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"Tot ist er noch lange nicht"

Geologie.- Der Vulkan Eyjafjallajökull spuckt wieder Asche und behindert – ebenfalls wieder – den Flugverkehr über Teilen Europas. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek erläutert im Interview mit Katrin Zöfel, warum Langstreckenflugzeuge diesmal eher nicht betroffen sind.

    Katrin Zöfel: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Aktivität bald enden wird. So oder so ähnlich heißt es täglich im Bericht der isländischen Forscher, die den Vulkan Eyjafjallajökull beobachten. Seine Aktivität hat zwar nachgelassen, doch die Asche, die er ausstößt, genügt nach wie vor, um etwa in Spanien den Flugverkehr empfindlich zu stören. Mein Kollege Volker Mrasek verfolgt das Geschehen für uns und ist nun bei mir im Studio. Herr Mrasek, warum ist das so?

    Volker Mrasek: Wie Sie sagen: Der Vulkan ist zwar ruhiger geworden, aber er wirft immer noch Material aus und hat sogar vor einigen Tagen mal wieder eine stärkere Eruption gehabt. Das heißt, tot ist er noch lange nicht, da kommt immer noch Asche raus. Die Situation ist so, dass das Wetter sich anders darstellt, als zum Beispiel Mitte April, als Deutschland unter der Wolke verschwand. Es ist momentan so, dass es eine Vorzugswindrichtung gen Süden gibt. Das heißt, diese Aschewolke wird nach Süden über den Nordatlantik hinausgetrieben. Und über der Iberischen Halbinsel, also über Spanien und Portugal, haben wir gerade ein Tiefdruckgebiet, über dem Nordatlantik ein Hochdruckgebiet, das heißt, die Wolke kann da auch akkumulieren, da ist nicht so viel Bewegung. Das wird dichter und dichter. Sie bewegt sich dann weiter nach Süden, wird durch ein Tiefdruckgebiet in eine scharfe Linkskurve getrieben und dann quasi in den Mittelmeerraum hineingezogen. Und weil der Vulkan auch nicht mehr Asche so weit nach oben hinausbefördert – am Anfang waren das zehn bis elf Kilometer, jetzt sind es drei, vier, in der Spitze mal sechs – konzentriert sich diese Aschewolke auch auf ein schmaleres Höhenband. Das heißt, es kommt zwar vielleicht weniger raus, aber man hat eine stärkere Akkumulation, man hat Wetterbedingungen, die dafür sorgen, dass sich das weiter akkumulieren kann. Er ist ja weiter aktiv und das geht dann nach Spanien rein und führt dann dazu, dass in Spanien Flugzeuge, die dort landen oder starten wollen, das zeitweilig nicht konnten, wobei Langstreckenflugzeuge durchaus drüber hinweg fliegen konnten, denn die Aschewolke war ja nicht mehr so hoch. Das heißt, diese Konzentration betrifft jetzt Höhenbereiche bis 6000 Meter. Ein Langstreckenflieger geht auch zehn oder elf Kilometer hoch. Das heißt: Ein Flugzeug, das von Deutschland in die Ferne fliegt, konnte am Wochenende über Spanien hinweg fliegen, aber eine spanische Maschine, die da irgendwie im innernationalen Flug unterwegs sein wollte, musste dann zeitweilig am Boden bleiben.

    Zöfel: Es sind immer wieder andere Länder, die betroffen sind. Gibt es inzwischen europaweite Regelungen, wie man mit Flugverboten umgehen soll.

    Mrasek: Am Anfang gab es ja die Kritik daran, dass keiner so recht weiß, was er machen soll, oder jeder macht, was er will. Es gab ja auch in der Politik eine große Unzufriedenheit darüber, aber Mittlerweile haben sich die Verkehrsminister in der EU getroffen. Genau vor einer Woche, am Dienstag auch, gab es in Brüssel eine Sondersitzung, einen Sonderrat. Und da hat man tatsächlich beschlossen: Wir machen das jetzt einheitlich, man hat auch Grenzwerte eingeführt und hat gesagt: Wir richten uns da nach Empfehlungen, die wir zumindest zurzeit von Triebwerksherstellern haben. Und dann hat man gesagt, es gibt Bereiche, da weiß man, das ist wirklich völlig unbedenklich, da durchzufliegen. Dann gibt es höhere Konzentrationen, in dem Fall wären das 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Da sagt man, das ist im Prinzip auch unkritisch, aber die Piloten, die da durch fliegen, sind gezwungen und verpflichtet, Meldung zu machen, wenn sie irgendwie Aschewolken sehen. Die sind ständig in Kontakt mit dem Boden und müssen da Meldung machen. Und dann gibt es sogenannte No-flight-zones, also da darf überhaupt nicht geflogen werden. Das sind die Bereiche, wo man zurzeit sagt, das könnte gefährlich werden, wenn da Triebwerke lange genug unterwegs sind.

    Zöfel: Kann man denn inzwischen vom Boden aus messen, wie hoch die Aschekonzentrationen in der Luft sind?

    Mrasek: Das Ganze stützt sich ja auf Simulationsrechnung: Computermodelle, Strömungsmodelle, Chemietransportmodelle – dafür ist eine Einrichtung in London zuständig, ein Vulkanascheberatungszentrum. Da muss man also sagen, das sind Computerberechnungen. Aber die werden und wurden auch schon seit Mitte April intensiv durch Messungen von Bodenstationen, aber auch von Flugzeugen zum Beispiel oder von Satelliten begleitet. Diese Messungen fließen nicht unbedingt in die Vorhersagen ein. Das heißt, wenn wir jetzt zum Beispiel die Vorhersage für heute, 18 Uhr, haben und sehen da ein paar kleine Flecken auch über Deutschland, die aber nicht kritisch sind, dann ist da jetzt nicht irgendwie schon eine Flugzeug- oder eine Bodenstationsmessung mit eingeflossen, aber die Leute schauen sich diese Daten an. Es gibt Geräte bei uns, die messen, es gibt in Europa Geräte, die messen. Der Deutsche Wetterdienst hat zwei sogenannte Ceilometer in Lindenberg bei Berlin und eines in Süddeutschland im Alpenvorland stehen, die auch im operationellen Betrieb sind. Die können diese Aschewolke sehen. Die Falcon, das deutsche Flugzeug, fliegt ab und an mal herum. Morgenfrüh werden wir erfahren – oder morgen Mittag – ob sie wieder oder wann sie wieder in die Luft steigt. Diese Messungen werden benutzt, um die Modelle zu validieren. Und nach dem, was man von den Vorhersageexperten hört, zeigen diese Ergebnisse auch, dass diese Computermodelle verdammt gut sind.

    Zöfel: Wer macht die Vorhersagen für Deutschland?

    Mrasek: In Deutschland ist es so, dass beim Deutschen Wetterdienst die Verantwortlichkeit für das Flugwetter liegt. Das heißt, der Wetterdienst kriegt jetzt die Daten aus diesem genannten Vulkanascheberatungszentrum in London und macht daraus nochmal eine verfeinerte Regionalvorhersage, kann man sagen. Aus London kommen alle sechs Stunden Vorhersagen. Der Deutsche Wetterdienst bricht die mithilfe seiner Modellvorhersagen auf eine Stunde runter und teilt Deutschland in etwas mehr als 40 Zonen auf und kann dann sogar relativ genau sagen: Der Flughafen München wird betroffen sein, der Flughafen Berlin wird dann und dann betroffen sein. Und das hat zum Beispiel auch dazu geführt, weil das mittlerweile in Deutschland so fein ist, dass man am Wochenende nur zeitweilig im süddeutschen Raum Flugverbote hatte und die nach Stunden schon wieder aufgehoben waren, weil man das Vertrauen in diese regionalen Vorhersagen hat. Und letztlich ausgesprochen werden diese Verbote von der Deutschen Flugsicherung – das ist die zuständige Behörde. Die arbeitet eng mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen.

    Zöfel: Volker Mrasek war das im Gespräch über den Vulkan Eyjafjallajökull auf Island, der weiterhin Aschewolken in die Atmosphäre spuckt.