Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Toronto Film Festival nach #MeToo
Frauen arbeiten doppelt so hart

Beim Internationalen Filmfestival im kanadischen Toronto waren Frauen vor und hinter der Kamera das beherrschende Thema. Auf der Leinwand und davor überzeugten sie durch harte Arbeit und künstlerische Ergebnisse.

Von Anna Wollner | 17.09.2018
    Schauspielerin Elizabeth Debicki bei der Galavorstellung von Steve McQueens Film "Widows - Tödliche Witwen" beim Toronto International Film Festival 2018.
    Schauspielerin Elizabeth Debicki bei der Galavorstellung von Steve McQueens Film "Widows - Tödliche Witwen" beim TIFF (imago / Sharon Latham)
    "Share your journey" - das war ein Hashtag, um den man in den vergangenen Tagen nicht herum kam. Egal ob beim Women's March zum Festivalauftakt, als Motto auf T-Shirts oder Ansteckern. Die Solidarität unter Frauen war überall spürbar. Buttons mit "I stand with women in Film" wurden verteilt und auffällig oft auch bei Männern gesehen.
    In Gesprächen, ob in der Kinoschlange unter den Besuchern oder bei Interviews mit Schauspielerinnen und Regisseurinnen war es das vorherrschende Thema. Elizabeth Debicki, beim TIFF in gleich zwei Filmen auf der Leinwand zu sehen, hat den Stimmungsumbruch auch hinter den Kulissen wahrgenommen.
    "Die ganze Zeit über hier war ich umgeben von Frauen. Mit Ausnahme von Steve McQueen. Und ich bin mit zwei Filmen hier. Also ja, ich merke eine Veränderung. Denn es tut gut. Vor ein paar Tagen warteten Viola Davis, Michelle Rodriguez und Cynthia Erivo auf einen Auftritt, und auf einmal ist ein männlich dominiertes Filmteam an uns vorbeigelaufen. Die Energien haben sich sofort verändert, nicht ins Negative, aber da ist mir aufgefallen, dass ich nur von Frauen umgeben bin und sich das gut anfühlt."
    Unterschätzte Frauen
    Dabei ist es eine einfache Rechnung: Je mehr Filme von Frauen eingeladen werden, desto diverser wird das Festival und das wirkt sich auch auf die Stimmung aus. Und diese Rechnung geht auch auf der Leinwand auf. Die Frauenfiguren waren vielfältig und vielschichtig wie nie zuvor: Isabelle Huppert in "Greta" war ein Monster, eine verwitwete Stalkerin, die wie die böse Hexe in einem Grimm-Märchen auftritt; Laura Dern in "Jeremiah Terminator Leroy" vollkommen überdreht; Kristen Stewart im gleichen Film verletzlich und verwundbar; Julia Roberts in "Ben is back" wegen der Drogensucht ihres Sohnes verzweifelt; und Sienna Miller in "American Woman" trotz vieler Schicksalsschläge immer würdevoll.
    Auf den Punkt allerdings bringt es Steve McQueens "Widows - Tödliche Witwen". McQueen erzählt, basierend auf einer Fernsehserie aus den 80er Jahren und nach einem Drehbuch von Gillian Flynn von drei Witwen, die nach dem Tod ihrer kriminellen Ehemänner deren letztes großes Ding zu Ende machen. Es ist ein Raubüberfall-Thriller mit Frauen in den Hauptrollen, der Film, der "Oceans 8" eigentlich hätte werden müssen. Ein fulminanter Film über Trauer, Rache, Schuld und Korruption - mit relevanten Fragen über Klassen- und Rassenunterschiede, Politik und Gender. Denn die Frauen hier werden in erster Linie unterschätzt. Und das sei der Fehler, so Hauptdarstellerin Viola Davis.
    "Ich mag es, wenn die Leute mich unterschätzen. In Notsituationen wächst man über sich selbst hinaus. Und die Frauen hier werden in so eine Notsituation hineingeworfen. Der Film ist eine Metapher für Wandel. Denn Wandel passiert, wenn man gezwungen wird zu handeln. Die Frauen werden gezwungen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen."
    Höhere Maßstäbe
    Dabei sind es nicht nur die Frauen auf der Leinwand, sondern auch hinter der Kamera, die überzeugen. Mia Hanson Love zum Beispiel erzählt in ihrem Film "Maya" die Geschichte eines französischen Journalisten, der nach einer viermonatigen Geiselhaft in Syrien wieder seinem sicheren Zuhause in Paris entflieht und nach Goa reist.
    Wie so oft in Hanson Loves Filmen ist der Protagonist verkopft, eine Art Gefangener, der versucht auszubrechen. Ganz ruhig, fast schon lethargisch erzählt. Nicht alle Filme der Regisseurinnen sind gelungen - das sind die der Männer auch nicht - aber Regisseurin Chanya Button kritisiert im Interview, dass schon im Vorfeld an Frauen viel höhere Maßstäbe angelegt werden.
    "Ich muss doppelt so hart arbeiten. Das müssen Sie als weibliche Filmkritikerin auch. Aber ich finde das gut. Denn nur so kann ich das machen, was ich will. Jede Frau, die etwas tut, was historisch gesehen von Männern dominiert wurde, muss sich beweisen. Vor allem wenn du nicht die Größe, Form, Farbe oder das Geschlecht hast, das die Leute von dir erwarten. Die Leute müssen sich erst einmal an dich gewöhnen und Vertrauen aufbauen."
    Umso wichtiger, dass Toronto als Festival den Frauen den Raum gegeben hat, ihre Filme hier einem großen Publikum zu zeigen.