Im Stall von Tatjana Petrovna staksen ein paar Hühner durch das Stroh. Hinter einer Bretterwand randaliert ein Ferkel. Zwei Kaninchen kauern in einem Käfig. Tatjana Petrovna zieht den Anorak fester zusammen. Ihre Füße stecken in Gummigaloschen.
"Die kleinen Kaninchen sterben von selbst. Ich weiß nicht warum. Die sind im Dutzend verendet, kaum das sie laufen konnten. Die großen, wenn wir die schlachten, dann ist das Herz ganz aufgeweicht. Und die Hühner, die sind ganz verfault von innen. Eins habe ich mir mal genauer angeschaut, da war die ganze Leber mit der Bauchhöhle verwachsen und ganz riesig."
In Pavlovo stirbt das Vieh, und auch die Menschen sind krank. Junge und Alte klagen über Schüttelfrost, ständige Kopf- und Magenschmerzen, Nasenbluten. Wer Geld hat oder bei Verwandten oder Bekannten unterkommen konnte, hat das Dorf verlassen. Etwa 130 Menschen sind noch da.
Am Rand von Pawlowo steht ein längliches großes Holzhaus: Die Selenitfabrik. Seit bald hundert Jahren werden hier Andenken aus dem gelblichen Mondstein hergestellt. Etwa ein dutzend Frauen arbeiten hier, auch Galja. Die 40-Jährige sitzt an einem Tisch. In der rechten Hand hält sie eine Feile, in der linken ein längliches Stück Stein. Ein paar geübte Schliffe, schon entsteht das Gesicht eines Teddybären.
"Ich habe es satt, dauernd krank zu sein. Viele Alte im Dorf klagen gar nicht mehr, weil sie wissen, dass sie ohnehin bald sterben. Aber wir Jüngeren, wir wollen doch noch ein bisschen leben."
Die Tür geht auf. Ein alter Mann kommt in die Fabrik - und fängt sofort an zu schimpfen. Die Luft in Pavlovo sei einwandfrei, sagt er, viel gesünder als in der Stadt! Eine blonde Frau tritt ihm entgegen. Marina Vachruscheva ist die gewählte Dorfvorsteherin von Pavlovo. Er sei schon 70 und seine Kinder lebten woanders, erwidert sie dem Alten. Nur deshalb sei er so gleichgültig. Dabei sei doch auch sein Hund verreckt, nachdem er Wasser aus dem Fluss getrunken habe...Die Situation macht die Menschen in Pavlovo nicht nur krank, sie zerstört auch die Dorfgemeinschaft. Seit Jahren warten die Bewohner auf eine Entschädigung, darauf, dass sie wegziehen können an einen weniger verschmutzten Ort.
Sie machen den Konzern Lukoil-Perm für ihr Unglück verantwortlich. Der Boden in der Gegend von Pavlovo ist kalkhaltig und extrem porös. Experten sind sich einig, dass die Ölförderung in dem Gebiet äußerst riskant ist. Allzu leicht können Spalten entstehen und Öl und Chemikalien an die Oberfläche dringen. Auch die Firmenleitung von Lukoil-Perm selbst schließt nicht aus, dass die Ölarbeiten die Verschmutzungen in Pavlovo verursacht haben. Trotzdem weigert sich der Konzern seit Jahren, einer Umsiedelung der Bewohner zuzustimmen.
Nach jahrelangem Drängen einzelner Umweltschützer und kritischen Berichten in der deutschen Presse, hat sich nun der Gouverneur des Permer Gebiets eingeschaltet und Konzernvertreter, Menschenrechtler und Umweltschützer an einem Tisch versammelt. Ein Besuch in der Administration des Permer Gebiets. Valerij Seredin leitet die Abteilung der Gebietsadministration für die Nutzung der Natur. Sein Regal ziert eine Mineraliensammlung. Dazwischen steht ein marmorner Miniaturbohrturm mit dem Firmenlogo von Lukoil. Seredin blättert in einer Präsentationsmappe mit Vorschlägen, wie mit Pavlovo umzugehen ist. Das gesamte Dorf solle schrittweise umgesiedelt werden, erklärt Seredin, zuerst Familien mit kleinen Kindern, dann die anderen.
"Das ist einer von unseren Vorschlägen. Den kriegen jetzt der Gouverneur und Lukoil. Eine Entscheidung wird in den nächsten 3, 4 Wochen fallen. Allein mit öffentlichen Mitteln können wir das nicht finanzieren. Es wäre deshalb gut, wenn sich Lukoil daran beteiligen würde. Die ersten elf Familien könnten noch in diesem Jahr umziehen."
Froh ist Seredin trotzdem nicht. Er ist tief gekränkt.
"Die Leute behaupten immer, die Administration würde weit weg von der Bevölkerung leben und allen nur Schlechtes wollen. Das stimmt doch einfach nicht."
Die Menschen in Russland - und auch in Pavlovo - müssten endlich anfangen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, betont er, statt immer nur auf Hilfe von außen zu warten. Die Frauen in der Fabrik von Pawlowo hoffen, dass die Verwaltung ihre Ankündigung nun auch in die Tat umsetzt und das Dorf endlich umsiedelt.
"Die kleinen Kaninchen sterben von selbst. Ich weiß nicht warum. Die sind im Dutzend verendet, kaum das sie laufen konnten. Die großen, wenn wir die schlachten, dann ist das Herz ganz aufgeweicht. Und die Hühner, die sind ganz verfault von innen. Eins habe ich mir mal genauer angeschaut, da war die ganze Leber mit der Bauchhöhle verwachsen und ganz riesig."
In Pavlovo stirbt das Vieh, und auch die Menschen sind krank. Junge und Alte klagen über Schüttelfrost, ständige Kopf- und Magenschmerzen, Nasenbluten. Wer Geld hat oder bei Verwandten oder Bekannten unterkommen konnte, hat das Dorf verlassen. Etwa 130 Menschen sind noch da.
Am Rand von Pawlowo steht ein längliches großes Holzhaus: Die Selenitfabrik. Seit bald hundert Jahren werden hier Andenken aus dem gelblichen Mondstein hergestellt. Etwa ein dutzend Frauen arbeiten hier, auch Galja. Die 40-Jährige sitzt an einem Tisch. In der rechten Hand hält sie eine Feile, in der linken ein längliches Stück Stein. Ein paar geübte Schliffe, schon entsteht das Gesicht eines Teddybären.
"Ich habe es satt, dauernd krank zu sein. Viele Alte im Dorf klagen gar nicht mehr, weil sie wissen, dass sie ohnehin bald sterben. Aber wir Jüngeren, wir wollen doch noch ein bisschen leben."
Die Tür geht auf. Ein alter Mann kommt in die Fabrik - und fängt sofort an zu schimpfen. Die Luft in Pavlovo sei einwandfrei, sagt er, viel gesünder als in der Stadt! Eine blonde Frau tritt ihm entgegen. Marina Vachruscheva ist die gewählte Dorfvorsteherin von Pavlovo. Er sei schon 70 und seine Kinder lebten woanders, erwidert sie dem Alten. Nur deshalb sei er so gleichgültig. Dabei sei doch auch sein Hund verreckt, nachdem er Wasser aus dem Fluss getrunken habe...Die Situation macht die Menschen in Pavlovo nicht nur krank, sie zerstört auch die Dorfgemeinschaft. Seit Jahren warten die Bewohner auf eine Entschädigung, darauf, dass sie wegziehen können an einen weniger verschmutzten Ort.
Sie machen den Konzern Lukoil-Perm für ihr Unglück verantwortlich. Der Boden in der Gegend von Pavlovo ist kalkhaltig und extrem porös. Experten sind sich einig, dass die Ölförderung in dem Gebiet äußerst riskant ist. Allzu leicht können Spalten entstehen und Öl und Chemikalien an die Oberfläche dringen. Auch die Firmenleitung von Lukoil-Perm selbst schließt nicht aus, dass die Ölarbeiten die Verschmutzungen in Pavlovo verursacht haben. Trotzdem weigert sich der Konzern seit Jahren, einer Umsiedelung der Bewohner zuzustimmen.
Nach jahrelangem Drängen einzelner Umweltschützer und kritischen Berichten in der deutschen Presse, hat sich nun der Gouverneur des Permer Gebiets eingeschaltet und Konzernvertreter, Menschenrechtler und Umweltschützer an einem Tisch versammelt. Ein Besuch in der Administration des Permer Gebiets. Valerij Seredin leitet die Abteilung der Gebietsadministration für die Nutzung der Natur. Sein Regal ziert eine Mineraliensammlung. Dazwischen steht ein marmorner Miniaturbohrturm mit dem Firmenlogo von Lukoil. Seredin blättert in einer Präsentationsmappe mit Vorschlägen, wie mit Pavlovo umzugehen ist. Das gesamte Dorf solle schrittweise umgesiedelt werden, erklärt Seredin, zuerst Familien mit kleinen Kindern, dann die anderen.
"Das ist einer von unseren Vorschlägen. Den kriegen jetzt der Gouverneur und Lukoil. Eine Entscheidung wird in den nächsten 3, 4 Wochen fallen. Allein mit öffentlichen Mitteln können wir das nicht finanzieren. Es wäre deshalb gut, wenn sich Lukoil daran beteiligen würde. Die ersten elf Familien könnten noch in diesem Jahr umziehen."
Froh ist Seredin trotzdem nicht. Er ist tief gekränkt.
"Die Leute behaupten immer, die Administration würde weit weg von der Bevölkerung leben und allen nur Schlechtes wollen. Das stimmt doch einfach nicht."
Die Menschen in Russland - und auch in Pavlovo - müssten endlich anfangen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, betont er, statt immer nur auf Hilfe von außen zu warten. Die Frauen in der Fabrik von Pawlowo hoffen, dass die Verwaltung ihre Ankündigung nun auch in die Tat umsetzt und das Dorf endlich umsiedelt.