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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Lauschangriff im Regenwald

Tropische Regenwälder werden oft unerlaubt abgeholzt. Weltweit stammen zwischen 15 und 30 Prozent des gehandelten Holzes aus illegalen Quellen. Ein Physiker schlug vor einigen Jahren vor, den Dieben mithilfe ausrangierter Mobiltelefone das Handwerk zu legen – durch eine großräumige Abhöraktion im Regenwald.

Von Andrea Hoferichter | 18.08.2020
Der US-Physiker Topher White hängt an einem Seil und Gurt in den Baumkronen im tropischen Regenwald, um einen Akustik-Sensor zu montieren
Topher White montiert einen Akustik-Sensor im Regenwald (Rainforest Foundation)
Aus der Nähe ist das illegale Treiben der Holzfäller im Regenwald gut zu hören. Doch schon ein paar hundert Meter entfernt verschwindet der Kettensägen-Sound im Getöse der Dschungeltiere. Das brachte den Physiker Topher White vor einigen Jahren auf eine Idee: Er will die verdächtigen Geräusche mithilfe von ausrangierten Handys aufspüren, die dann Warnmeldungen an die zuständigen Ranger schicken. Dazu hat er die alten Mobiltelefone umgebaut und umprogrammiert und sie in verschiedenen Wäldern in 35 bis 50 Metern Höhe an die Bäume gebunden. Solarmodule liefern den nötigen Strom.
"Es ist immer noch unser Hauptgeschäft: Wir detektieren Kettensägen, Schüsse, Fahrzeuge, die Geräusche von Mopeds oder Lastern, die rein und rausfahren. Und dann können wir Alarmmeldungen an ein ganzes System aus Software zu schicken, das wir für die Leute am Boden entwickelt haben."
Der Physiker ist aus San Francisco per Video zugeschaltet. Gerade sitzt er zuhause am Schreibtisch und kramt ein graues Kunststoffkästchen mit einer schwarzen Antenne hervor. In den wetterfesten Kästen stecken die Innereien ausrangierter Handys, Batterien und Platinen für das Strommanagement.
"Die Abhörgeräte sehen jetzt so aus. Sie fangen alle Geräusche ein, laden die Audiodaten dann hoch in die Cloud. Dort können wir sie auf Anzeichen für illegale Aktivitäten untersuchen."
Die Daten werden über das Handynetz oder Satelliten übertragen. Mit zehn Geräten lassen sich etwa 100 Quadratkilometer Wald abhören: eine Fläche, die so groß ist wie die Insel Sylt.
Künstliche Intelligenz hilft bei der Bewertung der Geräusche
Vor mehr als fünf Jahren initiierte Topher White ein erstes akustisches Monitoring-Projekt in Sumatra, Indonesien. Heute hören er und sein Team vom Waldschutzverband Rainforest Connection Waldgebiete in 14 Ländern ab, in Südamerika, Asien und Afrika.
Die Software funktioniert dank künstlicher Intelligenz zuverlässiger als in den Anfangsjahren, sagt Topher White. Und wurden Warnungen damals noch per E-Mail rausgeschickt, funktioniert das heute vor allem über die sogenannte Ranger-App. Damit können sich die Waldmanager ein verdächtiges Geräusch erst einmal anhören und die Warnung entweder bestätigen oder verwerfen. Das trainiert das System und schafft Transparenz.
"Das ist wichtig. Denn wenn die Leute auf einen Fehlalarm reagieren und vor Ort nichts finden, verlieren sie sofort das Vertrauen in das System. Deshalb können sie in der App auswählen, ob sie zustimmen, dass das Geräusch richtig interpretiert wurde."
Lauschsystem hat seine Tauglichkeit bereits bewiesen
Das ist trotz künstlicher Intelligenz längst nicht immer der Fall. Schließlich liefern Kettensägen ganz ähnliche Audiosignale wie Flugzeuge oder manche Insekten. Und Schüsse, die Wilderer entlarven könnten, unterscheiden sich in den Aufnahmen kaum von knackenden Ästen oder dergleichen. Um solche Fehlalarme künftig zu vermeiden, suchen die Waldschützer nach Auffälligkeiten in den Tiergeräuschen.
"Das Coole daran, den Geräuschen der Natur zuzuhören und sie zu verstehen ist, dass die Tiere dir Dinge verraten, die du sonst nicht hören kannst. Wenn ein Mensch durch den Wald geht, macht er selbst kaum Geräusche. Aber die Tiere in seiner Nähe reagieren. Die verdächtigen Geräusche der Tiere kombinieren wir dann mit anderen Hinweisen, dass jemand da ist. Und wenn das zusammenkommt, geben wir eine Warnung raus."
Mit der Abhöraktion im Regenwald konnten schon Dutzende Baumdiebe auf frischer Tat ertappt werden. Nicht immer sind sie auch verurteilt worden. Doch oft reiche es, sie bei ihrem Tun zu stören, damit sie nicht wiederkommen, sagt Topher White.
Ergänzung für Satellitenaufnahmen
Künftig will das Team noch mehr Waldflächen abhören und die Audiodaten für Studien zur Artenvielfalt zur Verfügung stellen. Ab September soll zudem eine neue, leistungsstärkere Generation Abhörgeräte beim Lauschangriff helfen. Alte Handys werden dafür allerdings nicht mehr gebraucht. Das Geld für die Projekte kommt von Stiftungen, von den Regierungen der betroffenen Länder, Nichtregierungsorganisationen und von großen Technologiekonzernen.
Eine andere Methode, Holzräubern auf die Spur zu kommen, ist die Analyse von Satellitendaten. Denn auch die Bilder aus dem All zeigen, wo sich unerlaubt Löcher im Dschungel auftun. Topher White sieht sein akustisches Frühwarnsystem als Ergänzung.
"Die Analyse von Satellitendaten ist ein sehr, sehr wichtiges Werkzeug. Wenn es eine Technologie gibt, die unser Verständnis des Waldes in den letzten 15 Jahren verändert hat, dann sind das Satellitendaten – weil man sehen konnte, wie sich der Wald verändert. Das war bahnbrechend. Das Problem ist, dass man aus dem All nicht sieht, was im Inneren des Waldes passiert. Und da kommen die Geräusche ins Spiel."