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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Flüsterasphalt gegen Verkehrslärm

Verkehrslärm kann für Anwohner zu einer großen Belastung werden. Daher wird bereits seit 30 Jahren am sogenannten Flüsterasphalt geforscht. Dieser Straßenbelag soll bei besonders hohem Verkehrsaufkomme, den Krach reduzieren. Doch es gibt auch eine Kehrseite - der leise Asphalt geht schnell kaputt.

Von Volker Mrasek | 15.08.2017
    Auf der 52 in Essen wird Flüsterasphalt verlegt
    Noch ist der Flüsterasphalt in der Erprobungsphase. (imago / Rupert Oberhäuser)
    Autobahnkreuz Köln-Ost. Der ganz normale Verkehrslärm an der Stelle, wo A3 und A4 aufeinandertreffen. Laut zu geht es aber auch auf einer Fahrbahnfläche am Rande der beiden Autobahnen. Ein 16 Meter langes Kettenfahrzeug kriecht im Schneckentempo über die Piste. Es ist eine riesige Fräse: "Damit hobelt man den Asphalt runter. Damit die neu einbauen können", sagt der Fahrer.
    Noch in Warteposition am Fuß der 50-Meter-Strecke zwei andere Ungetüme, beide um die fünf Meter breit:
    "Das sind die Maschinen, die den Straßenbelag letztendlich herstellen. Das sind Straßenfertiger."
    Christoph Becker ist Bauingenieur bei der BaSt, der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch-Gladbach. Und an diesem Tag für ein Experiment draußen auf dem Testgelände. Die Straßenfertiger sollen wenig später einen flüsternden Fahrbahnbelag fabrizieren: "Die werden herkömmlicherweise in der Asphalt-Bauweise eingesetzt. Und jetzt wurden diese Maschinen modifiziert, um letztendlich einen ordentlichen Belag in offenporigem Beton herzustellen. Das Ziel besteht bei diesem offenporigen Beton darin, eine Geräuschminderung zu erzielen. Und im Fahrgastraum des PKWs zum Beispiel ist es dann auch hörbar."
    Schon seit 30 Jahren wird am leisen Boden geforscht
    Flüsterbeläge für unsere Straßen. Fahrbahn-Decken, die Reifenlärm reduzieren. Vor gut 30 Jahren machte man sich daran, sie zu entwickeln: Neuartige Asphalt-Sorten, die offenporig sind, wie man sagt. Voller Hohlräume. So dass vom Reifen beim Rollen erzeugte Schallwellen in die Poren eindringen und dort absorbiert, also quasi geschluckt werden. Auch eine weitere Lärmquelle lässt sich so entschärfen:
    "Luft wird unter dem Reifen komprimiert. Und wenn ich einen dichten Fahrbahnbelag habe, dann kann die Luft dort nicht entweichen. Und es kommt zu einem sogenannten Air Pumping."
    Dieser Krach werde durch Poren in der Asphalt-Auflage ebenfalls vermindert, sagt Marko Wieland, auch er Fachingenieur bei der BaSt. Am Ende dauerte es gut 20 Jahre von der Idee über ausführliche Praxistests bis zum straßentauglichen Produkt. 2007 war es so weit: "Dort wurde dann dieser offenporige Asphalt ins Regelwerk überführt und wird seitdem als sogenannte Standardbauweise ausgeführt."
    Weil der Schallschlucker aber doppelt so teuer ist wie herkömmlicher Asphalt, wird er nur selten verbaut: "Mir sind Zahlen bekannt: Um die 250 Kilometer Richtungsfahrbahn, die mit einem derartigen Belag ausgeführt worden sind. Und das sind natürlich nur Stellen, wo Lärmminderung wirklich eine hohe Bedeutung besitzt. Das sind dann Ballungsgebiete, das sind Wohngebiete, wo eben Bundesautobahnen oder Bundesfernstraßen direkt Einfluss haben auf den Lärm im Wohngebiet."
    Bei insgesamt 13.000 Autobahnkilometern in Deutschland ist das nicht viel Flüsterasphalt. Aber dort, wo er liegt, sind die Reifen-Fahrbahn-Geräusche um mindestens fünf Dezibel geringer. Das ist die technische Anforderung. Und das macht sich auch bemerkbar:
    [Klang von lauterem Fahrbahnbelag]
    So klingt ein normaler Straßenbelag ...
    [Klang von offenporigem Asphalt]
    ... und so der offenporige und lärmmindernde ...
    Offenporiger Asphalt hält nicht so lange
    Flüsterasphalt hat aber auch einen großen Nachteil: Er hält nicht besonders lange. Sechs bis acht Jahre, heißt es. Dann muss die Fahrbahndecke oft schon wieder erneuert werden. Weil sie verschlissen ist. Oder weil sich ihre Poren mit Schmutz zusetzen. Auch können sie zu sehr verdichtet werden, um noch effektiv Schall zu schlucken.
    Je höher das Verkehrsaufkommen, desto mehr leidet der Spezialasphalt. Auch Wettereinflüsse spielten dabei eine Rolle, so Marko Wieland:
    "Wenn wir solche Hitzeperioden haben im Sommer, dann wird so ein Baustoff natürlich umso mehr beansprucht. Das sind aber auch die Verkehrsbeanspruchungen, dort insbesondere die LKW. So kann so ein Belag bei Extremstbelastung schon nach fünf oder sechs Jahren versagen. Sie bauen einen Baustoff ein, der letztendlich keine hohe Widerstandsfähigkeit gegen derartige Beanspruchungen besitzt."
    Also zurück zum Versuchsgelände am Autobahnkreuz Köln-Ost. Denn hier verbauen die Fahrbahnflüsterer neuerdings Straßenbeläge, die länger halten sollen. Keinen Asphalt, sondern offenporigen Beton. Der kleckert jetzt aus der Trommel. Auf der Teststrecke ist ein Betonmischer vorgefahren:

    "Der wird jetzt gleich zurücksetzen und den Fertiger befüllen."
    Beton enthält Zement als Bindemittel. Deshalb ist es robuster und langlebiger als Asphalt, in dem Bitumen steckt, das nicht so hart ist.
    "Wir fahren zweimal 50 Meter. Und das sollte eigentlich jeweils in einer Stunde erledigt sein."
    Eine Probestrecke in Deutschland
    So einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt, ist ein Umstieg von Flüsterasphalt auf Flüsterbeton aber nicht. BaSt-Experte Marko Wieland: "Hier sind wir in der Erprobungsphase. Natürlich kann man so einen Baustoff nicht von heute auf morgen in die Praxis überführen."
    Bisher gebe es erst eine Probestrecke in Deutschland, auf einem Parkplatz an der A9 bei München. Eine zweite an der A6 bei Ansbach sei in Vorbereitung. Doch nicht nur die Praxistests dauern Jahre. Offenporiger Beton braucht auch eine neue Einbautechnik und modifizierte Straßenfertiger: "Dort ist also nicht vor zehn Jahren damit zu rechnen, dass so eine Bauweise in eine Regelbauweise überführt werden kann."
    Flüsternde Fahrbahnbeläge entwickeln sich also weiter. Noch sind sie zu kurzlebig und müssen zu häufig ersetzt werden. Doch das könnte sich ändern. Der Bedarf an schallschluckenden Pisten soll jedenfalls weiter steigen - genauso wie das Verkehrsaufkommen auf unseren Straßen.