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Totengräber oder Firmen-Retter?

Eisenhüttenstadt, Betriebsversammlung in der Sero Entsorgung GmbH - dem legendären Ost-Unternehmen, das kürzlich bankrott gegangen ist.

    Also Grüß Gott allerseits! Heut ist doch schön oder? Ist doch ein bisschen Stimmung hier auf dem Tisch und die Menschen gucken fröhlich da draußen in der Sonne, heute haben wir ja auch so ein bisschen Fröhlichkeit und Heiterkeit irgendwo mitgebracht, nicht nur vom Wetter her....

    Tatsächlich: Party im Pleite-Unternehmen. Der Insolvenzverwalter gibt der Belegschaft einen aus - bezahlt aus eigener Tasche.

    Wenn Sie keine Fragen haben sollten, dann wünsch ich an dieser Stelle schon einen schönen Abend, bei Bier, bei Wasser, bei Saft, bei Fleisch, bei Würsten, Ketchup und ähnlichem mehr und hoffe dass wir uns dann im Juni gutgelaunt wieder sehen werden....

    Zunächst einmal ist es natürlich ein trauriges Gefühl, wenn man in ein Unternehmen kommt, welches den Insolvenzantrag stellen musste, weil die Mitarbeiter zunächst einmal sehr sehr deprimiert sind und wir als eine Art Totengräber angesehen werden, die eigentlich nichts anderes zu tun haben, als den Betrieb zu schließen. Und ich denke, dass es eine unserer Aufgaben ist, dass wir versuchen, vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen und schlicht und einfach für die Maßnahmen, die manchmal auch notwendig sind, zu werben.

    Wolfgang Schröder ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Insolvenzverwalter in Berlin. Oder anders ausgedrückt: Sanierer und Firmenretter. Denn 70 bis 80 Prozent der zahlungsunfähigen, aber noch lebenden Unternehmen, die Schröder übernimmt, kann er - zumindest in Teilen - wieder fit machen. Wie geht das? Zuerst: Ein Blick in die Geschäfts-Bücher. Wie hoch sind die Verluste? Wie ist die Auftragslage? Welche Konten existieren? Die Geschäftsführer stehen meistens ganz verschüchtert daneben, weil sie doch in der Vergangenheit so einiges nicht auf die Reihe bekommen haben. Schröder hat es aber manchmal auch mit ganz abgebrühten Firmenchefs zu tun.

    Ich erinnere mich auch noch an so einen Alleinunternehmer, der mehrere Gesellschaften hatte und der uns im Grunde genommen den Zutritt verweigert hatte. Der hat gesagt: ich lass dich nicht rein. Aus. Ende. Feierabend. Und dann mussten wir beim Gericht einen Beschluss beantragen, mit dem die Möglichkeit des zwangsweisen Eindringens geschaffen wurde und ein Gerichtsvollzieher mit uns dann gemeinsam auch teilweise mit Polizei dann in die Räume reingegangen sind und dort haben wir gottseidank auch die Unterlagen vorgefunden und sofort auf einen Lastwagen, den wir mitgerbacht hatten, eingelagert und haben dann diesen Lastwagen in unser Büro gefahren und dort die Unterlagen erst mal gesichert.

    Dann muss Schröder die Gläubiger beruhigen. Die haben schließlich einst ihr Geld in die Pleite-Firma gepumpt - oder Material geliefert.

    Die Gläubiger kriegen manchmal einen kleinen Schock und weil sie einen kleinen Schock haben, versuchen sie zu retten, was zu retten ist und das manchmal dadurch, dass sie versuchen, dass sie eben Warenbestände, die sie geliefert haben, wieder abzuholen beispielsweise. Weil gerade in der Krise oftmals schon ein bisschen Wildwest im Unternehmen geübt wird und sie dann schon mal auf Baustellen fahren, gerade bei Bauunternehmen, die schon mal das ein oder andere Material wegnehmen und man da Mühe hat das wieder zu bekommen.

    Schließlich hat sich der Insolvenzverwalter um neue Aufträge zu kümmern für sein Sorgenkind und Banken um Kredite anzubetteln. Muss die Konkurs-Firma dicht gemacht oder kann sie verschlankt und weitergeführt werden? Wenn ja, geht die Suche nach einem Investor los, der das angeschlagene Unternehmen übernehmen will. Zwischendurch muss der Verwalter immer wieder mit Betriebsrat und Gewerkschaft telefonieren, damit die Mitarbeiter fleißig weiter arbeiten. Und alles schnell-schnell: Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel!

    Was auch schwierig ist mit dem Telefon, weil er jede Minute ausnutzt, dann muss ich die Leute wieder vertrösten, tut mir leid, ich meld mich gleich wieder, er spricht jetzt schon wieder - man muss ihm schon hinterherlaufen.

    Dann ist er dort ne halbe Stunde und dann geht er halt in den nächsten Termin erst mal wieder für ne halbe Stunde und dann wieder kommt der in den ersten Termin zurück und - ja das ist nicht so einfach...

    ...jammern die gestressten Sekretärinnen in der Kanzlei des Berliner Rechtsanwalts. Vierzehn bis sechzehn Stunden Arbeit pro Tag, meistens auch noch Sonnabends oder Sonntags: Wolfgang Schröder rotiert. Doch bloß keinen Fehler machen! Ein Insolvenzverwalter darf nämlich kein zusätzliches Minus mehr einfahren - sonst können die Gläubiger den Juristen persönlich dafür haftbar machen.

    Anfang der 80eer Jahre gab es schon mal den einen oder anderen Verwalter aus dem norddeutschen Raum, der erhebliche Regressforderungen hatte, und der soweit ich weiß sich auch zurückziehen musste und er eben auch persönlich den Offenbarungseid ableisten musste.

    Also: Insolvenzverwalter können auch selbst pleite gehen. Für den Stress und das Risiko bekommen sie allerdings - als Gehalt - %e aus der Insolvenzmasse ausgezahlt, bei Großunternehmen sogar Millionenbeträge. Und manchmal gibt's als Zulage auch ein Schulterklopfen.

    Also: Die Unternehmensplanung, die wir gemacht haben, sieht für dieses Unternehmen Eisenhüttenstadt gut aus. Muss ich wirklich sagen, sieht sogar wirklich sehr gut aus. Und wir werden mit Sicherheit zum 1. Juli eine Lösung präsentieren, die den Fortbestand dieses Unternehmens im Auge hat. Und deswegen: Leute macht bitte weiter so!