
Ein wenig mulmig wird Dirk Broichhausen schon zu Mute, wenn er an den kommenden Sommer denkt. Die kleine Firma GoalControl, bei der der 46-Jährige die Geschäfte führt, könnte dann in den Mittelpunkt des globalen Interesses geraten. Zumindest, wenn etwas schief geht in einem entscheidenden Moment bei der Weltmeisterschaft in Brasilien.
“Ich habe einen großen Respekt, man darf mal nicht unterschätzen, die WM ist alle vier Jahre vielleicht das größte Sportevent der Welt. Es schauen Milliarden Leute zu, es sitzen Millionen in den Stadien, ich glaube, für jeden Supplier der Fifa ist es ein Adrenalinpegel pur, da mitmachen zu dürfen. Wir haben keine Angst davor, aber ich muss schon sagen, würden wir jetzt von Null zu einer WM starten, wäre vielleicht auch ein wenig Angst dabei.“
Expansion auf allen Ebenen
GoalControl wird, wie schon beim Confederations-Cup im vorigen Sommer und bei der gerade zu Ende gegangenen Klub-Weltmeisterschaft in Marokko, die Torlinientechnik bereitstellen. Die Systeme errechnen aus Bildern, die von insgesamt 14 im Stadion verteilten Kameras aufgezeichnet werden, ob ein Ball die Torlinie komplett überschritten hat oder nicht. Ist der Ball im Tor, empfängt der Schiedsrichter ein Signal auf seiner Armanduhr. Dass ausgerechnet die kleine Firma aus Würselen den Zuschlag bekam, war im Frühjahr selbst für Insider eine große Überraschung. Denn in der Öffentlichkeit waren bis dahin vor allem der Chip im Ball des Karslbader Unternehmens Cairos aufgetaucht und das vom Tennis bekannte Hawk Eye aus England. GoalControl hingegen agierte als Ableger der Pixargus GmbH lange im Verborgenen.
“Wir galten als Underdog, diese Rolle haben wir sehr gerne gespielt“,
sagt Broichhausen. Jetzt ist er ein Big-Player auf dem Weltmarkt der Torlinientechnik. GoalControl expandiert auf allen Ebenen. schließlich muss die WM vorbereitet werden. Außerdem planen viele große europäische Ligen die Einführung eines der vier vom Weltverband Fifa lizensierten Torlinensysteme. Und die deutsche Bundesliga erwägt nach Stefan Kießlings Phantomtreffer aus dem Herbst sogar, die Technik - anders als ursprünglich geplant - schon im kommenden Sommer zuzulassen. Viel Arbeit für Broichhausen und seine Mitarbeiter.
“Es ist schon so, das wir hier eine sehr gute Organisation aufsetzen werden und müssen. Es war für uns von Anfang an klar, dass wir neben dem Turnierwettbewerb auch das Ligabusiness sehen. Und da haben wir bereits Strategien in der Schublade. Ich will nicht sagen, wir können, drei bis fünf Ligen parallel installieren, das wäre sicher ein bisschen vermessen, aber wir können schon auch parallel arbeiten und stehen auch bereit, sollte eine Entscheidung, in dem Fall von der Bundesliga die Technik 2014 einzuführen, vorliegen, werden wir uns der Aufgabe stellen.“
Bislang keine umstrittenen Szenen
Noch wirkt bei GoalControl allerdings vieles eher behelfsmäßig. Gerade ist die Firma in Räumlichkeiten im Aachener Tivolistadion umgezogen. Fertig eingerichtet sind die Büros noch nicht. Am Eingang hängt ein knitteriger Zettel: GoalControl Loge 12, steht dort. In dem kahlen Raum mit Blick in die Arena werden Gäste empfangen. Bevor das Gespräch beginnt, müssen aber erstmal die Reste des vorigen Meetings aufgeräumt werden. Broichhausen hat viel zu tun, die WM rückt immer näher. Und dort wird die weite Fußballwelt auch dann Bekanntschaft mit der Technik machen, wenn sich wie schon beim Confed-Cup gar keine umstrittenen Szenen ergeben: Gezeigt werden nämlich aus den von den Kameras erhobenen Daten berechnete Animationen, so genannte Replay-Versionen.
“Diese Replays die für den Zuschauer im Stadion und Fernseher veröffentlicht werden, zeigen auch wie ist der Ball in die Situation hineingekommen, vor dem Tor, in das Tor übers Tor, keine Ahnung, das kann man alles wunderbar zeigen.“
Weil es bisher nur eindeutige Treffer gab, wenn die Technik im Einsatz war, wirkten diese Bilder ein wenig lächerlich. Aber bei den vielen knappen Szenen, die es in der laufenden Bundesligasaison schon gab, wären solche Animationen sehr hilfreich gewesen. Und eine Forschergruppe bei GoalControl arbeitet schon an ganz anderen Plänen. Broichhausen kann sich vorstellen,
“…dass der Zuschauer sich multimedial mit dem Ipad da irgendwie reinversetzt in irgendwelche Spielerblicke, und so ganz anders teilnimmt am Spiel.“
Goal Control hat also viele Pläne, aber Risiko ist groß. Man stelle sich nur vor, es ergibt sich eine Situation, die von den Fernsehkameras eindeutig als Tor identifiziert wird. Und die Torlinientechnik gibt kein Signal, weil irgendein technischer Defekt vorliegt. Die Fifa wäre blamiert, ebenso wie die Würselener Firma. Ein einziger Fehler könnte alles ruinieren.
“Kein System ist unfehlbar, das gibt es nicht. Ja, aber man muss auch sehen: Es gibt kaum vergleichbare IT-Systeme, die solchen strengen Tests unterzogen werden.“
Selbst gegen die Gefahr von Hackerangriffen wurde berücksichtigt, und in der englischen Permier League, wo schon jetzt das Konkurrenzprodukt Hawk Eye eingesetzt wird, gab es bislang keine Klagen.