Archiv


Total digital

Seit zehn Jahren diskutieren die großen Produzenten und Verleiher Hollywoods über eine einheitliche und verbindliche Norm für das digitale Kino. Ein Ergebnis konnte man bisher nicht erzielen. Für die Europäer bietet sich deshalb die Chance, einen zumindest kleinen Vorsprung zu erreichen. Mit dem Projekt European Docuzone hat man nun den ersten Schritt die digitale Zukunft des Kinos gemacht.

Von Hans-Peter Ehmkeon Hans-Peter Ehmke |
    Das ist also der Rechner und der dazugehörige Videobeamer und wenn man den jetzt anschalten würde, würde man im Vergleich zu dem was wir jetzt hören, nichts mehr hören, beziehungsweise einen kleinen Lüfter wahrscheinlich nur, der ein bisschen rauscht, mehr nicht.

    Neben dem ratternden 35-Millimeter-Filmprojektor von der Größe eines Smart-Kleinwagens, steht im Bremer Programmkino Schauburg schon jetzt die digitale Zukunft des Kinos. Kinobetreiber Manfred Brocki weist nicht ohne Stolz auf die neuen Geräte hin. Einen Server, der auch gleichzeitig als Abspielgerät arbeitet und einen Beamer, der für große Räume konzipiert ist. Einen Vorteil der Digitalisierung sieht Manfred Brocki vor allem darin, dass mehr Dokumentarfilme als bisher ins Kino kommen können:

    Dokumentarfilme sind früher mit zwei, drei Kopien rausgekommen. Wanderten dann durch die Republik und kamen dann irgendwann eventuell in dem letzten Kino nach ein, zwei Jahren mal an. Jetzt ist die Möglichkeit gegeben durch die Digitalisierung einen Film groß zu starten. Das heißt eben: Wir haben uns vorgenommen an einem bestimmten Tag, wenn es so bleibt an einem Mittwoch, bundesweit einen Film zu starten, der dann auch bundesweit beworben wird und dann in der Zeit zwischen 18 und 20 Uhr in den Kinos läuft.

    Ab Anfang März werden dann gleichzeitig in über hundert europäischen Kinos 26 in Europa produzierte Dokumentarfilme anlaufen. Das Projekt European Docuzone wird im Rahmen des MEDIA-Programms der EU gefördert. Initiatorin ist die Berliner Salzgeber GmbH. Ein Filmverleih, der seit über zwanzig Jahren Dokumentarfilme in die Kinos bringt. Hintergrund für das Engagement waren die hohen Kosten für das Kopieren auf 35-Millimeter-Filmrollen. Die können schon mal 25 000 bis 30 000 Euro erreichen, wenn z.B. digital produzierte Filme auf Zelluloid kopiert werden sollen. Ausgaben, die auch die staatlichen Filmförderungen belasten. Besonders unsinnige Ausgaben meint Björn Koll, Geschäftsführer der Salzgeber GmbH:

    Wenn man dieses Geld mal in die Struktur der Kinos investieren würde und jetzt nicht mehr Einzelfilme fördert, um sie auf Zelluloid zu bringen, sondern Kinos ausstattet, dass die Filme in dem Format, in dem sie gedreht worden sind, auch in die Kinos kommen können.

    Auch der Weg in die Kinos soll den digitalen Formaten angepasst werden. Denn nicht nur das Kopieren war bisher ein Kostenfaktor. Für den Filmverleiher ist die Reduktion der Transportkosten genau so wichtig. Björn Koll beschreibt drei Alternativen:

    Man könnte erdgebundene Leitungen nehmen. Das ist ein bisschen teuer und auch nicht ganz so verlässlich. Und wir haben uns für den Satelliten entschieden. Der Satellit ist noch damit verbunden, dass die Schüsseln noch auf den Kinos installiert werden müssen. Das wird circa im Juni abgeschlossen sein. Und derzeit haben wir transportable Festplatten, auf die die Daten kopiert werden und dann werden sie von der Festplatte im Kino wieder hoch geladen.

    Eine Übertragung durch Satellit eröffnet natürlich noch mehr Möglichkeiten für die Kinobetreiber. Sie können ihr Publikum über Liveschaltungen direkt in Kontakt mit den Filmemachern bringen. An jeden Ort in Europa. Der Kinobesuch als Event könnte dann auch neues Publikum für anspruchsvollere Filmproduktionen gewinnen. Aber auch das traditionelle Publikum der Programmkinos mit seinen cineastischen Vorlieben ließe sich überzeugen. Durch Qualität und Vielfalt. Das zumindest erwartet Sabine Matthiesen, Geschäftsführerin der Hamburger Zeise-Kinos:

    Diese digitale Projektion ist unglaublich gut. Die ist so wahnsinnig gut, dass man eigentlich gar nicht erkennt als Laie, dass das keine 35-Millimeter-Kopie ist. In neun von zehn Fällen merkt das kein Mensch. Dem Publikum, das so gerne ältere Filme guckt oder sich dem Repertoire so nahe fühlt, dem kann man zum Beispiel eine restaurierte Fassung zeigen, weil man die natürlich digital einspielen kann.

    Die digitale Einspielung von Kinofilmen wird viele Arbeitsgänge vereinfachen. Der Aufwand, den 35-Millimeter-Filme benötigen, um fachgerecht abgespielt zu werden, wird erheblich reduziert. Auch das macht das Digitalisierungsprojekt für Kinobetreiber interessant:

    Das spart sicherlich Personalkosten. Dann muss man wieder einen Teil des Geldes sicherlich in ganz bestimmte Wartungskosten investieren. Weil ich weiß, je mehr Technik man im Haus hat, desto mehr muss man dafür ausgeben, dass sie auch funktioniert. Also mittlerweile weiß ich, wie wichtig ein Computerfachmann ist. Aber insgesamt werden wir schon sparen.