Der Vorhang geht auf, und man sieht eine Art Baugerüst mit zwei übereinander angelegten Spielflächen. Auf der unteren nimmt das Filmorchester Babelsberg Platz, oben wird agiert und auf einer Leinwand fleißig projiziert, von Tom- und Jerry-Sequenzen bis zu Varietéauftritten und Katastrophenszenarien. Das Ganze ist eine Drehbühne. Sie dreht sich oft in den zwei Stunden der pausenlosen Vorstellung. Vor der Baustelle links eine Kühlschrank, ein paar Plastikeimer, vor allem mit Blut gefüllt, das an diesem Abend reichlich fließt, eine Art Staffelei und, rechts, ein Flügel. Man spielt Tosca, frei nach Puccinis Oper, aber auch frei, sehr frei nach dessen Vorlage, dem vergessenen Schauspiel von Sardou. Noch freier geht man mit der Musik um, für die neben Zitaten aus Puccinis Tosca und La Bohème auch reichlich Alltagsgeräusche und die Tarwater-Musiker Roland Lippok und Bernd Jestram mit ihrem groovigen, elektronischen Krautrocks zuständig sind.
Experimente und Grenzüberschreitungen können sinnvoll sein. Und nichts gegen einen freien Umgang mit der Oper. Nur, es muss etwas dabei herauskommen, es muss Sinn machen. Sebastian Baumgartens Experiment erschöpft sich allerdings in einer banalen Übertragung des Puccinischen bzw. Sardouschen Stücks in die sprachlich wie ästhetisch proletarische Alltäglichkeit von Heute. Baumgarten erzählt die hinlänglich bekante Geschichte von dem flüchtenden Konsul, dem verfolgten Maler, der eifersüchtigen Primadonna und dem brutalen Po samt Folterkeller- und Hinrichtungsszenen. Nur nicht um 1800 in Rom, sondern im heutigen Ostberlin. Kühnheit, Corrgaio, und Geschwindigkeit stehen in Leuchtschrift auf dem Baugerüst. Versprechung, die in Baumgartners Inszenierung keineswegs eingelöst werden. Wer einige Volksbühnen-Erfahrung hat, erkennt in Sebastian Baumgartens Tosca-Adaption im Grunde eine szenische Mischung aus etwas Schlingensief, ein bisschen Marthaler und reichlich Castorf. Altbewährte Volksbühnendramaturgie und -Optik begegnet einem. Der Tosca-Plot muss herhalten als Projektionsfläche von intellektuell verbrämter, wiewohl abgestandener, moderner Kunstphilosophie, ewig-ostiger Kapitalismuskritik und zur klischeehaften Zurschaustellung von Macht und Sadismus, Religion und Sex. Angelotti spielt eine Transe in Strapsen, der Messner spielt beim Te Deum halbnackt den Bischof, während aus dem Bühnenboden ein kindlich-seniler, mit Spielzeug hantierender Fantasy-Zwerg hochfährt: Die Verkörperung der Wohlstands- und Spaßgesellschaft? Ein Milliardär aus den arabischen Emiraten faselt etwas von Religions- und Kulturkonflikten und der Maler Cavaradossi wird als ausgeflippter Möchtegern-Künstler gezeigt, als anarchischer Rebell und enfant terrible, das sich keiner Ordnung und Zuordnung unterwirft. Lars Rudolf darf - vornehmlich in Unterhosen agierend - alle Register eines virtuosen, Deppen von Bakunins Gnaden ziehen.
Am eindrucksvollsten in dieser flauen Vorstellung ist Kathrin Angerer als nudelkochende Floria Tosca. Eine große Schauspielerin, aber unter ihren Möglichkeiten. Sie reduziert Tosca auf ein emporgekommenes, aufmüpfiges, bigottes und rotzfreches Berliner Proleten-Gör. Sie ist ein eiskaltes und doch immer wieder sentimentales Luder. Sie schnauzt die Männer aufbegehrend an mit dem Tonfall eines Zille-Marktweibes. Ihr "Vissi d´arte, vissi d´amore" singt sie hilflos wie ein Schulmädchen. Singen ist nicht ihre eigentliche Profession. Eher überzeugt sie in T alkshows
Tosca auf ein von gesellschaftlichen, erotischen und religiösen Zwängen fremdbestimmtes Mädchen zu reduzieren, ist ebenso wenig überzeugend wie die professorale Deklamation von Kunsttheorien oder die Zurschaustellung brutaler Ermordungsszenen, in denen dekaliterweise Blut fließt und gespuckt wird. Und was soll die zu Beginn der Vorstellung zelebrierte Wiederbelebung der Tosca-Leiche, bei der einer der Bahrenträger sich in die Unterhose greift, zwei Tennisbälle entnimmt, die er Tosca aufs Gesicht legt, woraufhin sie ihre Augen öffnet und als sexy Girlie auf die Bühne kommt?
Am Ende erschießt Tosca eigenhändig ihren geliebten Maler Cavaradossi. Es ist der Schlusspunkt eines plakativ und platt gezeichneten Befreiungskampfs einer jungen Frau, die in die Rolle der Diva gedrängt wurde. Zum Finale zeigt Baumgarten vor spiegeblitzendem Sternenhimmel auf glutrotem Rundhorizont in Zeitlupe den Sturzflug der Tosca, die sich ja bei Puccini von der Engelsburg stürzt, während an der Rampe die wahre Tosca in einem Divenkostüm als Popsängerin auftritt. Der Erkenntniswert dieser Auseinandersetzung mit Puccinis Tosca ist gleich Null. Nichts Neues haben wir erfahren oder gelernt. Aber immerhin: Es darf viel gelacht werden über Parodie und Travestie, Karikatur und Kitsch, Klamauk und das Scheitern eines Regisseurs. Aber vielleicht ist das Ganze ja als Kanevalsscherz gemeint. Man weiß ja, die Berliner, und Sebastian Baumgarten ist einer, haben ein besonderes Verhältnis zum Karneval.
Experimente und Grenzüberschreitungen können sinnvoll sein. Und nichts gegen einen freien Umgang mit der Oper. Nur, es muss etwas dabei herauskommen, es muss Sinn machen. Sebastian Baumgartens Experiment erschöpft sich allerdings in einer banalen Übertragung des Puccinischen bzw. Sardouschen Stücks in die sprachlich wie ästhetisch proletarische Alltäglichkeit von Heute. Baumgarten erzählt die hinlänglich bekante Geschichte von dem flüchtenden Konsul, dem verfolgten Maler, der eifersüchtigen Primadonna und dem brutalen Po samt Folterkeller- und Hinrichtungsszenen. Nur nicht um 1800 in Rom, sondern im heutigen Ostberlin. Kühnheit, Corrgaio, und Geschwindigkeit stehen in Leuchtschrift auf dem Baugerüst. Versprechung, die in Baumgartners Inszenierung keineswegs eingelöst werden. Wer einige Volksbühnen-Erfahrung hat, erkennt in Sebastian Baumgartens Tosca-Adaption im Grunde eine szenische Mischung aus etwas Schlingensief, ein bisschen Marthaler und reichlich Castorf. Altbewährte Volksbühnendramaturgie und -Optik begegnet einem. Der Tosca-Plot muss herhalten als Projektionsfläche von intellektuell verbrämter, wiewohl abgestandener, moderner Kunstphilosophie, ewig-ostiger Kapitalismuskritik und zur klischeehaften Zurschaustellung von Macht und Sadismus, Religion und Sex. Angelotti spielt eine Transe in Strapsen, der Messner spielt beim Te Deum halbnackt den Bischof, während aus dem Bühnenboden ein kindlich-seniler, mit Spielzeug hantierender Fantasy-Zwerg hochfährt: Die Verkörperung der Wohlstands- und Spaßgesellschaft? Ein Milliardär aus den arabischen Emiraten faselt etwas von Religions- und Kulturkonflikten und der Maler Cavaradossi wird als ausgeflippter Möchtegern-Künstler gezeigt, als anarchischer Rebell und enfant terrible, das sich keiner Ordnung und Zuordnung unterwirft. Lars Rudolf darf - vornehmlich in Unterhosen agierend - alle Register eines virtuosen, Deppen von Bakunins Gnaden ziehen.
Am eindrucksvollsten in dieser flauen Vorstellung ist Kathrin Angerer als nudelkochende Floria Tosca. Eine große Schauspielerin, aber unter ihren Möglichkeiten. Sie reduziert Tosca auf ein emporgekommenes, aufmüpfiges, bigottes und rotzfreches Berliner Proleten-Gör. Sie ist ein eiskaltes und doch immer wieder sentimentales Luder. Sie schnauzt die Männer aufbegehrend an mit dem Tonfall eines Zille-Marktweibes. Ihr "Vissi d´arte, vissi d´amore" singt sie hilflos wie ein Schulmädchen. Singen ist nicht ihre eigentliche Profession. Eher überzeugt sie in T alkshows
Tosca auf ein von gesellschaftlichen, erotischen und religiösen Zwängen fremdbestimmtes Mädchen zu reduzieren, ist ebenso wenig überzeugend wie die professorale Deklamation von Kunsttheorien oder die Zurschaustellung brutaler Ermordungsszenen, in denen dekaliterweise Blut fließt und gespuckt wird. Und was soll die zu Beginn der Vorstellung zelebrierte Wiederbelebung der Tosca-Leiche, bei der einer der Bahrenträger sich in die Unterhose greift, zwei Tennisbälle entnimmt, die er Tosca aufs Gesicht legt, woraufhin sie ihre Augen öffnet und als sexy Girlie auf die Bühne kommt?
Am Ende erschießt Tosca eigenhändig ihren geliebten Maler Cavaradossi. Es ist der Schlusspunkt eines plakativ und platt gezeichneten Befreiungskampfs einer jungen Frau, die in die Rolle der Diva gedrängt wurde. Zum Finale zeigt Baumgarten vor spiegeblitzendem Sternenhimmel auf glutrotem Rundhorizont in Zeitlupe den Sturzflug der Tosca, die sich ja bei Puccini von der Engelsburg stürzt, während an der Rampe die wahre Tosca in einem Divenkostüm als Popsängerin auftritt. Der Erkenntniswert dieser Auseinandersetzung mit Puccinis Tosca ist gleich Null. Nichts Neues haben wir erfahren oder gelernt. Aber immerhin: Es darf viel gelacht werden über Parodie und Travestie, Karikatur und Kitsch, Klamauk und das Scheitern eines Regisseurs. Aber vielleicht ist das Ganze ja als Kanevalsscherz gemeint. Man weiß ja, die Berliner, und Sebastian Baumgarten ist einer, haben ein besonderes Verhältnis zum Karneval.