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Tolle Idee! - Was wurde daraus?

Biologie. - Moskito-Weibchen haben nur einmal in ihrem Leben Sex. Wenn es gelingt, ihnen dabei einen sterilen Partner unterzujubeln, bleiben ihre Eier unbefruchtet und der Nachwuchs aus - die Population stirbt allmählich aus. Damit könnte auch die Malaria bekämpft werden.

Von Ralf Krauter | 22.08.2006
    Das Forschungszentrum Seibersdorf liegt in Niederösterreich, 40 Kilometer südlich von Wien. Im Auftrag der internationalen Atomenergiebehörde arbeitet der französische Insektenforscher Hervé Bossim hier an der Massenproduktion steriler männlicher Moskitos. In den gekachelten Labors riecht es muffig. In der Larvenstation stehen Regale mit weißen Plastikbehältern. Die schwarzen Punkte im Wasser darin sind Moskitoeier. In anderen Bottichen schwimmen bereits hunderte der krebsartigen Larven herum.

    "In diesem Labor hier, das - wie sie merken - sehr feucht und warm ist, sind unsere erwachsenen Moskitos. Hier halten wir verschiedene Stechmücken-Kolonien und machen Experimente, um die sterile Insektentechnik zur Einsatzreife zu entwickeln. Dabei sind drei Schritte von zentraler Bedeutung: Die Massenzucht von Moskitos, die Trennung der Männchen von den Weibchen - um die Männchen dann durch radioaktive Bestrahlung gezielt sterilisieren zu können - und die Freisetzung dieser unfruchtbaren Männchen in die Natur."

    Die Vorteile der sterilen Insektentechnik liegen auf der Hand. Das Verfahren kommt ohne Insektizide aus und ist extrem spezifisch. Unerwünschte Nebenwirkungen bei Menschen, Tieren und Pflanzen in der Freisetzungsregion sind kaum zu erwarten. Weil die paarungswilligen Moskitomännchen auch noch das letzte Weibchen in einer Gegend aufspüren, wird die Population im Idealfall völlig ausgelöscht. Ein Ziel, das in Malaria-verseuchten Gebieten, in denen ausschließlich eine Moskitoart die tödliche Krankheit überträgt, durchaus erstrebenswert sein kann. Zum Beispiel im Norden des Sudan. In Kooperation mit den dortigen Behörden haben die Insektenforscher in Seibersdorf eine Kolonie der lokalen Malaria-Überträger etabliert, erklärt Hervé Bossim.

    "Unser Ziel ist es, im Sudan eine Million Moskitomännchen pro Tag zu produzieren, die wir dann durch radioaktive Bestrahlung sterilisieren und anschließend an genau bestimmten Stellen längs des Nils freisetzen. Mit den speziellen Aufzuchtkäfigen, die wir gerade entwickeln, sollten solche Stückzahlen zu schaffen sein."

    Dass das Ganze im Prinzip funktioniert, ist erwiesen. Bei Fruchtfliegen zum Beispiel wird das Verfahren bereits eingesetzt - unter anderem in Obstanbaugebieten in den USA, Lateinamerika und Spanien, um die wirtschaftlichen Schäden durch Fruchtfliegenbefall zu begrenzen. Doch die Massenzucht von Moskitos ist komplizierter. Denn denen muss neben Zuckerlösung auch Blut gefüttert werden.

    "Hier sehen sie den Prototyp unseres Aufzuchtkäfigs. Er sieht ein Bisschen aus wie ein kleines Firstzelt, ist einen Meter lang und 80 Zentimeter breit. Im Inneren befinden sich derzeit zwar nur ein paar Tausend Moskitos. Aber das genügt, um zu testen, ob die Fütterungsautomatik so funktioniert, dass die Population längere Zeit überlebt. Als Nahrung pumpen wir eine Zuckerlösung in den Käfig. Außerdem gibt es eine Membran mit auf Körpertemperatur erwärmtem Rinderblut dahinter. Da stechen die Weibchen rein, um Blut zu saugen. Das ist wichtig, denn ohne Blut legen sie keine Eier."

    Mit einem Metallschieber werden die befruchteten Eier aus dem Käfig gefischt - bei voller Besetzung sollen es innerhalb von zehn Tagen bis zu 100.000 sein. Die aus den Larven entstehenden Puppen werden dann anhand ihrer Größe nach Geschlechtern sortiert.

    "Diese mechanische Sortierung wird schon in der Praxis eingesetzt - und zwar in Italien, von einer Gruppe um Romeo Bellini vom Zentrum für Agrarforschung in Bologna. Die produzieren die aggressiven asiatischen Tigermücken aedes albopictus, die in manchen Gegenden Italiens zur Plage geworden sind. Dank der unterschiedlichen Puppengröße sortieren sie die Weibchen aus, und bestrahlen nur die Männchen, bevor sie sie in bestimmten Regionen freisetzen."

    Zur Sterilisierung werden die Behälter mit Myriaden männlicher Puppen darin kurz in eine transportable Gammastrahlenquelle gehängt. Ob sich die bestrahlten Moskito-Männchen auch im Sudan gegen ihre potenteren natürlichen Mitbewerber durchsetzen, sollen Freilandversuche nun zeigen. Die bisherigen Erfolge jedenfalls stimmen so optimistisch, dass jetzt auch die französische Regierung den Einsatz der sterilen Insektentechnik erwägt - zur Eindämmung der von Tigermücken übertragenen Malaria-Epidemien auf der Insel La Réunion im indischen Ozean.

    Weblinks zum Thema:

    Geschichte und Entwicklung der sterilen Insektentechnik
    UN-Pressemeldung vom April 2004
    Insektenlabor der internationalen Atomenergiebehörde in Seibersdorf