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Ton, Steine, Scherben

Es soll ein Musterprozess sein in Rom: Der erste ganz große Prozess, in dem illegaler Kunsthandel und auch die involvierten global players vor Gericht kommen. Im Mittelpunkt steht das weltberühmte Getty-Museum Los Angeles und seine inzwischen entlassene Kuratorin Marion True. Das ist der Anfang vom Ende einer 10-jährigen akribischen Recherchearbeit der Staatsanwaltschaft.

Von Thomas Migge |
    "Die interministerielle Kommission zur Rückgabe gestohlener Kunstgüter ermittelt in diesem Fall schon seit Jahren. Italien ist ja das Land, in dem die meisten Kunstgüter gestohlen werden. Nehmen Sie doch nur unsere Kirchen und Museen. Was aber am meisten gestohlen wird sind antike Kunstschätze. Und so geht es auch in diesem Fall um griechische und altrömische Objekte, die illegalerweise aus dem Land ausgeführt wurden."

    Mario Bondioli-Osio weiß wovon er spricht. Der Ministerialdirigent im römischen Kulturministerium beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Suche nach illegal ins Ausland gebrachten Kunstgegenständen. Sein Büro arbeitet eng mit jener Carabinieri-Einheit zusammen, die - weltweit einmalig - ausschließlich damit beschäftigt ist, gestohlene Kunstwerke aufzuspüren und wieder nach Italien zurückzubringen. Kunstwerke wie jene bronzene Skulptur, die einen Athleten darstellt und ein Werk des Lysipp sein soll, eines der berühmtesten altgriechischen Bildhauer. Er arbeitete in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts vor Christus. Die komplett erhaltene Skulptur des Lyspp soll 1964 vor der süditalienischen Küste aus dem Wasser gefischt worden sein. Über die Schweiz, so vermuten die italienischen Kunst-Carabinieri, soll sie in die USA gebracht worden sein. Mit, so der Verdacht, gefälschten Herkunftsdokumenten. Heute gehört der antike Athlet zu den bedeutendsten Schätzen des Getty-Museums in Los Angeles. Für den Ankauf war Marion True verantwortlich, die Kuratorin des Paul Getty Museums.
    Mario Bondioli-Osio:

    "Ich gehe nur in Zusammenarbeit mit der Staatsanwalt vor und es ist die Staatsanwaltschaft, die jetzt den Prozess gegen das Getty-Museum im Allgemeinen und gegen Mario True im Besonderen angestrebt hat. Wir Italiener lassen uns den permanenten Kunstraub nicht mehr gefallen. Inzwischen bedienen sich ja sogar ausländische Museen bei uns und arbeiten mit Kunstdieben zusammen. Uns geht es ja nur darum, gestohlene Kunst wieder zurückzuholen."

    Ein römischer Richter wird in dem mit großer Spannung erwarteten Prozess entscheiden, ob sich das US-amerikanische Getty-Museum des Diebstahls und unrechtmäßigen Besitzes italienischer Kunstgüter schuldig gemacht hat. Tatsache ist, dass Museumskuratorin Marion True für die Anschaffung der meisten der 50.000 zum Teil wertvollen Exponate der Antikenkollektion des Getty verantwortlich war. Nach den Vorwürfen, sie habe dabei mit undurchsichtigen Kunsthändlern in den USA und in Europa zusammengearbeitet, mit Geschäftsleuten, die ihrerseits mit hochspezialisierten italienischen Kunstdieben in Kontakten stehen, führte Frau True 1995 strenge Regeln für den Ankauf antiker Objekte ein. Ihr Ziel war es, Objekte zweifelhafter Provenienz zurückzugeben. 1999 schickte das Getty eine Terrakotta-Trinkschale aus dem 5. vorchristlichen Jahrhundert und verschiedene andere antike Kunstwerke nach Italien zurück. In diesen Tagen werden weitere Objekte, darunter ein Vasenkrater des Malers Astaes aus dem süditalischen Paestum an den italienischen Staat zurückzugeben. Diese Rückgaben werden als ³Donazione², als Schenkung bezeichnet - mit diesem Begriff soll einer Diskussion um eine mögliche Mitschuld des Getty am Aufkauf von Raubkunst der Wind aus den Segeln genommen werden, erklärt Antonio Paolucci, ehemaliger italienischer Kulturminister und oberster Verantwortlicher der florentiner Kulturgüter:

    "Nur wenige wissen, das es ein internationales Business mit antiker Kunst aus Italien gibt. Unsere Kunstpolizei ermittelt ja nicht nur gegen das Getty, sondern auch gegen eine Gruppe von Kunsthändlern wie zum Beispiel den Schweizer Emanuel Robert Hecht, der eng mit Marion True zusammenarbeitete. Wir verlangen Aufklärung über insgesamt 40 Objekte im Besitz des Getty, die 1987, als sie in die USA eingeführt wurden, einen Wert von zirka 25 Millionen Dollar hatten. Das sind alles wichtige Kunstwerke."

    Sie haben heute einen wesentlich höheren Marktwert als 1987. Marion True wird bei dem Prozess in Rom von einem Staranwalt vertreten. Offiziell heißt es, dass das Getty Museum hinter ist stehe. In Wirklichkeit aber wurde sie am 3. Oktober zum Rücktritt von ihrem Amt gezwungen. Als Grund dafür wurde der Kauf eines Ferienhauses in Griechenland angegeben, vermittelt durch einen Kunsthändler, der für Marion True antike Kunst in Italien besorgt hatte. Von Interessenkonflikt ist die Rede, weshalb sich das Museum von der prominenten Kunsthistorikerin trennte. Das italienische Justizministerium geht davon aus, dass ein Großteil der Antikensammlung dieses Museums durch zwielichte Kunsthändler in Italien aufgekauft wurde - bei Kunstdieben und bei Vermittlern wie dem Italiener Giacomo Medici, der im Fall Getty am vergangenen 4. März in Genf zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und der dem italienischen Kulturministerium eine Entschädigung in Höhe von 10 Millionen Euro zahlen muß.