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Tolle Idee - Was wurde daraus?
Per Schienenkanone ins All

Ins All - aber ohne Treibstoffverbrauch: Das ist die Idee hinter dem Schienenbeschleuniger, der Raketen magnetisch in den Orbit befördern soll. Allerdings wären die Kosten für dieses Schienensystem enorm, weswegen das Testprojekt beendet wurde. Doch mittlerweile gibt es weltweit neue Interessenten.

Von Karl Urban | 22.10.2019
Die Illustration von EADS Space Transportation in Bremen zeigt einen Elektromagnetischen Schienenbeschleuniger (Railgun), mit dem Nutzlasten (z.B. Satelliten) in die Erdumlaufbahn (Bild undatiert) geschossen werden könnten. Ein für diese Vision benötigtes High-Tech-Gerät von sechs Metern Länge steht zur Zeit im deutsch-französischen Forschungsinstitut Saint Louis.
Die Rakete wird auf eine Schiene gesetzt und mit magnetischen Impulsen beschleunigt (picture alliance / EADS)
Ein Satellit wird auf einen Schlitten gesetzt, fest angeschnallt und dann mit magnetischen Impulsen auf einer Schiene beschleunigt, erst über hunderte Meter geradeaus und dann wie im Anlauf einer Achterbahn immer steiler nach oben, wo die Schiene endet und der Schlitten in den Himmel schießt.
"Einen Schienenbeschleuniger kann man sich als einen vergleichsweise einfachen elektrischen Motor vorstellen, der die Besonderheit hat, dass man mit ihm sehr große Geschwindigkeiten erreichen kann."
Magnetbeschleuniger wäre sehr teuer
Seit 13 Jahren untersucht Markus Schneider vom Deutsch-Französischen Forschungsinstitut in Saint-Louis solche Systeme im Labormaßstab, mit einer großen Vision: Irgendwann könnte ein kleiner Schlitten reibungsfrei entlang der hunderte Meter langen Schiene so sehr beschleunigt werden, dass er es bis in den Orbit schafft. Das zehn- bis 15fache der Schallgeschwindigkeit sind denkbar:
"Im Zweifel sind das Geschwindigkeiten von mehr als zwei, vielleicht sogar fünf Kilometern pro Sekunde."
Obwohl jeder einzelne magnetische Start vergleichsweise günstig wäre, gibt es eine große Einstiegshürde. Denn der Magnetbeschleuniger wäre verglichen mit einer Startrampe für Raketen ziemlich teuer.
"Es ist eine riesige Infrastruktur. Da standen dann zwei Milliarden Euro an Investitionskosten im Raum und das ließ sich nicht durchsetzen. Da bin ich immer wieder gefragt worden: Ja, wie wollen Sie das finanzieren?"
Die Beschleunigung ist machbar
Thino Eggers vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig hat untersucht, welche Kräfte bei einem viel kürzeren, nur 200 Meter langen Schienenbeschleuniger wirken würden: Denn damit hier die Nutzlast die nötige Höhe erreicht, müsste eine kleine Raketenstufe magnetisch in den Himmel geschossen werden, um dann in einer Höhe von einigen Kilometern zusätzlich ein Triebwerk zu starten. Ein solches Triebwerk müsste in der ersten magnetischen Flugphase immense Kräfte aushalten.
"Diese Beschleunigung, die nötig ist, liegt bei 3.000 bis 3.500 G. Und da haben wir viele Versuche gemacht."
Weil aber noch kein Magnetbeschleuniger existiert, musste sich der Forscher anders behelfen.
"Da haben wir von der Bundeswehr sechs Granatenhülsen gekauft, 155 Millimeter Panzergranaten. Und die sind ausgedreht worden. Da haben wir ein Hybridtriebwerk eingebaut. Das Hybridtriebwerk bestand in diesem Fall aus dem Oxidatortank, den wir mit Wasser gefüllt haben, weil das Triebwerk ja nicht brennen sollte, und dem Brennstoffblock. Der war mit Dehnungsmessstreifen instrumentiert, dass man die Verformung messen konnte."
"Da haben wir ganz eindeutig gezeigt, dass das, was die Beschleunigung angeht, machbar ist."
Beim Militär lebt die Idee weiter
Das Projekt beim DLR ist mittlerweile abgeschlossen; ein Nachfolger ist nicht geplant. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass bei den konventionellen Weltraumraketen die Startkosten sehr schnell sinken, weil Raketenstufen zunehmend wieder auf der Erde landen und wiederverwendet werden.
Die Illustration von EADS Space Transportation in Bremen zeigt den möglichen Flugverlauf einer durch einen Elektromagnetischen Schienenbeschleuniger (Railgun) abgeschossenen Nutzlast (z.B. Satellit) in die Erdumlaufbahn (Bild undatiert). Ein für diese Vision benötigtes High-Tech-Gerät von sechs Metern Länge steht zur Zeit im deutsch-französischen Forschungsinstitut Saint Louis.
Schienenkanone, auch Railgun genannt, für Kleinsatelliten (picture alliance / EADS)
Weiter vorangetrieben wird der Schienenbeschleuniger dagegen von Militärforschern. Und die wollen damit nicht ins All, sondern auf Drohnen oder Marschflugkörper schießen. Auch in der Arbeitsgruppe von Markus Schneider geht es hauptsächlich um neue Waffensysteme, was aus dessen Sicht kein Nachteil sein muss.
"Weltweit wurde noch nie so viel Aufwand betrieben, einen Schienenbeschleuniger operationell zu bekommen wie heute. Man arbeitet vor allen Dingen in den USA und China, aber auch in Japan, Südkorea, in der Türkei und Indien daran. Es ist im Moment sehr viel Bewegung im Bereich dieser Technologie."
Ob ein Schienenbeschleuniger am Ende Geschosse und dann vielleicht doch noch Satelliten in den Orbit befördert, bleibt abzuwarten. Denn auch die klassische Raumfahrt entwickelte sich vor über 60 Jahren aus der militärischen Raketenforschung. Vielleicht wiederholt sich diese Entwicklung ja auch beim Schienenbeschleuniger.