Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Tonaufnahmen in Mexiko gefunden
Sprach so Frida Kahlo?

Franz Kafka, Else Lasker-Schüler, Egon Schiele: Von vielen Künstlerinnen und Künstlern sind nur die Werke, nicht aber ihre Stimmen bekannt. Nun ist in Mexiko angeblich ein Tondokument mit der Stimme der Malerin Frida Kahlo aufgetaucht. An der Authentizität gibt es allerdings Zweifel.

Karen Genschow im Gespräch mit Katja Lückert | 13.06.2019
Selbstbildnis von Frida Kahlo aus dem Jahr 1940 (Ausschnitt)
Kunst als Sprache: Selbstbildnis von Frida Kahlo aus dem Jahr 1940 (Ausschnitt) (picture alliance / dpa)
"Mit seinem asiatischen Kopf, auf dem dunkle Haare wachsen, so dünn und fein, dass sie in der Luft zu schweben scheinen, ist er ein großes, riesiges Kind, mit freundlichem Gesicht und traurigem Blick." Zart, fast poetisch spricht eine helle Frauenstimme die Worte, die sich auf den mexikanischen Maler Diego Rivera beziehen: den 20 Jahre älteren Ehemann von Frida Kahlo, den sie 1929 geheiratet hatte. Entstanden war der Text wohl, um ihn Jahrzehnte später als 50 Jahre lang tätigen Künstler zu würdigen.
Der mexikanische Rundfunkjournalist Gálvez y Fuentes wollte den Tonschnipsel 1956 in einer Sendung über Rivera verwenden. In seinem Nachlass fand die Fonoteca Nacional de Mexico die Aufnahme nun. Sie passt stimmlich zu einer Beschreibung von Frida Kahlos Freundin, der Fotografin Gisèle Freund, die in einem Artikel geschrieben hatte: "Frida raucht, sie lacht, spricht mit einer wohlklingenden und warmen Stimme."
Zu weich, fast süß
Trotzdem ist Kahlos Biografin Karen Gunschow skeptisch, was die Authentizität der Aufnahme angeht. Im Deutschlandfunk sagte die Literaturwissenschaftlerin: "Mir ist diese Stimme zu weich, wenn man beachtet, dass sie ihr ganzes Leben lang starke Raucherin war, wie sie in sehr vielen Briefen schreibt, auch viel getrunken hat – und dann mit Mitte 40 so eine weiche, fast süße Stimme – das klingt mir nicht ganz überzeugend. Vielleicht habe ich aber auch einen falschen Klang im Ohr".
Auch der Zeitpunkt der Aufnahme wirft Fragen auf, so Gunschow. Die große Anerkennung sei erst lange nach dem Tod der Künstlerin gekommen – mit der feministischen Rezeption in den 1970er-Jahren. Dass überhaupt zu Lebzeiten Interviews mit Frida Kahlo aufgezeichnet worden seien, sei deshalb nicht unbedingt zwingend.
Wunschdenken?
Sollte es sich bei der nun gefundenen Aufnahme nicht um die Stimme von Frida Kahlo handeln, so Karen Genschow in der Sendung "Kultur heute", wolle sie auch niemandem eine absichtliche Fälschung unterstellen: "Vielleicht ist da ein gutes Stück Wunschdenken dahinter, das Rätsel um Frida Kahlos Stimme zu lösen und der Öffentlichkeit eine Sensation präsentieren zu können."
Inzwischen gebe es allerdings zunehmend Stimmen, die die Ikonisierung der Malerin zum internationalen Pop-Star eher suspekt fänden: "Trotz dieses riesigen Hypes und der Banalisierung, die damit immer einhergeht, sind ihre Bilder sehr viel facettenreicher, als man sie gemeinhin interpretieren würde. Die Übersetzung ihrer direkten körperlichen Schmerzen ins Bild greift einfach zu kurz und ist zu einfach."