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Tornado-Ausbruch im Südosten der USA

Meteorologie. - 300 Tornados fegten am 28. April durch den Südosten der Vereinigten Staaten, davon wurden zwei in die höchste Wirbelsturm-Kategorie eingestuft, zwölf in die zweithöchste. Damit gab es an einem einzigen Tag so viele Stürme wie in einem normalen Jahr. Meteorologen forschen jetzt nach den Ursachen dieses Phänomens.

Von Volker Mrasek |
    Ein solches Unwetter wie am 28. April kommt in den USA nur alle 30 bis 40 Jahre vor. Davon gehen Experten inzwischen aus. Seit einer Woche sind so genannte forensische Meteorologie-Teams jetzt schon im Einsatz. Sie begutachten Gebäude- und Naturschäden in den Schneisen, die die gewaltigen Tornados geschlagen haben.

    "We basically had at least a year's worth of violent tornadoes occur on one day."

    Im Grunde hatten wir ein ganzes Tornado-Jahr an einem einzigen Tag. So formuliert es Harold Brooks aus dem Nationalen Starksturm-Labor der USA in Oklahoma. Nach den Schadensbegutachtungen fällt mehr als ein Dutzend der Tornados vom 28. April in die Kategorie F4 oder F5 der hier maßgeblichen Fujita-Skala. Das sind die stärksten Sturmwirbel, die bei Gewittern auftreten können. Brooks:

    "Zwei Tornados wurden bisher mit F5 eingestuft und zwölf weitere mit der Stärke F4. Das ist wirklich ungewöhnlich! Normalerweise treten in einer ganzen US-Saison nicht so viele verheerende Tornados auf. Im Durchschnitt sind es weniger als einen F5er und nur zehn F4er pro Jahr."

    So selten solche Super-Ausbrüche von Tornados sind, so ungewöhnlich waren auch die Wetterbedingungen Mitte der vergangenen Woche. Über dem Südosten der USA hatten sich warme, feuchte Luftmassen gestaut. Also stand reichlich Energie für die Wirbelstürme zur Verfügung. Daneben blies der Wind bis in fünf, sechs Kilometern Höhe aus allen möglichen Richtungen, das heißt die Windscherung an dem Tag war sehr hoch. Also wurden die Tornados, die man sich wie Kreisel vorstellen kann, besonders stark angetrieben und erreichten extreme Rotationsgeschwindigkeiten. Doch das war noch nicht alles. Es kommt auch nicht oft vor, daß so viele Gewitterzellen zeitgleich existieren und Tornados hervorbringen. Brooks:

    "Wir hatten vielleicht zehn Gewitterstürme zur selben Zeit, die sich nicht gegenseitig die Energie wegschnappten. Jedes Gewitter braucht warme, feuchte Luft als Lebenselixier. Wenn sich nun ein zweites in der Nähe bildet und Regen fällt, dann kühlt sich die Umgebung ab und damit normalerweise auch die warm-feuchte Luft, aus der sich das erste Gewitter speist. Dadurch wird es von seiner Energiezufuhr abgeschnitten. In der letzten Woche aber war das nicht so. Die Zufuhr feucht-warmer Luft in den einzelnen Gewitterzellen riss nicht ab."

    Es gab also praktisch zehn Tornado-Fabriken, die am vergangenen Mittwoch aktiv waren. Und sogar 25, wenn man die beiden vorhergehenden Tage mitzählt, an denen die meteorologischen Bedingungen auch schon extrem waren. Das erklärt, warum so viele Tornados auftraten. Nach vorläufigen Schätzungen könnten es insgesamt 300 gewesen sein. Fünf Tage vor der Katastrophe gab es bereits Unwetter-Vorhersagen für die Region. Der US-Wetterdienst gibt weiter an, auch vor mehr als 90 Prozent der Tornados gewarnt zu haben – im Schnitt 25 Minuten vorher. Trotzdem gab es weit über 300 Tote. Warum war das so? Das wollen Atmosphärenphysiker Harold Brooks und andere Experten noch genauer analysieren:

    "Hatte das mit mangelnder Stabilität der Häuser zu tun? Wurden die Tornado-Warnungen nicht richtig weitergegeben? Oder reagierten viele Leute einfach nicht darauf? Diesmal, und das ist ungewöhnlich für Tornados, gab es mehr Todesfälle erst nach dem Unwetter. Als der Strom ausfiel, zündeten Leute Kerzen an und verursachten so fatale Brände. Andere starben an Herzinfarkten. Zusammen mit Gesundheitsexperten können wir das jetzt genauer untersuchen. Und so vielleicht erfahren, wie man die Bevölkerung besser vorbereitet und die Zahl der Opfer verringert."

    Die Bevölkerung im Südosten der USA bangt derweil, ob nicht noch mehr passiert. Denn die Hochsaison für Tornados ist dort noch lange nicht vorbei. Sie wird noch den ganzen Mai und Juni lang andauern.