Ich glaube nicht an Begriffe wie die Distribution, und ich glaube sogar nicht an den Begriff der Markt. Sondern ich denke, es gibt sehr heterogene Räume. Und ich versuche zumindest zwei Typen zu beschreiben. Das sind die geschlossenen Räume einer historischen oder sagen wir historisierenden Darstellung wie Museen, Kunsthallen, auch Theater, Bibliotheken. Und Räume einer flottierenden Distribution. Das sind Medien, das sind Zeitungen, das sind Gerüchte und vieles anderes mehr, das man nicht überschaubar machen kann. Das Buch ist so aufgebaut, dass es zunächst einmal diese grobe Unterscheidung trifft und versucht, mit topologischen Strukturen dieser Räume zu arbeiten.
Es ist eine grobe Unterscheidung, denn die Grenzen zwischen diesen Raumtypen beginnen zu verschwimmen. Wenn sich z.B. Museen durch spektakuläre Ausstellungen auf dem medialen Markt zu positionieren versuchen, räumen sie häufig große Teile ihrer Bestände beiseite und riskieren ihre Funktion als Archiv. Doch diese Verschiebung kann erst durch den topologischen Ansatz bemerkt werden. Groys plädiert auch für die Verräumlichung des Benjaminschen Begriffes der Aura. Sie haftet nicht dem Original an, im modernen Museum kann auch die Reproduktion ihrer teilhaftig werden. Es ist eine Frage des Ortes und des Kontextes.
Ich denke, der Status des Kunstwerks, die Bedeutung, das ist alles weitgehend kontextabhängig. Wir hatten lange Zeit die Illusion, dass wir so etwas wie eine Bedeutung eines Kunstwerks haben, eine Intention, die wir dechiffrieren sollen. Das war die Zeit der Moderne, der klassischen Moderne. Dann haben und die Autoren der Postmoderne erklärt, dass alles nur flottierende Zeichen sind, die überhaupt keine Bedeutung haben, Simulakren. Das glauben wir inzwischen auch nicht so richtig. So habe ich versucht, das Schicksal der Zeichen, der Kunstwerke in unserer Zivilisation zu untersuchen und zu zeigen, wie sie kontextabhängig und situationsabhängig ihre Bedeutungen bekommen und wie sie funktionieren.
Das Schicksal der Zeichen, das wird man festhalten können, ist wechselhaft. Aber gerade weil sie ständig neuen Kontexten und Situationen ausgesetzt werden, wird der Ort, an dem sie sich jeweils befinden, besonders wichtig. Dass Boris Groys sowohl die klassischen Orte der Kunst als auch die Massenkommunikationsmittel ins Visier nimmt, ist kein Zufall. Sie sind aufeinander bezogen.
Unser Kunstsystem funktioniert als eine Umkehrung, und deswegen ist die Topologie so wichtig, als eine Umkehrung des Hauptsystems, des medialen Systems. Das mediale System funktioniert so, man produziert für die Masse, erfüllt den Auftrag der Masse, so wie man diesen Auftrag versteht. Ein typischer Fernsehproduzent sagt, ach, ich finde das alles Schrott oder was auch immer, aber die Leute wollen es und deswegen mache ich es. D.h. die Autorschaft wird der Masse zugeschrieben. Was das Kunstsystem eigentlich macht, das Kunstsystem versucht das, was diese Masse produziert hat, jetzt ästhetisch zu bewerten, kritisch zu bewerten. Es ist sozusagen ein Zweitaktmotor, mit dem unsere Kultur, ich weiß nicht, nach vorne geht oder sich im Kreise dreht. Das ist jetzt eine zweite Frage.
Was Boris Groys beschreibt, sind nicht zuletzt die Folgen des Siegeszugs von Marcel Duchamp. Insofern trifft es nicht auf alle Künstler zu, aber besonders auf die als vorbildlich kritisch nobilitierten. Folglich kommt der Berufstand des Kritikers, des kritischen ideellen Gesamtkonsumenten, bei Groys nicht vor. Und zwar nicht, weil er unwichtig geworden ist, sondern, weil seine Sichtweise sich verallgemeinert hat.
Schon diese Forderung, dass die Kunst kritisch sein soll, bedeutet dass der Künstler die Seite gewechselt hat. Er ist nicht der Produzent, der sein Produkt dem Markt anbietet, sondern er versucht zumindest, zu einem kritischen, paradigmatischen Konsumenten des Marktes, der Medien zu werden. Und der Kritiker war es immer. Ich habe das Gefühl, dass einfach der Unterschied verschwindet zwischen dem Künstler, dem Kritiker, dem Kurator, dem Sammler, dem Museumsdirektor usw. Sie tun alle im Kunstsystem das gleiche, das Kunstsystem homogenisiert sich. Nicht im Bezug auf verschiedene Ideologien, das Kunstverständnis, aber im Bezug auf das Rollenverständnis. Der Künstler macht das gleiche wie der Kritiker. Er hebt bestimmte Dinge auf und thematisiert sie, andere lässt er beiseite. Im Grunde sind wir alle im gleichen Verfahren. Für mich ist der Künstler einfach ein Kollege.
Die Homogenisierung des Kunstsystems führt jedoch nicht dazu, dass es übersichtlicher wird, im Gegenteil. Ebenso wenig lässt die Verschiebung des Kunstschaffens, das sich vom traditionellen Werkbegriff fortentwickelt, die Autorschaft verschwinden. Das Subjekt, schon oft totgesagt, überlebt, gerade im Kunstsystem und auch in den philosophischen Erzählungen.
Mich irritierte immer, vor allem bei Derrida ist es zu bemerken. Er sagt, ja, das Subjekt gibt es ja nicht mehr, das Subjekt ist verloren gegangen, hat sich aufgelöst, hat die Kontrolle verloren. Und dann kommt so eine Frage, immer in seinen Texten, an den Leser: Siehst du es jetzt ein? Hast du das bemerkt? Jetzt ist es doch bewiesen! Jetzt ist es doch klar! Und ich habe mich immer gefragt, wem ist es klar? Wenn das Subjekt verschwunden ist, warum dieses fast Betteln? Ich denke, das ist der Ort, wo die Subjektivität bleibt. Es gibt diesen Sprung und ich denke, das ist der Ort, wo das Subjekt die ganze Kritik überlebt hat. Und da bringe ich dieses Beispiel von Gott. Gott war damals nicht das Subjekt, als er die Welt hervorgebracht hat. Das war keine große Leistung. Sondern, als er gesagt hat: Es ist gut. In dem Augenblick hat er seiner eigenen Arbeit zugestimmt.
Also hat Gott die Welt signiert. Es ist ja kein Zufall, dass außer IHM nur der Künstler den Beinamen Schöpfer tragen darf. Und das Schöpfen ist eine anstrengende Arbeit. In dem Essay Versklavte Götter: Kino und Metaphysik zeigt Boris Groys, wie sich der sportliche Filmheld, die Identifikationsfigur des konsumierenden Zuschauers, mit dem bösen Anderen der Kreativität, der Autorschaft, auseinandersetzt, die in der Regel unattraktiv ist und nach Schweiß zu stinken scheint. Wie Boris Groys diese Volte der Verkehrung des schöpferischen Gottes in sein Gegenteil hinbekommt, das hat schon seine komischen Qualitäten. Inwieweit sie sich dem absurden Zweitaktmotor des Kunstsystems verdanken oder doch mehr dem ironischen Theoriejongleur, dem Entertainer Groys, das ist eine zweite Frage.
Vielleicht liegt es ja auch an dem übergreifenden System, dessen Teil das Kunstsystem ist. Kapital. Kunst. Gerechtigkeit heißt der diesen Band beschließende Aufsatz. In ihm beschreibt Groys die Schwierigkeiten, die unsereiner mit dem Kapitalismus hat. Wir sprechen einfach nicht die gleiche Sprache. Der Fluss des Kapitals ist nicht diskursiv. Das führt unweigerlich zu mentalen Turbulenzen.
Ich würde es durch das man ersetzen. Also mir ist das doch egal. Ich habe keine besondere Beziehung zum Kapitalismus, aber ich stelle fest, dass nach dem Untergang des Sozialismus die Utopie nicht verschwunden ist, die utopischen Erwartungen sind nicht verschwunden. Das ist alles jetzt projiziert auf den Kapitalismus. Wenn man angeblich kritische Bücher liest wie Negri und Harts Imperium, das ist eine unglaublich utopische Projektion eines besseren Kapitalismus. Und ich frage mich, ob der Kapitalismus das irgendwie überlebt. (Gelächter) ... Das ist diese Kluft, in der wir alle stecken. Wir haben keine andere Projektionsfläche als den Kapitalismus. Aber projizieren wir unsere Wünsche und unsere utopischen Vorstellungen auf diese Projektionsfläche, merken wir sofort, die ist nicht so optimal geeignet.
Es ist eine grobe Unterscheidung, denn die Grenzen zwischen diesen Raumtypen beginnen zu verschwimmen. Wenn sich z.B. Museen durch spektakuläre Ausstellungen auf dem medialen Markt zu positionieren versuchen, räumen sie häufig große Teile ihrer Bestände beiseite und riskieren ihre Funktion als Archiv. Doch diese Verschiebung kann erst durch den topologischen Ansatz bemerkt werden. Groys plädiert auch für die Verräumlichung des Benjaminschen Begriffes der Aura. Sie haftet nicht dem Original an, im modernen Museum kann auch die Reproduktion ihrer teilhaftig werden. Es ist eine Frage des Ortes und des Kontextes.
Ich denke, der Status des Kunstwerks, die Bedeutung, das ist alles weitgehend kontextabhängig. Wir hatten lange Zeit die Illusion, dass wir so etwas wie eine Bedeutung eines Kunstwerks haben, eine Intention, die wir dechiffrieren sollen. Das war die Zeit der Moderne, der klassischen Moderne. Dann haben und die Autoren der Postmoderne erklärt, dass alles nur flottierende Zeichen sind, die überhaupt keine Bedeutung haben, Simulakren. Das glauben wir inzwischen auch nicht so richtig. So habe ich versucht, das Schicksal der Zeichen, der Kunstwerke in unserer Zivilisation zu untersuchen und zu zeigen, wie sie kontextabhängig und situationsabhängig ihre Bedeutungen bekommen und wie sie funktionieren.
Das Schicksal der Zeichen, das wird man festhalten können, ist wechselhaft. Aber gerade weil sie ständig neuen Kontexten und Situationen ausgesetzt werden, wird der Ort, an dem sie sich jeweils befinden, besonders wichtig. Dass Boris Groys sowohl die klassischen Orte der Kunst als auch die Massenkommunikationsmittel ins Visier nimmt, ist kein Zufall. Sie sind aufeinander bezogen.
Unser Kunstsystem funktioniert als eine Umkehrung, und deswegen ist die Topologie so wichtig, als eine Umkehrung des Hauptsystems, des medialen Systems. Das mediale System funktioniert so, man produziert für die Masse, erfüllt den Auftrag der Masse, so wie man diesen Auftrag versteht. Ein typischer Fernsehproduzent sagt, ach, ich finde das alles Schrott oder was auch immer, aber die Leute wollen es und deswegen mache ich es. D.h. die Autorschaft wird der Masse zugeschrieben. Was das Kunstsystem eigentlich macht, das Kunstsystem versucht das, was diese Masse produziert hat, jetzt ästhetisch zu bewerten, kritisch zu bewerten. Es ist sozusagen ein Zweitaktmotor, mit dem unsere Kultur, ich weiß nicht, nach vorne geht oder sich im Kreise dreht. Das ist jetzt eine zweite Frage.
Was Boris Groys beschreibt, sind nicht zuletzt die Folgen des Siegeszugs von Marcel Duchamp. Insofern trifft es nicht auf alle Künstler zu, aber besonders auf die als vorbildlich kritisch nobilitierten. Folglich kommt der Berufstand des Kritikers, des kritischen ideellen Gesamtkonsumenten, bei Groys nicht vor. Und zwar nicht, weil er unwichtig geworden ist, sondern, weil seine Sichtweise sich verallgemeinert hat.
Schon diese Forderung, dass die Kunst kritisch sein soll, bedeutet dass der Künstler die Seite gewechselt hat. Er ist nicht der Produzent, der sein Produkt dem Markt anbietet, sondern er versucht zumindest, zu einem kritischen, paradigmatischen Konsumenten des Marktes, der Medien zu werden. Und der Kritiker war es immer. Ich habe das Gefühl, dass einfach der Unterschied verschwindet zwischen dem Künstler, dem Kritiker, dem Kurator, dem Sammler, dem Museumsdirektor usw. Sie tun alle im Kunstsystem das gleiche, das Kunstsystem homogenisiert sich. Nicht im Bezug auf verschiedene Ideologien, das Kunstverständnis, aber im Bezug auf das Rollenverständnis. Der Künstler macht das gleiche wie der Kritiker. Er hebt bestimmte Dinge auf und thematisiert sie, andere lässt er beiseite. Im Grunde sind wir alle im gleichen Verfahren. Für mich ist der Künstler einfach ein Kollege.
Die Homogenisierung des Kunstsystems führt jedoch nicht dazu, dass es übersichtlicher wird, im Gegenteil. Ebenso wenig lässt die Verschiebung des Kunstschaffens, das sich vom traditionellen Werkbegriff fortentwickelt, die Autorschaft verschwinden. Das Subjekt, schon oft totgesagt, überlebt, gerade im Kunstsystem und auch in den philosophischen Erzählungen.
Mich irritierte immer, vor allem bei Derrida ist es zu bemerken. Er sagt, ja, das Subjekt gibt es ja nicht mehr, das Subjekt ist verloren gegangen, hat sich aufgelöst, hat die Kontrolle verloren. Und dann kommt so eine Frage, immer in seinen Texten, an den Leser: Siehst du es jetzt ein? Hast du das bemerkt? Jetzt ist es doch bewiesen! Jetzt ist es doch klar! Und ich habe mich immer gefragt, wem ist es klar? Wenn das Subjekt verschwunden ist, warum dieses fast Betteln? Ich denke, das ist der Ort, wo die Subjektivität bleibt. Es gibt diesen Sprung und ich denke, das ist der Ort, wo das Subjekt die ganze Kritik überlebt hat. Und da bringe ich dieses Beispiel von Gott. Gott war damals nicht das Subjekt, als er die Welt hervorgebracht hat. Das war keine große Leistung. Sondern, als er gesagt hat: Es ist gut. In dem Augenblick hat er seiner eigenen Arbeit zugestimmt.
Also hat Gott die Welt signiert. Es ist ja kein Zufall, dass außer IHM nur der Künstler den Beinamen Schöpfer tragen darf. Und das Schöpfen ist eine anstrengende Arbeit. In dem Essay Versklavte Götter: Kino und Metaphysik zeigt Boris Groys, wie sich der sportliche Filmheld, die Identifikationsfigur des konsumierenden Zuschauers, mit dem bösen Anderen der Kreativität, der Autorschaft, auseinandersetzt, die in der Regel unattraktiv ist und nach Schweiß zu stinken scheint. Wie Boris Groys diese Volte der Verkehrung des schöpferischen Gottes in sein Gegenteil hinbekommt, das hat schon seine komischen Qualitäten. Inwieweit sie sich dem absurden Zweitaktmotor des Kunstsystems verdanken oder doch mehr dem ironischen Theoriejongleur, dem Entertainer Groys, das ist eine zweite Frage.
Vielleicht liegt es ja auch an dem übergreifenden System, dessen Teil das Kunstsystem ist. Kapital. Kunst. Gerechtigkeit heißt der diesen Band beschließende Aufsatz. In ihm beschreibt Groys die Schwierigkeiten, die unsereiner mit dem Kapitalismus hat. Wir sprechen einfach nicht die gleiche Sprache. Der Fluss des Kapitals ist nicht diskursiv. Das führt unweigerlich zu mentalen Turbulenzen.
Ich würde es durch das man ersetzen. Also mir ist das doch egal. Ich habe keine besondere Beziehung zum Kapitalismus, aber ich stelle fest, dass nach dem Untergang des Sozialismus die Utopie nicht verschwunden ist, die utopischen Erwartungen sind nicht verschwunden. Das ist alles jetzt projiziert auf den Kapitalismus. Wenn man angeblich kritische Bücher liest wie Negri und Harts Imperium, das ist eine unglaublich utopische Projektion eines besseren Kapitalismus. Und ich frage mich, ob der Kapitalismus das irgendwie überlebt. (Gelächter) ... Das ist diese Kluft, in der wir alle stecken. Wir haben keine andere Projektionsfläche als den Kapitalismus. Aber projizieren wir unsere Wünsche und unsere utopischen Vorstellungen auf diese Projektionsfläche, merken wir sofort, die ist nicht so optimal geeignet.