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Tornados im Weltraum

Astronomie. - Die 2007 gestarteten Themis-Satelliten umkreisen die Erde in weit gespannten Elippsen: Die Forschungssatelliten kommen der Erde teilweise bis auf zu 500 Kilometer nahe und entfernen sich wieder bis auf über 180.000 Kilometer. Mit ihrer Hilfe wurden nun gigantische Weltraumtornados entdeckt, 70.000 Kilometer lang und weit genug, um die ganze Erde einzuhüllen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die fünf Themis-Satelliten fliegen durchs All, um die Magnetosphäre zu vermessen. Dabei stießen sie auf seltsame "Stürme": Gewaltige Tornados, die sich auf der Nachtseite der Erde in den Weltraum hinein schrauben. Sie bestehen aus Magnetfeldlinien, denen elektrisch geladene Plasmateilchen mit einer gigantischen Geschwindigkeit folgen - mit einer Million Kilometer pro Stunde:

    "Die Weltraumtornados ähneln durchaus den atmosphärischen Wirbelstürmen: Unter anderem sind beide trichterförmig. In dem Trichter der Weltraumtornados fließen sehr, starke Ströme von 100.000 Ampere. Es sind elektrische Tornados."
    Ihre Trichter ziehen sich von der Ionosphäre in rund 470 Kilometern Höhe über 70.000 Kilometer weit in den erdnahen Weltraum hinein, erklärt Andreas Keiling von der Universität von Kalifornien in Berkeley.

    "Ihre Entstehung hat etwas damit zu tun, dass sich der sogenannte Magnetschweif der Erde verändert. Die elektrisch geladenen Teilchen des Sonnenwinds stauchen auf der Tagseite das Magnetfeld der Erde zusammen, fließen an der Erde vorbei und ziehen das Magnetfeld auf der Nachtseite wie ein Gummiband zu einem langen Schweif auseinander. Von Zeit zu Zeit überdehnt der Sonnenwind die Magnetosphäre, sodass sie wie ein Gummiband zurückschnappt und die Energie schlagartig freigesetzt wird. Dabei entsteht der Weltraumtornado."

    Anders als sein Gegenstück auf der Erde hat ein Weltraumwirbelsturm zwei parallele Trichter: Einer dreht sich im Uhrzeigersinn und der andere entgegengesetzt. Auf den Spirallinien des einen Wirbels rasen Schauer von elektrisch geladenen Teilchen auf die Ionosphäre zu - und auf denen des anderen fliegen sie in den Weltraum hinein:

    "Wir haben festgestellt, dass diese Tornados mit besonders intensiven Polarlichtern verbunden sind, denn Polarlichter entstehen ja, wenn an den Polen die geladenen Teilchen des Sonnenwinds auf die Ionosphäre treffen. Während eines Weltraumtornados prasseln besonders viele Teilchen auf sie ein. Auf der Nachtseite der Erde ereignen sich etwa alle drei Stunden besonders strahlende Polarlichter, und hinter jedem steckt ein Weltraumtornado."

    Es ist gelungen, die Energie, die in einem solchen Wirbelsturm steckt, abzuschätzen, erklärt Olaf Amm vom Finnischen Meteorologischen Institut:

    "Wir konnten für eine 400 Quadratkilometer große Fläche berechnen, dass darin eine Leistung von zehn Gigawatt steckt. Man braucht schon mehrere Kernkraftwerke, um so viel bereitzustellen."

    Kein Wunder, dass die Weltraumtornados auch auf der Erde Folgen haben: Sie sind Teil des sogenannten Weltraumwetters. Ist das besonders schlecht, kann es technische Geräte wie Satelliten außer Gefecht setzen:

    "Die Weltraumtornados haben schon in Kraftwerken Überspannungen erzeugt. In Kanada und Finnland haben ihretwegen Transformatoren gebrannt, und in Kanada und Schweden haben sie Blackouts verursacht. Außerdem können sie das GPS-System so stark stören, dass die Positionsbestimmung einen Fehler von mehreren Kilometern aufweist. Für viele Anwendungen ist das kritisch."
    Auch wenn die Wissenschaftler durch die Entdeckung der Weltraumtornados einen besseren Einblick in die komplexe Natur des Weltraumwetters haben: Sie hilft nicht dabei, die Folgen zu vermeiden. Zwischen dem Entstehen eines Tornados durch ein Zurückschnappen des Magnetschweifs der Erde und seinem Eindringen in die Ionosphäre mit allen negativen Folgen vergeht gerade einmal eine Minute: zu wenig für Aktionen.