dass eine kleine Firma bei Diabetikern Hoffnungen schürte, die sie am Ende nicht erfüllen konnte. Und es wird vermutlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Denn der potenzielle Markt für nicht-invasive Blutzuckermessgeräte ist riesig.

    "Die Patienten sind ja ernsthaft frustriert darüber, dass trotz der vielen Jahre vollmundiger Versprechungen da bisher immer noch kein System für die Praxis zur Verfügung steht. "

    Professor Lutz Heinemann vom Profil Institut für Stoffwechselforschung GmbH in Neuss hat die Entwicklungen auf dem Gebiet seit Jahren verfolgt. Der Aufstieg und Fall des Züricher Unternehmens Pendragon Medical war für ihn in vieler Hinsicht ein Lehrstück: Ein Drama über voreilige Versprechungen und enttäuschte Erwartungen, in dem vom Erfolgsdruck getriebene Manager die Warnungen ihrer Berater in den Wind schlugen.

    Die auf den Namen Pendra getaufte Blutzuckeruhr aus Zürich ähnelte einer klobigen Digitaluhr. Sie wurde mit einem Pflaster am Handgelenk fixiert und sollte dann bis zu 48 Stunden lang die Blutwerte überwachen. Bei der Messung im Minutentakt prüfte ein schwaches elektromagnetisches Feld den elektrischen Widerstand der Haut. Weil der sich bei steigendem oder fallendem Blutglukosespiegel ändert, erlaubt das Rückschlüsse auf die aktuellen Zuckerwerte.

    "Die Technik haben wir hier an unserem Institut in einer Reihe von klinisch experimentellen Studien untersucht und haben eben parallele Änderungen des Messsignals zu Glukoseänderungen beobachtet. Das heißt noch nicht, dass es wirklich nur reine Glukose ist, die solche Effekte bewirkt. Da können andere Dinge wie Hauttemperatur auch einen Einfluss haben."

    Um zu klären, inwieweit das Messprinzip für die Praxis taugt, wären deshalb weitere systematische Untersuchungen nötig gewesen. Doch dafür fehlte die Zeit. Pendragon Medical hatte bis zum Juli 2004 über 30 Millionen Franken bei Geldgebern eingeworben. Um die Investoren bei der Stange zu halten, musste die Pendra möglichst schnell auf den Markt. Dabei hatte die erste unabhängige Studie bereits im Februar 2004 gezeigt, dass die Wunderuhr nicht hielt, was die Werbung versprach.

    "Es wurde eine klinische Studie bei Professor Reag in Paris durchgeführt. Die Daten wurden dann auch präsentiert und die haben eben gezeigt, dass die Qualität der Messungen unter realen Alltagsbedingungen nicht adäquat ist, um irgendwie damit Patienten zu versorgen."

    Die Pendra zeigte mal zu niedrige, mal zu hohe und mal gar keine Messwerte an. Pendragon Medical versuchte, das Problem mit einem Software-Update in den Griff zu bekommen und hielt weiter an der für Herbst 2004 angekündigten Markteinführung fest. Selbst dann noch, als ein zweiter klinischer Test im Juli 2004 ergab, dass auch die verbesserte Version nur bei einem von zehn Typ-1-Diabetikern die korrekten Blutzuckerwerte ausspuckt. Für Lutz Heinemann brachte das das Fass zum überlaufen. Nach mehreren Jahren im wissenschaftlichen Beirat der Firma nahm er seinen Hut.

    "Die kritischen Einwände, die wir von dem Scientific Advisory Board dann geäußert haben, wurden zunehmend ignoriert und als wir dann feststellen mussten, dass unsere diversen Versuche, den Druck herauszunehmen – weil wir sagen, die Sicherheit des einzelnen Patienten ist das Allerwichtigste, und ein Gerät, dass nicht sicher ist, darf man nicht auf den Markt bringen – als da klar wurde, dass wir da kein Gehör finden und man uns nur als Marionetten benutzt hat, als Namensgeber, wo man sagte, hier, anerkannte Experten sind dafür und so weiter. Als wir das mitbekommen haben wir ganz klar gesagt: Ohne uns, sind da ausgestiegen – was zu ernsthaften Diskussionen mit der Firma geführt hat."

    Die führte Pendragon dann auch mit seinen Vertriebspartnern. Die weigerten sich im Herbst 2004 nämlich schlicht, die rund 3000 Euro teure Mogelpackung auszuliefern. Dabei wäre rein rechtlich alles im grünen Bereich gewesen. Seit ihrer CE-Zertifizierung im März 2003 war die Pendra in Europa offiziell zugelassen. Ein klarer Fehler, wie sich später herausstellte, weshalb Lutz Heinemann und andere jetzt für verschärfte Standards bei der Zulassung nicht-invasiver Blutzuckermessgeräte plädieren.